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Rock am Ring - Land unter in Mendig

Rock am Ring

Land unter in Mendig

Größer, schöner, besser sollte in diesem Jahr Rock am Ring werden, das nun vom 03. bis zum 05. Juni 2016 zum zweiten Mal auf dem Flugplatz im beschaulichen Eifel-Örtchen Mendig stattfand. Nach anfänglichen Planungsschwierigkeiten auf neuem Terrain, wurde das Gelände noch einmal optimiert und sollte somit sogar rund 90.000 feierwütige Festivalliebhaber in seinen Bann ziehen und zum Feiern einladen. Auch bei den Bands wurde von Veranstalterseite aus nicht gekleckert. Namhafte Größen wie Black Sabbath, die Red Hot Chili Peppers und Volbeat waren auch echt ansehnliche Headliner. Wenn da nicht das Wörtchen ABER wäre. Petrus, der Herr des Wetters scheint in diesem Jahr nicht viel von Open Air Events zu halten und ließ bereits im Zuge des Festivalaufbaus eine unerhört große Menge Regen auf die Region niedergehen. Überschwemmte Orte, matschige Wiesen, kleine Rinnsale die zu Flüssen mutierten – alles ließ das Veranstalterteam dennoch nicht die Hoffnung verlieren, dass Rock am Ring 2016 in die Annalen der deutschen Festivalgeschichte eingehen würde.

Mit viel Fleiß kümmerten sich die Helfer darum, dass pünktlich zum 03. Juni 2016 die Tore geöffnet werden konnten. Ja wäre da nur nicht der immer wiederkehrende, zum Teil äußerst heftige Regen gewesen, der bereits die Früh-Anreise vieler Rock am Ring Fans in ein kleines Desaster zu verwandeln schien. Überschwemmte und durchnässte Park- als auch Campingflächen machten es aber auch niemandem so wirklich leicht. Vor Ort und auf Facebook waren allerhand Horror-Stories zu lesen. Immerhin: Mit Hochdruck wurde aber auch hier an Lösungen gearbeitet, so dass viele RaR-Besucher bereits einige Tage zuvor ihre Partyhochburgen aufbauen konnten, getreu dem Motto „Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur falsche Kleidung“. Hartgesottene Festivalgänger dürften hier fast schon ein Déjà-vu-Erlebnis gehabt haben, ähnelte doch alles sehr dem im Sommer 2015 beinahe „abgesoffenen“ Wacken Open Air. Kein Wunder, häuften sich doch auch die Meldungen über gesperrte Campingflächen wegen Nichtnutzbarkeit. Der Stimmung tat dies auf dem Campingplatz trotz erneut vorliegender, beengter Verhältnisse aber dennoch keinen Abbruch.

So startete am Freitag der erste Festivaltag mit einer kleinen Verzögerung. Die angekündigte Öffnungszeit des eigentlichen Festivalgeländes musste um eine gute Stunde nach hinten verschoben werden, da das Veranstalter-Team noch händeringend versuchte den Wasser- und Matschmassen vor den Bühnen mit Ladungen an Rindenmulch Herr zu werden, schließlich sollte keiner zum Festival-Opener We Came As Romans vor der Seat Volcano Stage knietief im aufgeweichten Boden einsinken. Im Anschluss taten Of Mice & Men ihr Bestes, um das anwesende Publikum vom Regen abzulenken. Und ohne groß zu übertreiben, beide Bands lieferten einen verdammt guten Einstieg ins Rock am Ring 2016 Festival. Kurz später ging es dann auch schon auf der Beck’s Crater Stage los. Larkin Poe und Walking On Cars sorgten hier für einen etwas chilligeren Start in den Festivaltag. Wer es jedoch auf Dauer musikalisch etwas härter mochte, der tummelte sich dann doch eher bei Amon Amarth vor der Volcano Stage. Kreisendes Haupthaar und wild moshende Metalfans bestimmten hier das Bild – ein Anblick, den man sonst eher nur von den typischen Metal-Events her kennt. Ein wenig überraschend war auch der im Set eingeplante Auftritt der Queen of Metal Doro Pesch, die zusammen mit Johan Hegg die Bühne rockte.

