Interview
And You Will Know Us By The Trail Of Dead
Das Jahrhundert des Selbst
Gerade die beiden Masterminds der Artrock-Institution ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead, die Multiinstrumentalisten Conrad Keely und Jason Reece, haben dieser Tage verdammt viel zu tun. Letzte Woche wurde ihr sechstes Album veröffentlicht und will jetzt unter die Leute gebracht werden. Auch für Bizarre-Radio.de nahm sich Conrad Keely die Zeit, ein paar Fragen über das monumentale Ungetüm "The Century Of Self" und den Status quo seiner Band zu beantworten:
BR: Nervt dich das Wort "Prog"?
Conrad: Das werde ich in letzter Zeit häufiger gefragt. Prog ist nicht wirklich ein Wort, es ist kurz für Progressive, und so verstehe ich es auch. Kannst du mir sagen, wie der Ansatz progressiv zu sein, einen negativen Beigeschmack bekommen konnte? Wenn man ein Technikfeind ist, der glaubt das Rock'n'Roll immer nach ACDC oder sogar Elvis klingen muss, dann kann ich vielleicht verstehen warum Fortschritt im Rock-Kontext jemanden alarmieren und nerven kann. Ich persönlich glaube daran, dass Vorwärtsbewegung die einzige Möglichkeit ist etwas am Leben zu erhalten, wie bei einem Hai. Und ich hoffe, dass Rock'n'Roll kein toter Hai ist. Sollte mich der Begriff Progrock nerven weil er mit Bands wie Yes, King Crimson, den frühen Genesis, Steve Hillage, Frank Zappa und Rush verbunden ist? Naja, vielleicht treffen diese Bands nicht jedermanns Geschmack, aber für mich war das die Musik, zu der mich meine Eltern erzogen haben, und man kann nicht immer die Sachen bekämpfen, mit denen man aufgewachsen ist.
BR: "The Century Of Self" ist ein ganzes Stück "noisiger" als zuletzt "So Divided". Musstet ihr ein paar Jahre zurück schauen um den Fortschritt in eurer Musik aufrecht zu erhalten?
Conrad: In gewisser Weise ja, aber die noisigen Parts haben mehr mit den chaotischen Improvisationen zu tun, die sich um 2007 in unseren Liveshows zu entwickeln begannen. Es gibt immer noch viele ruhige Parts auf dem Album, die nötig sind, um die Balance zu halten.
BR: Eure Alben unterscheiden sich untereinander sehr stark, trotzdem hattet ihr immer eine Art roten Faden. Denkst du, dass sich das irgendwann ändern könnte?
Conrad: Nein, das glaube ich nicht. Außer wir würden dem roten Faden erlauben uns zu erdrosseln.
BR: Habt ihr ungewöhnliche Instrumente wie die Trommeln in "Wasted State Of Mind" auf "So Divided" oder die Streicher in "Worlds Apart" diesmal absichtlich vermieden?
Conrad: Eigentlich haben wir sie nicht vermieden, es sind immer noch einige auf dem Album. Aber ich habe diesmal viel Zeit damit verbracht, mit Software-Synthesizern zu experimentieren, weswegen diese vielleicht stärker hervortreten.
BR: In "Bells Of Creation" singst du "I was staring at the clouds, the rain began to fall softly / filling up the rivers in Texas". Hast du im Hinblick auf die Musik immer noch eine Verbindung zu deiner Heimat? Hattest du jemals eine?
Conrad: Zu Texas ja. Eigentlich zu jedem Ort an dem ich schon gelebt habe, zu variierenden Anteilen. Aber für Texas hege ich immer noch ein Gefühl, dass mir der pazifische Nordwesten, Hawaii, Thailand und England nicht mehr geben können. Eines Tages könnte ich das zwar genau so für New York entwickeln, aber eine solche Verbindung braucht Zeit und ich hab's nicht eilig.
BR: Ich habe vor kurzem ein Interview mit dir gelesen, in dem du erwähnst, dass "Pictures Of An Only Child" einer der ersten Songs war, die du jemals geschrieben hast. Warst du nicht überrascht, wie gut er letztendlich auf "The Century Of Self" gepasst hat?
Conrad: Es war keiner der ersten Songs, die ich jemals geschrieben habe, aber es war ein Song den ich schon geschrieben hatte bevor es die Band überhaupt gab, vor ungefähr 14 Jahren. Der erste Song den ich jemals geschrieben habe handelt von einem Raumschiff, da war ich acht Jahre alt. "Pictures Of An Only Child" war eigentlich schon für "So Divided" angedacht, aber es schien nicht so, als ob die Zeit schon reif gewesen war. Manche Songs müssen sich in ihrem eigenen Tempo entwickeln. Gerade bei diesem Song machten es mir die sehr persönlichen Lyrics schwer, ihnen eine passende musikalische Untermalung zu liefern und ich musste kämpfen, um dem Song ein unschuldiges Feeling zu geben.
BR: Du hast das Artwork wieder alleine gestaltet. Wenn du an einem Artwork arbeitest, entwickeln sich die Bilder im Kontext des Songwritings oder sammelst du Dinge zusammen, die du schon einige Zeit vorher gezeichnet hast?
Conrad: Manchmal entwickelt sich in meinem Kopf einfach eine vollkommen ausgearbeitete Idee, und alles was ich tun muss ist sie zu verwirklichen. Das galt zum Beispiel für das Cover, das mir vollkommen bildlich eingefallen ist. Ich weiß nicht, was mich anfangs dazu inspiriert hat, aber ich kannte sofort seine symbolische Bedeutung und wie es sich auf die Lyrics beziehen könnte, die zu dem Zeitpunkt schon geschrieben waren, besonders auf "Pictures Of An Only Child".
BR: Ihr habt Interscope verlassen und euer eigenes Label "Richter Scale Records" gegründet. Können Anweisungen und Erwartungen die Kreativität zerstören?
Conrad: Nichts ist für die Zerstörung von Kreativität verantwortlich außer deine eigene Verweigerung gegen das Kreativ-Sein. Im Gegenteil, Regeln und Grenzen können manchmal große Perioden der Kreativität anfachen. Tchaikovsky könnte das bezeugen, vielleicht sogar Scott Joplin. Wir haben Interscope nicht verlassen, weil wir uns unkreativ gefühlt haben. Wir haben Interscope verlassen, weil es eine mies geführte, verschwenderische Bürokratie ist, ähnlich wie viele Zweige der US-Regierung.
BR: Zum Schluss: Was oder wer ist der Anti-Jason Reece Club?
Conrad: Ich denke es ist ein Club, dessen Mitglieder aus irgendeinem Grund Jason Reece zu hassen scheinen. Ich bin kein Mitglied.
Benedikt Ernst, 22.02.2009
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