Interview

And You Will Know Us By The Trail Of Dead - Auf der Suche nach dem perfekten Konzert

And You Will Know Us By The Trail Of Dead

Auf der Suche nach dem perfekten Konzert

Ernsthaftigkeit hat bei And You Will Know Us By The Trail Of Dead außerhalb der Musik noch nie eine große Rolle gespielt. Von verqueren Entstehungsgeschichten der Band über einen Blog mit erfundenen Sensationsmeldungen bis hin zu einer höchstwahrscheinlich fiktiven Hass-Vereinigung gegen Sänger/Gitarrist/Schlagzeuger Jason Reece. Eben jener nahm sich für Bizarre Radio Zeit für ein Interview. Und da die Band bereits im Vorfeld der Veröffentlichung von "Tao of the dead" eine amüsante Liste mit Muster-Antworten auf mögliche Fragen zum Album herausgegeben hat, sprachen wir über etwas anderes. Über das, was die Band am besten kann: Konzerte spielen.



BR: Wo bist du gerade?

Jason: In Austin, Texas.

BR: Zuhause also. Gab es in den letzten Tagen Konzerte oder nehmt ihr euch eine kleine Auszeit vor der großen Europatour?

Jason: Nächste Woche treten wir bei Jimmy Fallon auf, eine dieser Late-Night-Shows. Dann gibt es noch eine Show in Brooklyn, so eine Art "wir-haben-ein-neues-Album"-Showcase und dann kommen wir auch schon zu euch.

BR: Ihr seid nun schon seit 12 Jahren dabei. Spielt ihr während eurer anstehenden Tour an Orten, die ihr bisher noch nicht gekannt habt?

Jason: Eigentlich nicht (lacht). Wir haben an all diesen Ort schon gespielt, aber es ist nicht so, dass es dadurch langweiliger werden würde. Es ist immer aufregend nach Europa zu kommen. In Amerika ist es sogar ein bisschen härter, als Band unterwegs zu sein, weil es einfach so riesig ist. Manchmal ist es ziemlich nervig. In Europa hatten wir unsere abgefahrensten Shows, aber das kommt natürlich auch auf die Stadt an.

BR: Ich habe vor kurzem die NOFX-Dokumentation "Backstage Passport" gesehen, in der die Band eine Welttournee dokumentiert, die sie ausschließlich an bisher unbekannte Orte wie Südafrika oder Indonesien führt. Könntet ihr euch so eine Tour auch vorstellen?

Jason: Naja, wir haben immerhin schon in Peking gespielt, was allerdings inzwischen auch schon fast Mainstream ist. Ich habe diesen Film auch gesehen und fand ihn wirklich großartig. Er ist zum einen wahnsinnig lustig und zum anderen fand ich die Idee sehr gut, als Punkband an diesen verrückten Orten zu spielen. Ein Teil von mir würde dieses Abenteuer auch gerne erleben, ein anderer Teil sieht nur den wirklich ätzenden Part. Du hast es ja gesehen, manchmal werden sie nicht einmal bezahlt. Wir spielen gerne an neuen Orten. Wir waren schon in China und in Russland, aber es sollen schon noch ein paar exotischere Orte dazukommen. Wir wollen zum Beispiel unbedingt in Thailand spielen.

BR: Gibt es für euch bestimmte Regeln, wenn ihr auf die Bühne geht? Dinge, die immer Teil der Show sind und Dinge, die ihr bewusst vermeidet?

Jason: (lacht) Ich weiß nicht, ob man das eine Regel nennen kann, aber wir versuchen immer die größtmögliche Energie auf der Bühne zu erzeugen. Ich glaube es ist immer ein Zeichen einer guten Show, wenn die Menge komplett ausrastet. Mit Blut und Gewalt, you know?

BR: Was ich an euren Shows großartig finde, sind die chaotischen, improvisierten Parts zwischen oder mitten in den Stücken. Ist das etwas, was ihr schon immer einbaut, oder entwickeln sich solche Situationen ganz spontan?

Jason: Wir waren schon immer eine dieser Bands, die einfach anfangen zu improvisieren wenn sie zusammen spielen. Es kann dann ganz leicht in alle verschiedenen Richtungen gehen. Wir sind stark beeinflusst von Krautrock, von Bands wie Can, aber auch Jimi Hendrix und Fugazi. All diese Bands hatten immer die Tendenz, die Songstrukturen zu verlassen. Dem Original-Song entkommen, um "out-of-space" zu gelangen. Ich war immer ein großer Fan dieser Idee, so lange es nicht einfach nur in einen dummen, langweiligen Hippie-Jam abdriftet.

BR: Sind diese Momente ein wichtiges Hilfsmittel gegen Langeweile auf der Bühne?

Jason: Es ist eigentlich nicht so, dass Langweile einkehrt. Man versucht, bestimmte Emotionen zu erreichen. Du nimmst dein physisches Ich und dein emotionales Ich zusammen und versuchst, das Ganze noch weiter zu erheben. Es ist eine spirituelle Angelegenheit. Am besten funktioniert das, wenn du einfach vergisst, dass dir ein ganzer Haufen Leute dabei zusieht. Wenn du vergisst, dass du überhaupt auf einer Bühne stehst. Wenn der Song an sich das einzige ist, worum du dich in diesem Moment kümmerst.

BR: Wie wichtig ist Lautstärke in diesen Momenten?

