Special
Wacken Open Air
W:O:A 2018 – „Hotter than hell“ oder auch „Wie feiert ein Metaller eigentlich ohne Matsch?“
Wer das Wacken Open Air kennt, der assoziiert das größte Metalfestival Deutschlands ganz sicher immer mit wild feiernden, sich im Matsch suhlenden Festivalbesuchern, die im Einklang mit gitarrenlastigen, harten Musikklängen fröhlich von einem Schlammloch zum nächsten springen. Ehrlich gesagt ist das auch immer das erste was ich erzähle, wenn ich nach meinen Erlebnissen des Festivals gefragt werde. In diesem Jahr, genauer gesagt vom 02. bis 04. August 2018 war aber alles anders. Die rund 75.000 Paar Gummistiefel, die eigentlich den heiligen Wacken Acker unsicher machen sollten, konnten seit langem mal wieder jungfräulich den Heimweg antreten. Stattdessen standen in diesem Sommer kurze Hosen, Sneaker und der durch den Staub fast schon dringend benötigte Mundschutz ganz besonders hoch im Kurs. Aber wie heißt es immer so schön: Rain or Shine! 2018 zeigte sich der nun mehr zum 29. Mal stattfindende Event von seiner wohl sonnigsten und heißesten Seite seit Jahren. Da erfreute sich so manch ein Festivalgänger ganz besonders über die seit diesem Jahr im Ticketpreis beinhaltete Nutzung der Duschcamps – sei es zur Körperhygiene oder aber zur reinen Erfrischung an einem heißen Tag.
Aber wer jetzt meint, dass die aus aller Welt angereisten Metalfans, die Jahr für Jahr dem wohl größte Party-Mekka mit den verschiedensten Metal-Genre das Leben einhauchen, ohne Matsch und Regen nicht feiern können, der hat sich wahrlich geirrt. Mit Temperaturen jenseits der 30 Grad und nur wenigen wolkigen Momenten verwandelte sich der Holy Ground im beschaulichen norddeutschen Wacken am ersten Augustwochenende in eine kleine Staubwüste. Natürlich hat dies Vor- und Nachteile, aber alleine die Tatsache, dass man ruhig und komplett stressfrei den Zeltaufbau und die Einrichtung des eigenen Camps vornehmen konnte, ließ viele Metalheads schon zu einer Anreise am Montag vor dem eigentlichen Festivalbeginn verleiten. Und im Gegenteil zu den Jahren, wo man nicht sicher war ob eine Nutzung einiger Campingflächen samt eigenem PKW aufgrund der großen Feuchtigkeit des Bodens überhaupt möglich sei, wurde man in diesem Jahr schon zu einem so frühen Zeitpunkt von Veranstalterseite, aber auch von der lokalen Bevölkerung herzlich willkommen geheißen.
Eine Kleinigkeit galt es in diesem Jahr aber besonders auf den Campingflächen zu beachten. Aufgrund der heißen Temperaturen, welche schon im Vorfeld Norddeutschland fest im Griff hatten, musste man mit dem Einsatz von offenem Feuer sehr zurückhaltend umgehen und durfte dieses ebenso wie das zur Verpflegung gerne genutzte Grillen mit Einweggrills nur unter Beachtung strikter Regeln nutzen. Dennoch kam es hier und da zu kleineren Bränden, welche alle aber Gott sei Dank ohne große Schäden gelöscht werden konnten. Auf die Laune der Festivalbesucher konnte sich aber all das nicht wirklich auswirken. Das sonst schon immer gerne zur Körperhygiene genutzte Wackener Freibad konnte an diesem Augustwochenende sogar eine Rekordbesucherzahl verbuchen, ebenso wie die Getränkestände, die kaum mit den Wasser- und Bierbestellungen hinterherkamen.
