Special
Wacken Open Air
W:O:A 2015 - Very Matsch Metal
„Very Matsch Wacken“ hieß es im diesjährigen Abschlussbericht der Wacken Open Air Veranstalter. Untertrieben haben sie damit jedenfalls mal nicht. Gab es schon das ein oder andere verregnete und matschige W:O:A, so dürfte 2015 dem Ganzen die Krone aufgesetzt haben. Schon vor der Ankunft der meisten Festivalbesucher wandelte sich der Holy Ground in eine kaum mehr zu beherrschende Matschwüste. Daher hieß es vom 29. Juli bis zum 01. August 2015 Schlammschlacht galore. Ohne Gummistiefel, genügend trockenen Klamotten und einer großen Prise waghalsigem Mut war man schier verloren. Aber nun erst einmal alles von Anfang an, gibt es neben dem Wetter doch noch einiges mehr zu berichten.
Einige wackere Besucher versuchten bereits am Montag und Dienstag den Wacken Acker zu erklimmen, um sich in aller Ruhe ihre Behausung aufzubauen. Bei teilweise sinnflutartigen Regenfällen war dies nicht nur eine nasse Angelegenheit, zeichnete sich hier doch auch schon ab, dass es die kommenden Tage nicht unbedingt gemütlich werden könnte. So zeigte sich am Hauptanreisetag Mittwoch dann auch ein Schauspiel, dass man sonst eher von Abreisetagen kannte. Viele Autos steckten bis zum Boden in Matsch fest und mussten von örtlichen Bauern mithilfe ihrer Traktoren auf den gewünschten Stellplatz gebracht werden. Zudem versuchten unermüdliche Helfer Sägespäne und Rindenmulch auf dem durchgeweichten Boden zu verteilen, um so wenigstens die schlimmsten Matschpfützen zu beseitigen. Nichtsdestotrotz blieben viele Wege unbefahrbar und mussten von den Veranstaltern bereits frühzeitig gesperrt werden. Gegen Mittwochmittag gab es dann aber doch wieder einige hoffnungsvolle Gesichter unter den Anwesenden, schien hier zumindest für kurze Zeit wieder die Sonne. Aber kaum hatte sich diese gezeigt, zogen wieder dicke Regenwolken auf, die für Endzeitstimmung sorgten. Und wenn es in diesem Jahr eines nicht zu knapp gab, dann war es Regen. Viele Besucher, die eigentlich Abends das Bullhead City Zelt bzw. die Auftritte der schwedischen Gottväter des 80er Hairmetal Europe und der Kultband New Model Army für den 4-tägigen Partyauftakt nutzen wollten, verkrochen sich statt dessen lieber in ihren Zelten und versuchten das aufkommende Chaos aus zusammenbrechenden Pavillons, durchnässten Zelten und Matschmassen zu überstehen – ein Unterfangen, dass für viele beim Versuch endete. Bereits abends glich der Campingplatz einem Feld der Verwüstung. Gesegnet waren diejenigen, die sich in ein Auto oder Camper verkriechen konnten.
Eine durchregnete Nacht und ewig viele Wassermassen später schien Petrus sich immer noch nicht erweichen zu lassen, um den anwesenden Festivalbesuchern den lang ersehnten Sonnenschein zu schenken. Wobei, man will hier ja auch nicht gleich vermessen klingen, denn eigentlich hätte es schon ausgereicht, wenn es einfach nicht mehr geregnet hätte. Aufgrund der enorm schlechten Wetterlage und Situation auf den Campingplätzen entschieden sich die W:O:A-Veranstalter keine PKWs, Camper o.ä. auf das vollkommen durchnässte Gelände zu lassen. Stattdessen sollte man auf die öffentlichen Verkehrsmittel und extra eingerichteten Shuttlebusse zurückgreifen. Auch wenn es jetzt gegen Mittag endlich aufhörte am Stück zu regnen, wurde das weitere Aufbauen von Zelten so massiv eingeschränkt, dass die noch anzureißenden Metalfans sich oftmals nach anderweitigen Unterkunftsmöglichkeiten umschauen mussten. Wer es allerdings irgendwie auf den Wacken Acker geschafft hatte, der musste wohl überlegt an den Besuch des Festivalgeländes herangehen. Trotz eventueller Erfahrungen aus 2005, was im Vergleich zu 2015 eher einem Kindergeburtstag glich, war man ohne ausreichend hohe Gummistiefel, Regenjacke und (mit Glück) regenfester Hose schon fast dem Bad im Matsch ausgeliefert. Und selbst dann gab es oftmals kaum ein Entkommen aus den tiefen, extrem pampigen und klebrigen Matschpfützen, die einen oft kilometerlang begleiteten. Aber okay, verzeichnen wir das mal als extra Workout für einen knackigeren Hintern.