Jason: Für uns war es immer eine natürliche Angelegenheit, sehr laut zu sein. Wir sind eine noisige Band und waren es schon immer. Wir folgen schon immer der Idee, all den Lärm und das Feedback zu kontrollieren und es dazu benutzen, etwas Neues daraus zu erschaffen. Eine Regel würde ich das auch nicht nennen. Es ist eher ein unausgesprochener, unterbewusster Versuch, ein bestimmtes Live-Erlebnis zu erreichen. Geplant ist das nicht, es gibt auch Shows an denen es nicht passiert. Man will sich nicht unwohl fühlen, und es soll auch nicht erzwungen wirken. Natürlich spielt man ein bestimmtes Set. Das Zerstören der Bühne nach dem Konzert gehört aber nicht dazu, solche Dinge passieren einfach. Wir haben kein Band-Meeting, in dem wir sagen "Conrad, mach du doch heute die Gitarre kaputt" oder "Jason, tritt gegen das Schlagzeug". Es kommt darauf an, in diesen Moment hinein zu kommen. Einige meiner Lieblingsbands tun das, was nicht unbedingt etwas mit dem Genre zu tun hat. Ich denke da immer an James Brown in den späten Sechzigern oder den frühen Siebzigern. Was er da tut, ist nicht von dieser Welt.

BR: Welche Rolle spielen Supportbands für die perfekte Show? Sind sie unterschätzt?

Jason: Wir haben schon immer versucht bei der Auswahl der Supportbands mitzureden. Es sollte natürlich eine gute Band sein, die die Leute auch mögen, aber wir versuchen auch, die Bands größer werden zu lassen indem wir sie mitnehmen. Kennst du Explosions In The Sky? Die haben ihre erste Tour überhaupt mit uns gemacht und sind von da an Stück für Stück selbst gewachsen. Oder The Sword, bei denen war es ähnlich.

BR: Diese Bands machen zwar verschiedene Arten von Musik, aber sie passen auch beide ganz hervorragend zu Trail Of Dead.

Jason: Das stimmt, aber es war auch hilfreich, dass sie gute Freunde von uns sind.

BR: Was war das letzte Konzert, dass du besucht hast?

Jason: Erst gestern habe ich den Blues-Pianisten Pinetop Perkins gesehen. Er ist 97 Jahre alt und vermutlich nicht mehr lange unter uns, hat schon mit Muddy Waters gespielt, er ist eine historische Persönlichkeit. Es war herrlich. Sie spielten Chicago-Style-Blues, und auch wenn ich nicht der größte Blues-Fan bin: dieser Typ ist einfach der Hammer. Er ist 97 und raucht eine Menge. Das jüngste Bandmitglied war vielleicht 70 (lacht). Sie waren so alt, aber auch so tight!

BR: Denkst du, dass Konzerte wichtiger geworden sind, seitdem viele Leute ihre Musik umsonst downloaden?

Jason: Das ist eine schwierige Frage, wenn man mal betrachtet, dass die Ticketverkäufe in Amerika im letzten Jahr dramatisch gesunken sind. Ich weiß nicht, woran es liegt, vielleicht sind zu viele Bands auf Tour, vielleicht gehen die Leute auch nicht mehr so gerne raus um sich Bands anzusehen und hängen nur noch zu Hause vor ihren scheiß Computern rum. In Deutschland hat es bei uns immer ganz gut geklappt, bei der Amerika-Tour wundert man sich dann doch schon mal.

BR: Viele Leute argumentieren, dass sie durch das Downloaden Geld sparen, das sie dann für Konzerte ausgeben können. Aber eigentlich tun sie das nicht wirklich.

Jason: (lacht) Es ist eine gruselige Vorstellung, dass die Leute ihre Häuser nicht mehr verlassen wollen. Sie kommunizieren mit Hilfe von Technologie und werden dadurch immer häuslicher. Es gibt neben diesen negativen Aspekten der Kommunikation natürlich auch positive, immerhin telefonieren wir in diesem Moment via Skype. Viele Dinge sind einfacher geworden. Ich erinnere mich an unsere ersten Interviews mit Journalisten in Europa, was auch schon wieder 10 Jahre her ist. Jetzt kannst du dir vorstellen wie alt wir sind, haha! Das ging auch irgendwie, aber es ist schon angenehmer, solche Dinge vom PC aus zu erledigen.

BR: Werdet ihr auf der Tour euer 16-Minuten-Opus "Tao Of The Dead Part 2" spielen?

Jason: Wir haben es auf jeden Fall vor, diesen Track als Ganzes zu spielen. Rein physisch ist das schaffbar, der Song hat ja auch Passagen zum atmen, in denen es nicht mit voller Kraft zur Sache geht. Wir wollen viel vom neuen Album spielen, weil wir wirklich davon überzeugt sind. Bei den letzten Alben dachten wir "Okay, ist in Ordnung", dieses finden wir ernsthaft gut. Aber das sagt natürlich jede Band.

BR: Möglich, allerdings macht es ja auch Sinn, da man zu einem frisch eingespielten Album auch die größte Bindung empfindet.

Jason: Das stimmt. Es erinnert mich zum Teil an unser Album "Source, Tags and Codes", dessen einzelne Songs genau auf den Punkt gebracht waren. Wenn du dir den ersten Teil unseres Albums anhörst, findest du Songs, die einzeln nicht länger als 2-3 Minuten lang sind. Insgesamt hat es eine ziemliche Pop-Struktur, auch wenn das jetzt ziemlich blöd klingt, haha!

BR: Danke, dass du dir die Zeit genommen hast!

Jason: Wir sehen uns im April!

Benedikt Ernst01.02.2011

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