Wer es schaffte bis Mittwochmittag anzureisen, sein Zelt, Pavillon und sonstige Campinggarnitur aufgebaut hatte, den zog es wohl auch aus traditionellen Gründen auf den heiligen Festivalacker, auf dem unter lautem Grölen die lokale Feuerwehrkapelle ihr legendäres Eröffnungskonzert spielte, bevor über 160 Bands die 8 verschiedenen Bühnen in wilde Partyhochburgen für die anwesenden Freude der harten Metalklänge verwandelten. Den Anfang machten auf der Headbanger und der W.E.T. Stage im großen Wacken Evolution Zelt u.a. auch die Newcomerbands, welche in harten Konzert-Battles in ihren Heimatländern um einen der Slots beim Metal-Battle Finale 2018 gekämpft hatten. Als Hauptgewinn winkte auch in diesem Jahr wieder ein Spielplatz auf einer der großen Hauptbühnen und damit der Platz als „Anheizer“ für die ganz Großen im Metaluniversum. Wem es allerdings zu diesem Zeitpunkt im Zelt schon zu heiß wurde, der konnte sich auch auf eine gepflegte Hopfenkaltschale im Beergarden einfinden, wo man ebenso mit leichter Metalkost unterhalten wurde. Alternativ stand auch wieder der etwas rustikalere Wackinger und Wasteland Bereich zur Verfügung, auf dem man einem neben mittelalterlichen Klängen auch ein apokalyptischer Endzeitflair um die Nase wehte. Lediglich der Bereich vor den drei Hauptbühnen blieb am Mittwoch noch versperrt.
Wer von dem eigentlichen Festivaltrubel noch nicht so viel mitbekommen wollte, der fand sich im Ortskern von Wacken ein, um den noch anreisenden Festivalbesuchern zuzujubeln, ein Bierchen in der noch recht jungen Wacken Brauerei zu sich zu nehmen oder sich das Akustik-Set der Metal-Queen Doro Pesch in der Wackener Kirche anzuhören. Diejenigen Festivalbesucher die bereits unter Gaming-Entzug litten, konnten sich dieses Jahr erstmals auch in der neu eingerichteten ESL-Gaming-Arena zum großen Zocken einfinden. Nach dieser ersten großen Runde und einem sich langsam in ein tolles Abendrot hüllenden Himmel beizuwohnen, entschieden wir uns für einen entspannten Tagesausklang auf dem Campingplatz mit leckerem Grillgut, kühlem Bier und langen Gesprächen.
Nach einer für Wacken ungewohnt warmen Nacht konnte man am Donnerstagmorgen viele Camper beobachten, die doch recht früh ihrer Zeltunterkunft entflohen, da das Klima dort wohl schon zu früher Stunde einer Saune glich. Mit Kaffee und im Schatten des Pavillons war es aber mehr als gemütlich, so dass man schnell dazu geneigt war die langen Schlangen am Duschcamp abzuwarten, um dann doch erst am Mittag das kühle Nass auf dem Körper zu genießen. Und die Beschreibung „kühl“ war hier wortwörtlich zu nehmen, besaß das Wasser an den meisten Tagen die Temperatur einer Bergquelle. Einmal durchgefroren, wieder aufgewärmt und fertig gestylt musste man dann aber doch wieder das ungewohnt trockene Klima des Holy Grounds genießen gehen. Zusammen mit Vince Neil und Skyline wurde heute die Party im Infield auf der Harder Stage eröffnet. Auf der Faster Stage standen im Gegenzug Dirkschneider und Dokken in den Startlöchern. Ein erstes Highlight waren zu recht früher Stunde dann aber erst die polnischen Black-Metal Band Behemoth die eine beachtliche Schar ihrer musikalischen Jünger vor der Bühne zu versammeln wussten. Etwas psychodelischer, aber auch ruhiger wurde es dann im Anschluss bei Danzig. Allerdings hatte man selbst hier das Gefühl, dass man ohne Mundschutz tonnenweise Staub einatmete. Wer jetzt keine Lust auf den Auftritt der legendären Judas Priest hatte, der machte sich wohl auf um das großzügige Gelände rund um den Metalmarkt zu erkunden oder sich in eine der langen Schlangen an den offiziellen Merchandise Ständen einzureihen. Wem auch das zuviel wurde, der suchte sich einen der wenigen Schattenplätze und genehmigte sich einen Snack, ein leckeres Getränk oder ein kurzes Nickerchen. Uns zog es allerdings in den Biergarten, wo Mambo Kurt (quasi schon lebendes Inventar auf den Wacken Festivals) wieder für extrem gute Stimmung sorgte und dadurch den Bierkonsum bei den Anwesenden weiter anregte. Und auch wenn dieser Tag für uns mit ungewohnt wenig Programm bestückt war, so vielen wir abends wie tot in unsere Schlafsäcke. Das heiße Wetter hatte wohl seinen Tribut gefordert.