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam man dann aber doch auf dem Infield an, dass in diesem Jahr wohl nicht zuletzt wegen des Wetters doch recht übersichtlich mit Festivalgängern bestückt war. Okay, als Besucher findet man das ganz nett, aber für die Bands tat es einem dann doch leid. Diese versuchten den Anwesenden jedenfalls das Wetterchaos zu gut es geht mit musikalischen Schmankerln rosarot auszumalen, was allerdings nicht immer so gelang. Vermutlich war dem ein oder anderen das Holy Matsch Land dann wohl doch auch auf den Magen geschlagen zu sein. Rob Zombie wirkte jedenfalls ein wenig lethargisch. Hatte man sich jetzt schon einmal durch den Matsch gekämpft und war auf dem eigentlichen Festivalgelände angekommen, nutze man jede erdenkliche Chance sich irgendwie mit trockenen Klamotten, warmem Essen und einem trockenen Sitzplatz einzudecken. Entsprechend groß war der Run auf den diesjährigen Metalmarkt und seine Verkaufsstände. Das Gummistiefel, Regenschirme und Co der Verkaufsschlager 2015 waren, muss man hier eigentlich nicht mehr erwähnen. Aber auch Shirts, Hoodies und jegliche Art von Flip Flops waren sehr begehrt. Wer dann im Anschluss an das Shopping noch etwas leckers zum Essen ergattert hatte und (mit viel Glück) einen trockenen Sitzplatz im Biergarten, verfiel viel zu schnell in einen unmotivierten Schonzustand und versuchte sich das Chaos schön zu trinken. Mit großer Spannung und vielen Erwartungen stapfen dann spät abends doch wieder einige Mutige ins Infield, um sich die Shows der beiden Metal-Giganten Savatage und dem Trans-Siberian Orchestra anzuschauen. Und welch grandiose Show lieferten die beiden Acts da bitte ab? Auch wenn man bisher noch nie in Kontakt mit der einen, als auch der anderen Band gekommen war, so bekam man in dieser Nacht eine wahrlich legendäre Show zu sehen, sie es so bisher noch nie auf einem der Wacken Open Airs gab. Neben dem Punkt, dass beide Acts an diesem Abend ihre einzige Show in 2015 in Europa ablieferten, konnten die älteren Metalfreunde ebenso die Reunion von Savatage feiern. Die Musiker lieferten einen musikalischen, als auch technischen Hochgenuss ab und ließen die Herzen ihrer Fans deutlich höher schlagen. Natürlich spielten Savatage auch die Metal-Hymne „Edge Of Thorns“, die eigentlich jeder Metal-Anhänger kennen sollte. Kaum verdaut, startete auch schon das Trans-Siberian Orchestra mit ihrer Show. Classic meets Metal. So schön, und so episch, dass man den ganzen Matsch um sich herum kurzzeitig vergessen konnte. Aber damit alleine war es ja nicht getan, denn auf einmal tauchten Savatage wieder auf der Black Stage auf und stimmten mit dem TSO ein. Wow, was für ein Hammer: eine Show, zwei Bands, zwei Bühnen. Diesen Moment wird man als Wacken-Gänger wahrlich so schnell nicht vergessen. Mit Gänsehaut und voller unglaublicher Eindrücke ging es dann aber schon wieder auf den Zeltplatz – immer die Angst im Nacken, dass das eigene Zelt nicht mehr steht, durchgeweicht ist oder der Pavillon sich auf einem anderen Stellplatz verirrt haben könnte.
Nach einer wirklich kalten Nacht, dieses Mal aber ohne großartige Regenschauer, konnte man freitags endlich mal in einen regenfreien Himmel schauen. Zugegeben, die graue Farbe ließ einen weiteren Regen fürchten, aber Gott sei Dank wurde das W:O:A 2015 von weiteren großen Schauern verschont. Stattdessen stiegen langsam die Temperaturen und viele Festivalbesucher hofften auf das Verschwinden der teilweise knietiefen Regen-/Matschpfützen. Und obwohl das Wetter aufhellt, scheinen viele Festivalbesucher die Strapazen des Vortages noch nicht ganz verdaut zu haben und verweilen so hier und da länger am Zelt, wie im Infield. Kein Wunder, denn der Weg dahin erscheint für viele ein schwerer und mühsamer Weg zu sein. Egal wie, Wacken findet nun mal nicht nur am Zeltplatz statt. So sieht man bei näherer Betrachtung, trotz einer recht humanen Tageszeit, das ein oder andere leicht gequält dreinschauende Gesicht vor – egal ob im Biergarten, im Infield oder eben im VIP-Bereich.