Wenig später folgte ein erstes Highlight mit dem Auftritt von Breaking Benjamin. Der bis dahin herrschende Nieselregen setzte passend zu Beginn des Acts aus und die gut 25.000 Rocker vor der Bühne konnten endlich ohne Regenschutz den Kopf zur Musik bewegen. Man mag es kaum glauben, aber dank der massiven Flugangst von Frontmann Benjamin Burnley gastiert die Band dieses Jahr erstmals in Deutschland. Alle, die die letzten zehn Jahre bereits auf den Song „Diary of Jane“ gewartet hatten, waren zu Tränen gerührt.

Parallel dazu rappte dann DCVDNS auf der Crater Stage und Black Temple mischte das Alternatent auf. Kein leichte Übrung, wenn man alle drei Acts sehen wollte. Trotz kurzer Regenschauer nutzen die Festivalbesucher die Auftritte der Bands, um sich ordentlich für den kommenden Abend warmzufeiern.

Was sich dann aber anbahnte, hätte sich niemand jemals vorstellen können und wollen. Kurz vor dem Auftritt von Tenacious D zogen in kürzester Zeit dunkle Gewitterwolken über dem Campinggelände auf. Auf dem Festivalgelände selbst wurden zu diesem Zeitpunkt auch die dort verweilende Partymeute auf ein herannahendes Unwetter hingewiesen. Außer der Information, dass man sich doch bitte von sämtlichen metallischen Gegenständen fernhalten solle. Viele dachten sich hier noch, dass das bisschen Regen und Sturm wohl keinem gefährlich werden könnte. Damit hatten sie sich aber getäuscht. Kurz nach der Unwetterwarnung gab es weitere Durchsagen, in denen nun alle gebeten wurden, sich schnellst möglich einen Unterschlupf zu suchen oder wenn möglich wieder ins Zelt zurückzugehen. Dies gestaltete sich jedoch zu einem kaum händelbaren Unterfangen, zog das Unwetter immer schneller in Richtung Gelände. Und kaum, dass man sich einen Fluchtplan zurecht gelegt hatte, fing es auch schon an wie aus allen Eimern zu schütten. Blitze direkt über dem Gelände erhellten den sonst nachtdunklen Himmel, während der Donner praktisch zeitgleich zuschlug. Spätestens jetzt war der Ernst der Situation allen klar.

Jeder versuchte irgendwo unterzukommen und sich vor dem Unwetter zu schützen. Doch dies gelang nicht allen. Ein Blitz schlug auf dem Campinggelände ein und verletzte dabei rund 80 Besucher, von denen einige sogar mit schwersten Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden musste. Egal wo man war, man konnte bei den im Sekundentakt ertönenden Sirenen der Rettungswagen nur in geschockte und verstörte Gesichter blicken. Auch der Starkregen forderte seinen Tribut und setze weitere Campingflächen unter Wasser, so dass noch am gleichen Abend viele der Festivalgänger dem mulmigen Gefühl nachgaben und die Heimreise antraten.

Nach einer scheinbar unendlich langen Zeit des Wartens, und nachdem sowohl der Veranstalter, als auch die anwesenden Bands und Besucher den ersten Schock über die Unwetterkatastrophe und die vielen Verletzten überwunden hatten, wurde mit einiger Verzögerung und diversen Programmänderungen das Festival fortgesetzt. Und zuerst wollte auch keine richtige Partystimmung aufkommen. Tenacious D und Disturbed legten sich aber voll ins Zeug, um die sich wieder vor der Bühne versammelten Fans mit einem ordentlichen Programm abzulenken. Diejenigen Anwesenden, die bereits den Auftritt von Joe Black und Kyle Gass aka Tenacious D bei Rock am Ring 2012 verfolgen durften, wurden allerdings ein wenig enttäuscht, ähnelte das Set doch fast zu 100% dem letzten. Auch Besucher von Rock’n’Heim 2013 erging es ähnlich. Disturbed feuerten dagegen alles ab, was man sich erhofft hatte. Zehntausend Fäuste in der Luft, ein „Killing In The Name“-Cover und jede Menge moshpit-taugliche Hymnen verscheuchten die miese Stimmung schnell. Und dann der Auftritt von Volbeat auf der Volcano Stage. Der Headliner des Tages durfte nicht nur für den krönenden Abschluss sorgen, sondern parallel wurde auch noch die Veröffentlichung des neuen Albums „Seal The Deal & Let’s Boogie“ gefeiert. Hier hatte man dann endlich auch wieder das Gefühl, dass die Partystimmung das Gelände vollends zurückerobert hatte. Auf der Crater Stage wurde dann aber doch noch etwas länger gefeiert. Panic! At The Disco durften quasi für den Elektro-Act Major Lazer und Rudimental anheizen, so daß hier noch bis weit in die Nacht hinein gefeiert werden konnte.

