Special
Various Artists
Metal gegen Krebs Festival
Ob gegen Rechts, den Irak Krieg oder sonstiges. Derlei Festivals haben zumindest zwei Dinge gemeinsam: Erstens zeigen sie, dass es doch noch Menschen gibt, die sich mit der derzeitigen Situation oder dem Umgang mit einem Thema nicht identifizieren können, und wohl eher noch dagegen sind. Weiterhin ist ein solches Festival ein Indikator dafür, welche Band nicht nur den Mund aufmacht sondern auch was tut, in einem solchen Fall auch mal ohne Gage zu spielen.
Das Metal gegen Krebs ist ein solches Festival, dass sich rühmen kann beiden Seiten gerecht zu werden. Da gibt es Leute die stehen zu dem was sie machen und organisieren in monatelanger Arbeit Selbstaufopfernd das Ganz mit Drum herum ohne auf den Euro zu kucken. Dafür sollte wohl auch gelegentlich ein Oscar vergeben werden, es kommt schließlich drauf an welche Möglichkeiten man hat. Dieses Jahr konnte sich das Festival wieder einmal eines guten Line-ups sicher sein, insbesondere die Verpflichtung von Lacrimas Profundere gab der ganzen Running Order einen abwechslungsreichen Touch. Nur Geprügel ist zwar fein, aber auf die Dauer von zehn Sunden gerechnet doch etwas anstrengend.
Mächtig heftig fings trotzdem an. Leichenschrei erklommen bei mächtig viel Sonne, aber auch schon mächtig viel Nebel und böse rotem Scheinwerfer Licht die Bühne und durften 25 Minuten ihr Black Metal Metier dem noch etwas trägen Publikum präsentieren. Allzu viel war noch nicht los, kein Wunder, schließlich schläft der gestandene Metaller Samstag um 15:00 Uhr noch, oder arbeitet. Schlechte Karten also, denn war der Auftritt nicht zu verachten.
Dark Wire hatten es anschließend auch nicht unbedingt einfacher. Die Sonne war immer noch da, bei halb vier am Nachmittag eigentlich auch kein Wunder. Trotzdem prügelte sich die Band mit Händen, Füßen und Haaren durch ihr Death / Black dominiertes Set. Einzelne Menschen hatten sich auch inzwischen vor der Bühne eingefunden und ein paar noch weniger entschlossen sich sogar zum moshen.
Und dann kam die Überraschung: Wie Equilibrium spielen nicht ? Hatte man sie doch erst kurz vorher auf dem Summer Breeze gesehen. Und auch gleich die Erklärung. Der Schlagzeuger hatte die Band nach dem Gig auf dem Summer Breeze verlassen und so füllten Dicksaw aus Altötting diese Lücke im Line-up. Und jetzt kann man sich streiten. Passt Death-Grindpunk zu öhm na ja... rot bemalten Bassisten, Sängern im Kuhkostüm und Riesenpimmeln auf der Bühne ? Wenigstens erklärt sich der Begriff Punk durch die durchschnittliche Songdauer von gerade mal 20 Sekunden bis 2 Minuten. Trotzdem, bei Dicksaw bleibt keine Mitte. Entweder man vergöttert sie oder findet sie total Scheiße. Beides ist nur natürlich.
Dann wurde es ein Stück melodischer und vor allem professioneller. Seasons in Black erklommen kurz vor dem Abendbrot die Bühne, schön der Reihe nach, und stellten sich auch artig in Reih und Glied und Anzug auf, auch wenn Drumer „Spring“ mit seinem knappen Ledertange bekleidet sicher nicht zum Dinner im englischen Königshaus eingeladen worden wäre. Trotzdem war der Gig abwechslungsreich, gut und sicher nicht langweilig. So mancher Metalhead war inzwischen angesichts der Abenddämmerung auch wach geworden und nützte die Soundkulisse zum rhythmischen Haare durch die Luft werfen, beim letzten Song auch auf der Bühne. Als lokaler Act und Main-Support des MgK Festivals lieferten Seasons in Black somit einen einwandfreien, emotionalen, und gutgelaunten Gig ab.