Wie schon am Donnerstag, so sah man auch am Freitag schon wieder sehr viele Camper recht früh aus ihren Zeltbehausungen flüchten. Dies lag an den immer noch recht hohen Temperaturen, die auch nachts kaum absanken. Dadurch wurde Wasser zu einem der wichtigsten Güter auf dem Festivalgelände. Gott sei Dank hatten die Veranstalter für ausreichende Trinkwasserstellen gesorgte. Auch wenn es bei vielen leicht quälend aussah, so kamen zur Mittagszeit und in der prallen Hitze der Mittagssonne schon viele ins Infield, um sich den wirklich gelungenen Auftritt von Amorphis anzuschauen. Nach einer kurzen Trinkpause stand dann Doro auf dem Plan, die die Fans wie immer mit ihrer charismatischen Show einfing. Sämtliche Klassiker wurden dabei von ihr ins Mikrofon geschmettert, so dass man sich spätestens nach diesen Tanzeinlagen auf dem staubigen Acker nach einer kalten Dusche sehnte. Gesagt, getan. Trotz dem anstehenden Auftritt von Clawfinger mussten erst einmal ein Klamottenwechsel samt eiskalter Dusche und ein kurzer Grillstop her. In einer für das Wacken rekordverdächtigen Zeit schafften wir wieder den Weg zurück zum Festivalgelände, um dann noch die letzte Hälfte des Nightwish Konzerts aufzusaugen und gemeinsam mit den tausenden Anwesenden das tolle Bühnenfeuerwerk zu genießen.
Nun folgte ein Auftritt, der für viele wohl etwas Wacken-untypisch anmutete und dennoch viele vor die Bühne zog: Otto spielte zusammen mit seinen Friesenjungs. Ich meine, wer kennt den legendären Comedian Otto Walkes nicht? Aber Otto auf einem Metalfestival? Kingt komisch, aber genau das machte den Reiz aus. In typischer Manier dichtete Otto diverse Gassenhauer aus diversen Musikgenres um und vertonte sie in seiner ganz eigenen Art. Und als langer Fan des Ostfriesen muss ich sagen, dass diese Show wirklich grandios war, auch wenn mein Herz blutete, spielten fast parallel meine Lieblingsschweden von In Flames ihr Set. So galt es einen geschickten Spagat zwischen Comedy und Metal zu machen, was allerdings dazu führte, dass ich nicht in den Genuss der „Ottifantenkanone“ kam, welche jede Menge Kuscheltiere ins Publikum beförderte. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge ging es nun mit In Flames weiter, welche wie immer ein fast perfektes Konzert auf die Wacken Bühne zauberten. Die charismatische Art, in der Anders Friden die Songs der Schweden perfomt, ist und bleibt einfach unübertroffen.
Zum Abschluss wurde es noch einmal sakral. Ich entschuldige mich jetzt schon einmal förmlich für den Einsatz dieses Wortes, aber wer Ghost einmal erlebt hat, der wird mich verstehen. Die Harder Stage hüllte sich nun in ein Bühnenbild, das einer Kirche glich. Dazu trugen die Bandmitglieder ihre üblichen Roben und Maskierungen, wodurch kein Gesicht zu erkennen war. Mittelpunkt war hier Cardinal Copia, der durch den musikalischen „Gottesdienst“ vor einer großen Schar Ghost-Jünger führte. Dabei gab es sowohl was auf die Ohren, aber auch ein wenig Theatershow für das Auge. Für mich war dies ein gelungener Ausklang des Tages, mit gepflegten Rockklängen.
Wer an diesem letzten Festivalmorgen ein wenig Entspannung suchte, der ging am frühen Morgen zum täglich angebotenen Metal Yoga oder verkrümmelte sich einfach ins Wackener Freibad. Ehrlich gesagt war dies tatsächlich eine willkommene Abwechslung und dringend benötigte Pause von dem durch die Temperaturen wirklich anstrengenden Festival. Wem der Partymarathon der letzten Tage dann doch noch nicht genug war, der konnte zu Gojira ausgiebig moshen. Ein wenig sleaziger und durchaus Retro wurde es dann zumindest optisch beim Auftritt von Steel Panther, die den Heroen des Hairmetals alle Ehre machen. Getreu dem Motto „Sex, Dugs & Rock’n’Roll“ wurde hier gerockt, inklusiver spärlich bekleideter Frauen und Herumgepose.