Sepultura gehören dann aber doch zu einem der Pflichttermine des Tages. Das dort anwesende Publikum feiert die Brasilianer gebührend. Hoch die Tassen, das Bier läuft – übrigens die einzige Flüssigkeit, die nach all den Regenmassen gern gesehen wurde. Im Anschluss gehörten Kvelertak fast schon zur obligatorischen Bandliste des Tages hinzu. Die in den letzten Jahren so groß gehypte Band aus Norwegen hielt aber auch tatsächlich das, was man immer so versprochen bekam: knüppelharter Metal, der einem kaum Zeit zum Verschnaufen bot. Nur beim Mitgröhlen hatten einige so ihre Probleme, da die Texte der Band konsequent in ihrer Muttersprache dargeboten werden. Dank der immer noch katastrophalen Bodenverhältnisse, wurde jetzt eine kleine Pause fällig. Eigentlich passend um den Metal Markt mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Auch wenn Frauen Shopping-Touren in der Regel als entspannend bezeichnen, so artete das in diesem Jahr eher zu einer Art Intensiv-Bauch-Beine-Po-Programm im Fitness-Studio aus. Trotzdem kämpften sich viele wacker durch das Gelände. Hier und da vernahm man dabei auch ein paar Klänge von Stratovarius, was irgendwie eine nette musikalische Untermalung darstellte.
Total ko und verschmutzt – ja, in diesem Jahr war das Schaulaufen der Eitelkeiten vieler Metalqueens wirklich auf ein extremes Minimum geschmolzen – musste erst einmal eine Pause her. Mit Hoffnung auf einen Sitzplatz und etwas Ruhe, ging es dann auf zum Wackinger Village. Spätestens hier wusste man dann allerdings auch schnell wieder, was es bedeutet nass zu sein. Entweder war man bei der Ankunft durchgeschwitzt oder man fand am eigenen Leib heraus, wieso so manche Stellen des Platzes großräumig gemieden wurden. Aber egal, die Gummistiefel hielten auch tieferen Pfützen stand. Gestärkt und frohen Mutes stand nun der Auftritt von Ex-Ozzy Osbourne Gitarrist Zakk Wylde an, der zusammen mit Black Label Society für eine gute Dosis US-Rock und Metal sorgte. Und man wurde hier auch wirklich nicht enttäuscht, sorgte Gitarrengott Wylde für virtuose Gitarrensolis und Gesangseinlagen, die einem unter die Haut gingen.
Trotz der während des Tages immer mal wieder auftauchenden Sonne, wurde es gen Abend deutlich kühler. Und egal wie sehr man auch frieren mochte, In Flames musste man sich anschauen. Viele hatten hier sicherlich noch die fulminante Show von 2012 im Hinterkopf, bei der die Schweden bei minimal besseren Wetterverhältnissen das Infield zum Beben brachten. Die Vorfreude wurde dann aber schnell getrübt. Ein wenig ausgepowert und müde betraten die Musiker die Black Stage – jedenfalls muss es so im Publikum angekommen sein, denn einige verließen die Show schon weit bevor deren Ende. Okay, die musikalische Leistung war gut, aber insgesamt fehlte der Esprit, den man während der letzten Tour der Schweden extrem verspürte. Etwas enttäuscht ging es dann, trotz des noch angebotenen Abendprogramms auf den Weg gen Zelt – aufwärmen und den Tag Revue passieren lassen.
