Interview
Negative
(K)Ein bißchen "Negative" Karma
Das 2008 kein Jahr zum Ausruhen war, haben die finnischen Glam-Rocker Negative eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Mußten die Musiker noch den Schock über den Austritt von Musikerkollege und Gitarrist Sir Christus verdauen, wurde parallel dennoch fleißig im Studio gearbeitet und am 05.09.2008 das aktuelle Album „Karma Killer“ veröffentlicht. Im November folgte dann auch schon die von den deutschen Fans sehnlicht erwartete DVD „In the Eye of the Hurricane“. Zum krönenden Abschluss haben sich die 5 Musiker im Dezember noch auf große Tour begeben, bei der sie am 11.12.2008 dem Berliner Publikum ordentlich einheizten.
Vor der Show bekam Bizarre Radio die Möglichkeit sich mit Sänger Jonne über das Vergangene, die Gegenwart und die Zukunft ein wenig zu unterhalten.
Bizarre Radio: Wie fühlst Du Dich heute so?
Jonne (Negative): Mh, ich fühle mich sehr, sehr befriedigt, da ich gestern endlich mal wieder das Nachtleben von Berlin auskosten konnte. Ich war da in einer mir total unbekannten Location – hatte so was von Underground und so. Es ging da einige Treppen runter und es war eine Lounge, mit einem Restaurant und einem Club verbunden. Das war eine wirklich große Fläche und wirkte wir eine alte U-Bahn-Station, aber mit vielen Disko-Dekorationen.
Bizarre Radio: Das war aber nicht der Sage Club oder?
Jonne (Negative): Nein. Das hier kam mir eher wie so eine Crack-Höhle vor. (lacht)
Bizarre Radio: Wie ich sehe war es wohl ein sehr abwechslungsreicher Abend. (lache mit) Dann lass uns mal über eure Musik und das aktuelle Album “Karma Killer” unterhalten. Was kannst Du mir denn so über das Album selbst erzählen?
Jonne (Negative): Es war so eine Art Wendepunkt für die gesamte Band. Zum einen gab es ja Änderungen im Line-up der Band, da Sir Christus die Band verlassen hatte. Mir kam das dann wie so ein ganz neuer Anfang für die Band vor. Mag sein, dass die anderen mir da nicht zustimmen, aber es ist eben meine Empfindung. „Karma Killer“ ist jetzt ein echt gutes Album geworden. Was könnte man sonst so dazu sagen? Lass mich mal nachdenken. Okay, man findet ganz sicher wieder einige Elemente unserer vorherigen Alben wieder und auch ein wenig mehr Keyboard-Parts und jedes andere Instrument. Es ist so irgendwie direkter geworden, da jedes Instrument an einem Punkt seinen eigenen Freiraum hat. Und das Album ist einfach nur gut.
Bizarre Radio: Ich hab mir jetzt auch noch mal euer letztes Werk „Anorectic“ angehört und versucht das ein wenig mit „Karma Killer“ zu vergleichen. Mir ist dabei aufgefallen, dass „Anorectic“ wesentlich härter klingt.
Jonne (Negative): Na ja, ja, ist es ja irgendwie auch. Die Übergänge sind da verschwommener. Wir haben da einfach mal ein wenig ausprobiert. Dieses Mal ist das Album aber gradliniger und offener. Zudem haben wir mal wieder einen neuen Produzenten ausprobiert. Und das ist auch gut so. Miko Karmila, unser aktueller Produzent, kennt sich mit Hard Rock und Metal echt gut aus. Das war für uns eine echt interessante Arbeit. Weißt Du, wenn wir normalerweise mit neuen Ideen ankommen, dann gibt es die Sachen nur in einer akustischen Form. Wenn der Song dann stimmt, geht es weiter.
Bizarre Radio: Ehrlich gesagt hatte ich ja das Gefühl, dass ihr bei „Karma Killer“ eher so nach dem Motto „back to the roots“ gearbeitet habt.