Deutlich härter und aggressiver wurde es dann mit Arch Enemy und ihrer Frontfrau Alissa White-Gluz. Aber auch hier wurde vor der Bühne intensiv das Haupthaar geschwungen, was sich somit eigentlich nicht vom Steel Panther Auftritt unterscheidete. Lediglich musikalisch lagen hier Welten dazwischen. Als älterer Metalfan freute ich mich natürlich auf den heutigen Auftritt von Helloween, gehört die Band doch zu den ersten Bands, die mich auf dem Weg ins Metaluniversum begleitet haben. Auch wenn die Band heuer aus einer Mischung der alten Bandmitglieder und ein paar neuen Musikern besteht, so klingt die Band noch genauso wie damals. Alle Fans freuten sich während der Show auch über die vielen alten Bandhits und sangen oftmals lautstark mit.
Zum Abschluss wurde es noch einmal tricky, gab es nun die Auswahl zwischen jungen Metalcoreklängen von Eskimo Callboy und den durchaus düsteren, aber alt-eingesessenen Klängen von Dimmu Borgir. So sehr sich zwar meine düstere Seele zu den Norwegern von Dimmu Borgir hingezogen fühlt so neugierig war ich auch auf einen Auftritt der Ruhrpott-Jungs von Eskimo Callboy samt ihrem Ex-Bachelorette-Herzensbrecher David Friedrich. Okay, das Mädchen in mir gewann diesen Kampf und so landete ich vor der Louder Stage, um mitsamt einem Haufen deutlich jüngerer Metalfans den Core-Sounds der Jungs aus dem Pott zu lauschen. Das letzte Mal habe ich Eskimo Callboy vor zig Jahren auf einem kleinen Festival im Westerwald gesehen und ich muss sagen, dass sich die Band echt gemacht hat. Trotz ihrem Faible für spitzfindige Texte und einer leicht durchgeknallten Bühnen-Choreo, sind sie musikalisch deutlich erwachsener geworden. Eins blieb aber während der Shows gleich, denn nach wie vor können die Eskimo Callboy-Fans einen grandiosen Circle Pit in den Boden stampfen.
Müde, eingestaubt, aber glücklich ging es nun zurück auf den Campingplatz. Dort angekommen war es an der Zeit die letzten Stunden gemütlich ausklingen zu lassen und gemeinsam die Tage revuepassieren zu lassen. Das diesjährige 29. W:O:A überzeugte wieder mit einer Bombenstimmung, sehr entspannten Festivalbesuchern und Festivalmitarbeitern und viel guter Musik. Ebenso toll war aber auch das Rahmenprogramm, welches Jahr für Jahr mehr Alternativen anbietet. Besonders beeindruckend war in diesem Jahr der Motorradzirkus mit seinen mutigen Artisten.
Eine wirklich gelungene Neuerung stellte dieses Jahr das Cashless Payment dar, welches erstmals für alle Besucher verfügbar war. Somit war man das Herumgefummel im Portemonaie losgeworden und konnte ganz entspannt ohne Bargeld zahlen. Ebenso konnte man auch erleben, dass das Thema Inklusion auch auf dem Wacken Open Air gelebt wird. Neben vielen barrierefreien Zugangsmöglichkeiten gab es erstmals eine Gebärdendolmetscherin, die bei einigen Bands mit auf der Bühne stand, um deren Songtexte auch für das gehörlose Publikum zu übersetzen.
Auch wenn es statt dem üblichen Matsch dieses Jahr viel Staub in das Gepäck nach Hause geschafft hatte, so war es endlich mal eine Wohltat die Festivalzeit ohne rutschige Wege, ewig nasse Klamotten und tonnenweise Matsch zu verbringen. Klar, die ganze Hitze ist ebenso anstrengend und der Staub oft nervig, aber wie heißt es so schön: Rain or Shine! Und egal welches Wetter Petrus am ersten Augustwochenende auspackt, es wird ordentlich gefeiert. Jetzt bleibt es abzuwarten wie 2019 wird, aber eins kann jetzt schon ganz sicher gesagt werden: das 30. Wacken Open Air, welches vom 31. Juli bis zum 03. August 2019 stattfinden wird, dürfte ebenso legendär werden, wie all die Jahre davor. Nicht ohne Grund dürfen die Macher bereits wenige Tage nach dem diesjährigen Festival schon wieder das „Ausverkauft“ melden.
Kitty N., 23.06.2019
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