Konzertbericht

Kevin Devine

Karamel

"You probably don't care for punkrock, but you probably love crooked rain…"

Duisburg, Hundertmeister
24.10.2005

Ein Singer/Songwriter-Abend im Duisburg? Erst mehr, dann weniger, wie sich im Laufe des Abends zeigen wird. Fest steht aber schon, dass das zentral gelegene "Hundertmeister" mit seiner gemütlichen Atmosphäre für so was wie gemacht ist. Wo sonst neben Konzerten Parties oder Lesungen stattfinden, soll es heute intim werden.

Ein junger Herr namens "Karamel" hat es sich zur Aufgabe gemacht oder vielleicht machen lassen, die anwesenden Gäste als Tour-Support für Kevin Devine in seinen tiefen Songs zu verweben. Manchmal klappt das ganz gut: Wenn er relativ simple Songs singt und seine Akustik-Gitarre zupft, und der Gast-Gitarrist daneben sitzend sein (auch akustisches) Instrument mal eben vermeintlich kontra-songdienlich auf Maximum-Verzerrung schraubt oder lupenreine Soli einstreut. Dann klingt dieser vereinte Gegensatz erfrischender als das, was ansonsten den Großteil ihres Sets ausmacht: Deutsche, ehrliche Texte werden mit manchmal zuviel Hall in melancholische Melodien verpackt, wie es so viele Songwriter eben machen. Was gute von durchschnittlichen aber unterscheidet, ist die Tatsache, auch mal gänzlich euphorische und aufrührende Songs zu schreiben – und das fehlt bei Karamel weitestgehend. Der kommt aus Hamburg, klingt aber nur bedingt so. Was soweit nichts heißen muss oder soll. Hörenswert ist das allemal. Aber wie formulierte es das Mädel neben mir passend? "Die wollen gerne emotional und bewegend klingen, tun's aber nicht!"

Das soll bei Kevin Devine niemand sagen können. Der schlufft erstmal alleine auf die Bühne, um vor ca. 150 Anwesenden die Show allein mit seiner Gitarre zu eröffnen. Und schon bei den ersten Zeilen darf man zuversichtlich sein, dass hier gar nichts schief gehen kann. Der Sound wunderbar, die Stimme ins Mark bohrend und der Hauptakteur bester und ausgeglichenster Laune. Wie bei so vielen Sängern will man gar nicht glauben, dass dieser kleine und fast unscheinbare Kerl da vorne mit seinen blonden Haaren im Gesicht so zu bewegen im Stande ist. Spätestens aber, als Devine zum zweiten Song seine "Godamn Band" (die heißen wirklich so) auf die Bühne holt, wird's auch flotter und vor allem schnell klar: Von den Längen, die sich zuletzt auf seinem aktuellen "Split The Country, Split The Streets" nicht immer hinter anderen tollen Songs verbergen lassen, gibt es heute keine Spur. Viel zu gut eingespielt ist die Band dafür, viel zu intensiv und passend druckvoll das, was da rüberkommt. Besonders die Stücke des 2003er "Make The Clocks Move", die den Großteil des Sets ausmachen, wissen zu überzeugen, allen voran das live viel eindringlichere "Wolf's Mouth".

Kleiner Exkurs an dieser Stelle: Devine nahm ein "Band-Album" mit Miracle of 86 auf. Da dachten manche vielleicht an Jimmy Eat World. Heute erinnert er mit seiner Godamn Band den einen an Ted Leo & The Pharmacists in langsam. Alle anderen kommen aber um den Namen Conor Oberst nicht herum: Dieses vibrierende, gebrochene, latent-weinerliche Timbre, dass das Wunderkind aus Omaha so für sich vereinnahmt zu haben schien, weil es trotzdem nie zu jammernd, sondern im Gegenteil sogar stellenweise euphorisch durch Ohr und Herz schwingt – das kann Kevin Devine auch (man höre beispielsweise "Haircut")! Den Vergleich muss er sich anhören, aber zum einen ist es ja ein einziges Kompliment, zum anderen klingt Devine wie keine Kopie, sondern wie Kevin Devine.

Drummer und Produzent Mike Skinner (der nicht hauptberuflich als "The Streets" von sich Reden machte!) war mutmaßlich mal Paul Breitner-Fan, Keyboarderin Amy Bracco tanzt vergnügt vor sich hin, wenn es an den Tasten gerade mal nichts zu tun gibt. Bruder und Basser Chris Bracco bleibt solide. "Afterparty" kommt an, "No One Else's Problems" noch besser. Als Abschluss des regulären Sets gibt's dann auch den wahrscheinlich potentiell bisher größten Hit: den herrlich nach vorne gehenden Opener "Cotton Crush" des neuen Albums. Und weil alles aber so schön war und ist, ist vor weit mehr als einer Handvoll Zugaben damit noch nicht Schluß. Nachdem Devine und die Godamn Band dann aber nach über 1 ½ Stunden den musikalischen Abend beschließen, wird sich noch charmant zu den noch Anwesenden an die Theke gesellt und sich ausgetauscht. Ein schöner Abend also für alle, und es bleibt nur eine Frage: Warum gehen die einen Künstler durch die Decke, während andere mit vergleichbar guten und intensiven Songs froh sein können, eine komplette Tour hinzubekommen? An der Darbietung kann es jedenfalls nicht liegen.

Und noch mal diese Zeile: "And you probably don't care for punkrock, but you probably own "Nevermind" ".

Fabian Soethof29.10.2005

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