Und trotzdem wurden sie von der nachfolgenden Band getoppt. Lacrimas Profundere waren ja schon einmal vor zwei Jahren mit dabei gewesen und vermutlich hatten sich die Veranstalter deren Qualitäten entsonnen und sie kurzerhand wieder eingeladen. Eine etwas schwierige Stellung hatten sie trotz allem. Vorher Geprügel, nachher Geprügel, ist da überhaupt Platz für Melodie und Sound á la 69 Eyes oder HIM ? Es war Platz. Anfangs zwar noch vor zu wenig Menschen und mit einem fatalen Sound auf der Bühne entwickelte sich der Gig zu einem Sounderlebnis, dass immer mehr Neugierige ins Zelt kommen ließ um die Haare zu schütteln. Und die Band machte es wieder einmal klar: Nicht 69Eyes aus Finnland sind die würdigen Anwärter auf Ville Vallo´s Tron sondern ganz eindeutig Lacrimas aus Burghausen. Das liegt nicht unwesentlich an Christopher Schmid, der in seiner Rolle als Frontmann perfekt aufgeht. Zumal kann er nicht nur einmalig Singen sondern auch noch sämtliche Möchtegern Death Metaller in Grund und Boden grunzen. Aber auch die anderen Lacrimoser sorgten für einen Gig der Extraklasse. Egal ob Drumer Willi sich hinter dem Schlagzeug den Arsch abrackert, Daniel am Bass die dicken Seiten bearbeitet, Christian an den Keys eindrucksvoll die Tasten drückt oder sich Chris und Oliver an den Gitarren die Finger wund spielen, es bleibt dabei: Lacrimas sind die beste Deutsche Gothic Rock Band und haben mit ihrem eigenen Rock´n Sad Stil bereits Musikgeschichte geschrieben. Das beweißt auch die Tatsache, dass niemand geringerer als Subway to Sally die Jungs als Support im Winter geordert hat. Hoffen wir, dass Lacrimas auch nächstes Jahr wieder am Start sind.
Und schon ging’s wieder los. Flugs die Amps aufgedreht, Gitarren umgeschnallt und Dew Scented legten los, als hätten sie noch etwas vor und müssten möglichst schnell fertig werden. Brachiale Drumattacken wechselten mit bitterbösen Lyriks, trotzdem keine unangenehme Mischung. Metalhead-spaltendens Riff-Geschreddere, technisch hochwertiges Brachial-Drumming, ein treibendes Bass-Fundament und der alles plattwalzenden Gesang von Leffe Jensen. Was will man mehr, die Band hatte sich ja schon in der Vergangenheit als ausgezeichnete Live-Band promoviert, die nur so am Blut und Schweiß schwitzen ist.
Ähnlich gingen auch Disbelief an ihre Arbeit. Vielleicht nicht ganz so schnell, dafür noch eine Ecke grooviger und tiefer. Ausruhen kann man sich trotzdem nicht, es scheint sich herumgesprochen zu haben, dass auch das Metal gegen Krebs nicht ewig dauert und so schüttelt sich eine geballte Menge langhaariger den Alkohol bis in die gespaltenen Haarspitzen. Das Zelt gleicht inzwischen fast schon einer finnischen Sauna, doch davon scheint keiner etwas mitzubekommen, kein Wunder, liefern Disbelief doch einen technisch perfekten und bitterbösen Gig ab. Und dann ? Wie ? Schon wieder hart, laut und schnell, ach ja OK. Soul Demise kletterten die Stiegen hoch und legten nach Disbelief wieder einen Zahn zu, traten noch ein wenig mehr aufs Gas. Trotz nettem weißem Vitamalz T-Shirt vom Frontmann schafften es die Jungs die Atmosphäre noch einmal zu verdunkeln und technisch auf Dew Scented auch noch einen drauf zu legen. So war die Menge dann auch hemmungslos am bangen, was die Extrem Metaller noch einmal ermutigte für die letzten Stücke alles zu geben.