Ein kleines Experiment hatte man übrigens mit einem Zelt nur für elektronische Musik der Berliner Spielart gewagt. Wer den Weg durch den Matsch fand, wurde dort belohnt. Musikalisch hochwertige Acts wie Sascha Braemer oder Schleppgeist sorgten bei viel Platz zum Tanzen für eine super Stimmung, in der man sich gerne verlieren mochte.

Neuer Tag, neues Glück. Die Hoffnung hatten wohl alle: Veranstalter, Bands, Festivalbesucher. Aber ist einmal der Wurm drin, dann richtig. Nicht wahr? So startete der Samstag schon später als geplant, wurde dann aber wegen erneut aufziehenden Unwettern auf unbestimmte Zeit abgebrochen. Je nach Wetterlage sollte das Programm dann aber doch wieder starten. Dies bestätigte Marek Lieberberg dann auch in einer eilig einberufenen Pressekonferenz, bei der auch der Bürgermeister von Mendig, Landesinnenminister Roger Lewentz und der Vorstandsvorsitzende von Eventim anwesend waren. So euphorisch Herr Lieberberg auch an seinem Festivalprogramm festhielt und sich dafür einsetzte dieses weiter umzusetzen, so sehr bekundeten die restlichen Anwesenden ihre Sorgen und Bedenken, zumal die Wettervorhersage für den noch anstehenden dritten Festivaltag noch schlechter ausfielen, wie für die letzten Tage. Wer sich hier jetzt eine finale Entscheidung über das weitere Vorgehen erhofft hatte, der wurde enttäuscht. Eine Entscheidung über das Fortführen von Rock am Ring wurde auf den Samstagabend verschoben. Hier sollte sich dann auch klären, ob der Sonntag wie geplant stattfinden konnte oder nicht. Von alle dem bekam man allerdings außerhalb des Pressecenters nichts mit. Die Hoffnung auf einen versöhnlichen Festivalabschluss schwebte so die ganze Zeit über dem Campinggelände. Hinter vorgehaltener Hand wurde derweilen aber immer öfter darüber getuschelt, dass die Absage des Events bereits beschlossene Sache sei. Auch deswegen sah man rund um Mendig wieder viele abreisende Fans. Eine Festivalbesucherin berichtete, dass man nach der letzten Gewitterwarnung Zelt und Vorräte stehen und liegen lassen habe und nur noch nach Hause wolle.

Nach der doch sehr lange anmutenden Zwangspause durften die Festivalbesucher dann am frühen Abend doch wieder zurück auf das Gelände. Auch das Lineup des Tages musste der Unterbrechung Tribut zollen. Außer der Hauptacts bekam man an diesem Tag nicht mehr viel zu sehen. Apropos sehen. Während der Pause und in der Nacht hatte das Veranstalter-Team noch einmal tief in der Trickkiste gewühlt und das matschige, teilweise nicht mehr begehbare Infield mit Plastikplatten, Rindenmulch und Baggern soweit bearbeitet, dass man nun halbwegs heile von A nach B laufen konnte, ohne knietief im Boden einzusinken. Das hatte Hand und Fuß!

Mehr oder weniger parallel starteten dann auch die ersten Acts ihre Shows auf allen 4 Bühnen. Unser Fokus lag zuerst auf Killswitch Engage. Aber auch die parallel dazu auf der Volcano Stage spielenden Deftones konnte man sich durchaus anhören. Im Anschluss an beide Acts standen allerdings viele Festivalbesucher vor der Entscheidung, ob sie sich lieber die energiegeladene Show der deutschen Metalcore-Heroen Heaven Shall Burn oder lieber die rockig-chillige Show der Red Hot Chili Peppers anschauen wollten. Und trotz einer inneren Vorahnung, stürzten wir uns zu den kultigen US-Rockern. Hier scheiden sich nun die Gemüter. Waren einige vom Auftritt der Chili Peppers hellauf begeistert, so unkten diejenigen, die die Band schon einmal vor etlichen Jahren live gesehen hatten, dass sich an diesem Abend eher um einen mittelmäßigen Auftritt von Anthony Kiedis und Co handelte. Auch die Redaktion war gespalten. Während die eine Hälfte bei kultigen Songs a la „Can’t Stop“ und „Around The World“ sowie den Songs aus dem gelungenen Neuling „The Getaway“ nicht zu halten war, kam bei der anderen Hälfte gar keine Stimmung auf.

