Konzertbericht
Rise Against
Refused
Prayer of the Refugee
Stuttgart, Schleyer-Halle
12.10.2015
„There is some crazy shit happening these days“, erklärt Sänger Tim McIlrath als Ansage zu „Prayer of the Refugee”. „People that don’t want to leave their homes have to leave their homes. It makes me proud to be here. The Germans have hope in their hearts and are opening their doors for refugees.“ Während in Nebengebäuden der Stuttgarter Schleyer-Halle noch vor wenigen Wochen Flüchtlinge eine Notunterkunft fanden, sind an diesem Montagabend Rise Against zu Gast. Die Ansage mag nach üblichem Frontman-Smalltalk klingen, hat aber einen weiteren Hintergrund. Direkt gegenüber der Halle steht eine dauerhafte Flüchtlingsunterkunft. Eine Tatsache, die Tim McIlrath nicht verborgen blieb, da er vor Konzertbeginn auf seinem Skateboard die Umgebung erkundete.
Rise Against sind bekannt für ihre gesellschaftskritischen und politischen Hymnen – und eine der erfolgreichsten Punkbands dieses Jahrtausends. Wobei die großen Teppiche mit Bandlogo, auf denen die Polit-Punker während dem Konzert stehen, zeigen, dass sich der Rahmen für Rise Against im Laufe der Jahre verändert hat. Mancher mag sich fragen: „Ist das noch Punk?“ Was zählt ist jedoch die Message und hier können Rise Against punkten. Egal ob Flüchtlinge, Wirtschaftskrise („Collapse (Post-Amerika)“), Umweltzerstörungen und Tiermorde („Ready To Fall“) oder die moderne 9-to-5-Arbeitswelt („Re-Education (Through Labour)“): Rise Against bleiben trotz weltweiter Charterfolge ihren Hardcore-Wurzeln und der damit verbundenen politischen Message treu. Der bekennende Tierschützer Tim McIlrath vegisst deshalb auch nicht auf die Arbeit von Viva con Agua und auf die PETA-Stände in der Halle hinzuweisen und ruft zur Spende auf.
Vom aktuellen Album „The Black Market“ finden sich nur drei Lieder auf der Setlist wieder – obwohl es gerade in Deutschland kräftig abräumte und spielerisch den Gipfel der Albumcharts erklomm. Stattdessen gibt es eine Reise durch 16 Jahre Bandgeschichte. Die Anfänge als Hardcore-Kombo werden mit dem Minor Threat-Cover „Screaming At a Wall“ gefeiert, bei dem sich Refused-Sänger Dennis Lyxzén ein wütendes Duett mit Tim McIlrath liefert. „Black Masks & Gasoline“ lässt die Mosh-Pits hochkochen, was für einigen Betrieb bei den Sanitätern in der Halle sorgt. Allerdings ist die Stimmung im Rund keineswegs aggressiv, sondern gut gelaunt und entspannt. Fröhlich feiern die aus ganz Süddeutschland angereisten Fans Songs wie „The Good Left Undone“ und „Help is on the Way“.
Neu sind im Vergleich zu früheren Touren die riesigen Screens links und rechts von der Bühne. Bei enorm angestiegenen Ticketpreisen liefern Rise Against nun auch eine Show ab, die den großen Tourhallen gerecht wird. Kameras fangen jede Bewegung von Tim McIlrath ein, der auf dieser Tour leider ohne Gitarre auftritt. Bei einem Mountain-Bike-Unfall hatte er sich die Hand gebrochen und deshalb Kumpel Neil Hennessy gebeten, an der Gitarre auszuhelfen. So hat Tim McIlrath natürlich mehr Bewegungsfreiheit, was seinen Songs noch mehr Ausdruck verleiht. Der gebrochene Arm scheint nicht das einzige Handicap zu sein, etwas heiser präsentiert sich der Sänger in Stuttgart. Der Sound ist insgesamt nicht besonders gut abgemischt, was die Stimmung aber nicht trübt.
Nach 15 Songs gibt es als Zugabe gleich mehrere Gänsehautmomente. Tim McIlrath spielt zunächst den Anti-Kriegssong „Hero of War“. Danach schnallt er sich trotz des gebrochenen Armes die Akustikklampfe um. „You have to play some songs by yourself“, sagt er und fügt verschmitzt hinzu: „I hope my doctor doesn’t watch YouTube.” Was folgt sind zwei grandiose Liveversionen von „Swing Life Away“ und „People Live Here“. Das furiose „Savior“ beendet einen rauschenden Konzertabend. Rise Against mögen keine Politiker sein. Aber sie dürften bei einigen Fans zumindest etwas politisches Interesse geweckt haben. Viele von ihnen linsen auf dem Heimweg nachdenklich auf die Flüchtlingsunterkünfte schräg gegenüber der Halle.
“But we've been sweating while you slept so calm
In the safety of your home
We've been pulling out the nails that hold up
Everything you've known.”
Michael Hellstern, 14.10.2015
TRACKLIST
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