Konzertbericht
And You Will Know Us By The Trail Of Dead
Apocalypse Now
Übel & Gefährlich, Hamburg
26.04.2009
Unendliche zwei Jahre, seitdem ich Trail of Dead zum ersten Mal live erleben durfte. War mir die Band mit dem langen Namen vorher nur ein flüchtiger Begriff, so reichten zwei Stunden auf dem kleinen MiniRock-Festival in Schwaben aus um mein Herz an die 6 außergewöhnlichen Texaner zu verlieren. Ihr aktuelles Album "The Century Of Self" tat sein übriges, um die Liebe, die nach dem schwachen Vorgänger "So Divided" ein wenig eingeschlafen ist, wieder endgültig entflammen zu lassen. Wenn man mit solchen Gefühlen und Erwartungen zum Konzert fährt, nachdem man die Woche zuvor jeden Tag hibbeliger geworden ist, kann man am Ende ja eigentlich nur enttäuscht werden.
Das Übel & Gefährlich in der Nähe vom Millerntor-Stadion ist nicht gerade der kleinste Club, trotzdem war ich ein wenig überrascht, dass es noch Tickets an der Abendkasse zu erwerben gab. Doch bevor ich wieder in grimmige Gedanken über die ignorante Britpop-Jugend von heute abschweifen konnte, spuckte mich der berühmte Aufzug auch schon in den Saal, der so voll war, dass einem allein schon der Anblick den ersten Schweißausbruch versetzte. Eigentlich wollte ich vorher nochmal aufs Klo. Pech gehabt. Unter Aufwendung äußerster körperlicher Mühen und Verdrängung jeglichen Schamgefühls glitschten meine sympathische Begleitung und ich durch die Menschenmengen um uns einen Sardinenbüchsenplatz in der Nähe der Bar zu erkämpfen. Von da an wurde sich nur noch in die Senkrechte bewegt.
Genug gesabbelt. Den Namen der Vorband konnte an diesem Abend vermutlich niemand in Erfahrung bringen, sie spielten aber höchst unterhaltsamen, dezent dreckigen Highschool-Rocknroll. Und nachdem man sich wieder 20 Minuten aufs Schwitzen konzentrieren konnte, betraten And You Will Know Us By The Trail Of Dead endlich die Bühne. Mit dem mächtigen Intro "The Giants Causeway" von "The Century Of Self" legten sie los und der Bunker erbebte in gigantischer Lautstärke. Das war nicht größenwahnsinnig, das war Wagner. "Far Pavillions" stimmte danach auf die Marschrichtung des Abends ein. Laut, schnell und laut. Conrad Keelys Stimme zeigte sich in ungewohnt toller Verfassung und wie auch alle anderen Bandmitglieder schien er wahnsinnig glücklich darüber, endlich wieder solche Songs auf der Bühne abliefern zu können. Was dann folgte, stellte in Sachen Epik so ziemlich alles in den Schatten, was ich jemals auf einem Konzert sehen durfte: "Isis Unveiled", dass schon den Höhepunkt der Platte markiert, hinterließ nur noch offene Münder. Mit scheinbar noch höherer Lautstärke und gleißendem Licht wurde der Saal wortwörtlich umgeblasen. Die zwei Schlagzeuger überschlugen sich regelrecht, während Conrad Keely ohne heruntergestimmte Gitarren oder Gebrüll ein Inferno apokalyptischer Dimension abbrennt. Hätten sich jetzt wie in "Das Parfum" alle Anwesenden die Kleider vom Leib gerissen und eine wilde Orgie entfacht, es hätte mich nicht gewundert. Der Bann war gebrochen, ab jetzt hätten sie sich alles erlauben können. Stattdessen bedienten sie die lechzende Masse mit einem herrlichen Mix ihrer Glanzstücke, ohne zwanghaft die neue Platte in den Vordergrund zu stellen. "Homage" und "Another Morning Stoner" von "Source, Tags and Codes", "Mistakes and Regrets" und "Totally Natural" von Madonna, zu Recht kein einziger Song von So Divided, dafür die Endorphinschleuder "Caterwaul" und natürlich "Will you smile again?" vom Götteralbum "Worlds Apart" - der zweite Höhepunkt des Abends. Kein einziger Song ohne bombastischen Krawallausbruch oder wütende Punk-Einlagen. Im grellen Licht der Bühne sah man zeitweise 8 nicht mehr ganz junge, vom Schweiß durchtränkte Männer, die sich gegenseitig immer wieder dazu hochschaukelten, mit brutaler Gewalt die unbändige Schönheit ihrer Songs hör- und spürbar zu machen. Nach drei Zugaben und dem perfekten "A Perfect Teenhood"-Finale verabschiedeten sie sich mit einem geschafften Lächeln.
Iro-Punks und Jeansjacken-tragende Musiknerds über 50 werfen sich Blicke lausbübischer Freude zu. Ein paar Leute unterhalten sich darüber, dass sich die Härchen im Ohr nie wieder regenerieren, wenn sie einmal umgeknickt sind. Und erst als ich durch die Tür in die milde Hamburger Nacht schwebe, wird mir klar, dass ich eigentlich schon seit drei Stunden pissen muss.
Benedikt Ernst, 27.04.2009
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