Nach einer weiteren kalten Nacht, konnte man samstags früh irgendwie nicht seinen Augen trauen: die Sonne schien. Leicht skeptisch und mit dem Hintergedanken, dass es doch wieder regnen könnte, stiegen viele aus ihren Zelten. Trotz der ein oder anderen großen Wolke, stiegen die Temperaturen weiter an, so daß wir uns ersteinmal für ein gemütliches Sonnenbad entschieden, um dann aufgewärmt und gut gelaunt gen Infield zu laufen. Und wie das so ist, dank der Sonne hatte man schnell das Gefühl für Raum und Zeit verloren und verweilte doch länger im Campingstuhl wie geplant. Kaum auf dem Gelände, musste schon wieder eine Pause im Biergarten eingelegt werden. Jetzt wo endlich die Sonne schien, schmeckte das Bier dort umso besser. Und auch die Partylaune der Festivalbesucher schien exponentiell angestiegen zu sein. Unseren musikalischen Einstand bekamen wir dann bei der finnischen Hillbilly-Kapelle Steve’n’Seagulls. Cool, was die Jungs da so aus alten Metalklassikern gebastelt bekommen haben. Kultig wurde es dann aber erst mit dem Auftritt von Mambo Kurt. Kein Wacken ohne Mambo Kurt und seiner Bontempi Orgel. Der Hunger trieb uns dann nochmals gen Wackinger Village. Gut gestärkt und mit leckerem Cider versorgt erlebten dort dann viele eine der wenigen Ausfahrten der Wasteland Warriors, die die Anwesenden wieder mit ihren Endzeitkostümen begeisterten. Passend dazu spielten dann auch Megabosch, die Haus-und Hofband der Mad Max-Nachkommen, auf. Fasziniert von der Kostümierung durfte natürlich auch der Besuch des Bullhead Circus nicht fehlen. Hier fand gerade animalische Wrestling-Action statt, die von einigen Betrunkenen schwerstens gefeiert wurde.
Wie immer, wenn man nicht auf die Uhr achtet, verweilt man auf dem Wackengelände vielerorts zu lange und verpasst so beinahe den nächsten musikalischen leckerbissen. Na immerhin reichte es dann doch gerade noch so für die Show von Sabaton. Nach den doch eher entspannteren Verhältnissen der letzten Tage glich das Infield dieses Mal doch dem, was man bisher so von Wacken kannte. Man musste sich tatsächlich den Weg nach vorne erkämpfen. Und die Schweden taten dann auch ihr Bestes, um die wartenden Fans nicht zu enttäuschen. Fazit nach der Show: Auftritt gelungen, Fans glücklich.
Mittlerweile hatte sich das Infield deutlich gefüllt. Einige Einlässe wurden sogar gesperrt, so daß sich vor dem Einlass einige Menschenmengen ansammelten, die unbedingt den Auftritt von Judas Priest mitverfolgen wollten. Auch wenn es sich hier im Legenden des Metal-Biz handelt, führte uns der Weg erst einmal zurück in den VIP-Bereich. Nach den Sonnenstrahlen des Tages, stand nun wieder frieren auf dem Programm, was nur durch konsequentes Aufwärmen zu bekämpfen war. Die eigentlich als gut erachtete Idee, schien leider nicht ganz so gut gewesen zu sein. Nach wenigen Takten Cradle Of Filth war die Müdigkeit dann doch stärker und wir schlichen gesenkten Hauptes zurück zum Zeltplatz. Leider, denn so mussten wir auf den Auftritt der eigentlich sehnlichst erwarteten Waltari verzichten.
Etwas enttäuscht von der eigenen körperlichen Leistung und dem doch sehr nassen Wetter, hieß es am kommenden Morgen Zelt abbauen, zusammen packen, heimfahren. Ein wenig Galgenhumor gehörte aber auch hier dazu. „Watten“, wie Wacken in diesem Jahr vielerorts liebevoll genannt wurde, konnte zwar nicht unbedingt mit einer solchen Stimmung aufwarten, wie man sie die letzten Jahre gewohnt war, jedoch gab es trotzdem „Very Matsch Metal“. Dennoch bleibt das Fazit für viele sicherlich etwas getrübt. Viele mussten aufgrund der Wasser- und Matschmassen schon vorzeitig abreisen, andere kamen erst gar nicht auf den Holy Ground. Auch einigen der Musiker schien das „Schietwetter“ auf das Gemüt geschlagen zu haben, denn viele wirkten eher teilnahmslos oder müde und lustlos. Schade, denn bisher galt das W:O:A immer ein Garant für erbarmungslose Partystimmung zu sein. Auch wenn der Leitspruch „Wacken – Rain Or Shine“ lautet, so müssen sich die Veranstalter für das kommende Jahr doch nochmal das ein oder andere einfallen lassen, um den Anwesenden das Festival standesgemäß zu versüßen – trotz neuem Ausverkaufsrekord für 2016. Nichts desto trotz kann man als W:O:A 2015 Gänger ganz sicher stolz verlauten: „I survived the Matsch“. 2016 kann kommen – rain or shine!
Kitty N., 12.09.2015
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