Juhu, Abwechslung ! Nach drei Stunden Hardcore-Prügelsound sehnt sich auch das wackerste Death Metal Herz nach ein wenig Anderem. Und so sollte es auch sein. Die netten Onkels, nein öhm ach so die Paten quetschten sich in achtköpfiger Besetzung auf die Bühne um mal kräftig in die Cover Kiste zu greifen und einen Klassiker nach dem anderen hervorzuholen. Die Paten sind ein All Star Projekt, das sich aus fogenden Musikern zusammensetzt: Bass: Marco Schulz (Hate Squad, Richthofen) Gesang: Felix (Crematory, Abnorm, Jagger (Disbelief) Michael (Century, Shit for Brains) Gitarre: Matze (Crematory, Shit for Brains) Joe (Disbelief) Schlagzeug: Elmar (Execution). Covern können sie wirklich und das Ganze auch noch für eine guten Zweck. Ursprünglich im November 2001 von Marco Schulz in die Welt gerufen um Jane Schuldiner, der Mutter des verstorbenen Death / Control Denied Masterminds Chuck Schuldiner bei der Begleichung noch offener Rechnungen von Chucks Therapie zu helfen, engagierten sich die acht dieses Jahr auf dem Metal gegen Krebs und lieferten ein Set vom Feinsten ab. Slayer, Fear Factory, Machine Head und natürlich Death Covers, hervorragend gespielt, dei menge dankte den Paten dass mit hemmungslosem Kopfgeschüttle und Pogo Ambitionen. Von Sänger Felix kann man ja auch halten was man möchte aber Six Feed Under kann er grunzen, fetter Pluspunkt, haha.
Und plötzlich war’s schon fast eine Stunde nach Mitternacht und keiner hat´s gemerkt. Hätte eigentlich auch Schluss sein können, schließlich wären die Paten ein guter Abschluss gewesen. Aber halt nein, Mystic Cirle standen noch hinter der Bühne und wollten auch noch rauf auf die Bretter. Dass sie sich dann aber noch über eine halbe Stunde Zeit ließen gefiel so manchem nicht. Auch der Komplettaustausch des Drums hätte um halb 2 in der Nacht sicher nicht mehr sein müssen. Tja, dafür kassierten sei dann allerdings auch die Quittung. Egal wie sich Drumer öhm ja... „Necrodemon“ (immer diese bösen Namen) hinter dem Schlagzeug bemühte es war kaum noch jemand da um die Band zu hören. Auch Gitarist ... jaja „Ezpharess“ konnte durch zwar brillantes aber ausdruckloses Gitarrenspiel keinen Boden gut machen. Und erst Recht nicht das selbsternannte Gehirn der Band und einzig verbleibendes Gründungsmitglied ... hihi... „Beelzebub“. Den Bass unter dem Kinn, die Seite nach dem zweiten Lied gerissen und seine Vorstellung hinter allen Erwartungen. Wähnt er sich doch als meister des extrem hohen Schreiens bis zu Death Metal Crowls war von dieser dunklen Gabe eigentlich nichts zu bemerken und Mystic Circle prügelte sich mehr schlecht als Recht durch ein langatmiges Set schlecht auf die Bühne gebrachter eigentlicher sehr guter Albumstücke.
Und dann war es auch schon zu Ende das Metal gegen Krebs 2004. Bilanz: Etwa 700 Besucher, und das wohl wichtigste, ein fettes Plus von 3006,64 Euro, dass der Deutschen Krebshilfe zu Gute kommen sollte. Und dann kam das womit keiner gerechnet hatte: Bei der Deutschen Krebshilfe hatte wohl mal wieder eine Mitarbeiterin einen zu beschränkten Horizont, so dass die Spende abgewiesen wurde, mit der Begründung man fände den Festivalnamen "nicht schön" , und argwöhnte bei "diesen Metallern" rechtsextreme Hintergründe und hatte weiterhin keine Lust, sich auf der Festival-Homepage vom Gegenteil zu überzeugen. Wie dem auch sei, eine Entschuldigung seitens der Deutschen Krebshilfe ist zwar schon beim Veranstalter eingegangen, allerdings verdienen die Verantwortlichen den Imageschaden der Krebshilfe. Somit kam der Gewinn der Jose Carreras Leukämiestiftung zugute, die sich über das Geld wesentlich mehr freute.
An dieser Stelle verdienen die Veranstaltenden ein großes Lob, Dank, Respekt und sicher mindestens eine Erwähnung denn in der heutigen Zeit ist es längst nicht mehr selbstverständlich, dass man noch ein solches Festival zu solch einem guten Zweck auf die Beine stellt: Dank also an Luck Maurer, Hauptverantwortlicher und Sänger von Seasons in Black. Weiterhin Dank an Markus Müller, der den Veranstaltern das Gelände, Strom, Wasser und Toiletten überlassen hat, außerdem ein riesen Merci an Steffi Pfeffer, Florian Aichinger, Aaron Pleintinger, Die Metal Freakshow, und alle die mitgeholfen haben! Natürlich am wichtigsten, die Fans, die das Festival supported haben.
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