Planänderungen sei Dank sollte das aber nicht zu tiefgreifenden Dissonanzen führen. Statt den RHCP bildeten Billy Talent, die nebenbei schon den ganzen Tag über Durchhalteparolen über die sozialen Medien an alle Ringrocker herausgegeben hatten, den Abschluss des ohnehin seltsamen Festivaltages. Billy Talent rutschten im Lineup also de facto auf den Slot des Headliners. Auf der Crater Stage heizten während dessen Bullet For My Valentine den Fans ein, bevor The BossHoss hier die Schlussrunde einläutete.

Aber kommen wir noch einmal zu Billy Talent zurück. Ging es bei den Kollegen von den Red Hot Chili Peppers vor der Bühne eher zurückhaltend zu, so erklommen die Kanadier mit ihrem Potpourri an alten Klassikern und neuen Songs ein absolut feiertaugliches Level. Selbst die auf dem Album etwas reservierten, neuen Songs entfalteten live einen richtigen Punch. Und so moshte man sich bei „This It How It Goes“ in Rage, bekam bei „Prisoner Of Today“ Gänsehaut und tanzte sich schließlich beim mittlerweile zum Klassiker gewordenen „Red Flag“ dumm un dämlich. Ein gelungener Auftritt!

Aufgeheizt und euphorisch wollten dann im Anschluss alle zu den anderen Bühnen weitertingeln, als Marek Lieberberg die Bühne betrat. Bereits in diesem Augenblick war es wohl allen klar: Rock am Ring sollte am Sonntag nicht fortgeführt werden. Statt großer Buh-Rufe nahm das Publikum die Info über die fehlende Genehmigung dann doch erstaunlich ruhig und gefasst auf. Ein verhaltenes Klatschen erklang vor der Bühne und niemand wusste so richtig, was nun davon zu halten sein sollte. Dass es dann aber auch keinerlei Freudenschreie gab, dürfte wohl auch jedem klar sein. Aber was sollte man machen, Sicherheit geht nun mal vor. Auch wenn man jetzt noch alles hätte mitnehmen sollen, was vom Festivaltag übrig geblieben war, kehrten sehr viele Besucher zurück in ihre Zelte, bzw. das, was davon übrig geblieben war, um ihre sieben Sachen zu packen und den verfrühten Heimweg anzutreten.

Eigentlich müssten wir hier nun ein Fazit ziehen. Aber selbst heute fällt es uns noch sichtlich schwer die Erlebnisse von Rock am Ring 2016 in Worte zu fassen. Egal wie oft man schon dabei war, sei es am Nürburgring oder in Mendig, das diesjährige Festival wird sich jedem Besucher ins Gedächtnis einbrennen. Neben wirklich tollen Auftritten, zugegeben nicht sehr vielen, gibt es auch vieles, dass man kritisch betrachten könnte. Aber Schuldzuweisungen sind hier komplett unangebracht.

Hätten die Veranstalter einen Einfluss auf die Wetterkapriolen der letzten Wochen gehabt, so wäre das Event sicher ganz anders ausgefallen. Trotz vieler tragischer Geschehnisse hat die Crew um Marek Lieberberg sich stets bemüht das Optimum aus den Gegebenheiten rauszuholen. Nicht zuletzt der versöhnliche Abschluss am Samstag wurde so ermöglicht Auch wenn viele immer noch jammern, dass sie viele tolle Acts aufgrund des Festivalabbruchs nicht haben sehen können, so sollte man sich immer vor Augen halten, was ein Unwetter alles anrichten kann. Menschenleben sind dann ganz sicher wichtiger, als ein Abschiedskonzert eines alternden Rockers oder der Auftritt hipper Metalcore-Künstler.

Wie es nun mit Rock am Ring weiter geht, steht bisher in den Sternen. Weder auf der Homepage noch auf Facebook gibt es Informationen darüber, wie es 2017 genau weiter gehen soll. Da heißt es dann weiter Geduld haben. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Kitty N.30.06.2016

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