Jonne (Negative): Ja, da hast Du vollkommen recht. Aber was die Songtexte angeht, ist es ein absoluter Sprung in die Gegenwart. Ich habe alles das verarbeitet, was mich aktuell beschäftigt hat und vielleicht auch noch in der Zukunft beschäftigen wird.
Bizarre Radio: Also sind die Songtexte autobiographisch zu verstehen?
Jonne (Negative): Na lass es mich mal so sagen: Ich liebe es über das Leben selbst zu schreiben. Aber es hat auch noch ein paar fiktionale Passagen mit drin. Und ganz sicher ist auch wenig Autobiographisches mit drin. Es ist eben eine gute Mischung von allem.
Bizarre Radio: Das gibt vielen Menschen jetzt bestimmt ein wenig zu denken. Verrate mir doch mal wie lange ihr für die Aufnahmen gebraucht habt.
Jonne (Negative): Nicht sonderlich lange. Das ging binnen wenigen Monaten. Wir waren für die Aufnahmen in Tampere und sind dann für den Feinschliff nach Helsinki in die Finnvox Studios gegangen. Es war echt entspannt, auch wenn vorab einige nicht ganz so schöne Dinge passiert sind.
Bizarre Radio: Wie seid ihr eigentlich auf den Titel “Karma Killer” gekommen?
Jonne (Negative): Ich glaube alle Titel unserer Alben haben keinen wirklichen Hintergrund. Während man im Studio ist hat man immer so ein bestimmtes Gefühl und daraus entwickelt sich dann so ein Titel. Und wir hatten ja bisher immer sehr ausdrucksvolle Titel ausgesucht. Ich würde sagen, dass „Karma Killer“ fast wie eine testamentarische Feststellung zu betrachten ist. Und es hat wohl auch irgendwie etwas mit meiner persönlichen, spirituellen Seite zu tun.
Bizarre Radio: Jetzt bin ich neugierig. Erzähl mir doch mal ein wenig über deine spirituelle Einstellung.
Jonne (Negative): Ich glaube es ist erleichternd zu wissen, dass es nach dem Tod noch etwas gibt.
Bizarre Radio: Du glaubst also an ein Leben nach dem Tod?
Jonne (Negative): Ja. Und es ist pure Freiheit für alle, die einen dann erwartet.
Bizarre Radio: Okay, dann kommen wir doch mal wieder zu eurer Arbeit. Mir ist aufgefallen, dass ihr relativ kurz vor dem Release von „Karma Killer“ das Plattenlabel gewechselt habt. Wieso?
Jonne (Negative): Du meinst hier in Deutschland oder?
Bizarre Radio: Ja genau.
Jonne (Negative): Das ist ein interessantes Thema. Aber wir haben für die Zukunft schon wieder weitere Pläne. Mal sehen was da noch so kommt. Aber das ist doch alles nur Business. Man ist kaum in der Lage ohne so ein Label seine Cds zu vermarkten. Und dazu ist es wichtig, dass die Plattenfirma 120% hinter einem steht. Jetzt sind wir da eben an einem Wendepunkt angekommen.
Bizarre Radio: Das waren ja jetzt nicht die einzigen Veränderungen bei Negative. Du hast ja vorab schon mal erzählt, dass Sir Christus die Band verlassen hat. Das hat viele Fans sehr traurig gemacht.
Jonne (Negative): Nun ja, er hat einfach zu viele Probleme mit Drogen und Alkohol. Er kam damit nicht mehr klar. Und seine Verantwortlichkeiten haben darunter gelitten. Mehr war da nicht. Wir haben ganz sicher alle so unsere Probleme. Ich trinke ja auch ab und an mal was, aber er kam seinen Verpflichtungen eben nicht mehr nach. Was soll man da noch sagen. Ich vermisse ihn natürlich als Freund und hoffe, dass er ganz schnell wieder auf die Beine kommt.
Bizarre Radio: Meinst Du es gibt da eine Chance, dass Sir Christus wieder zu Negative zurück kommt?
Jonne (Negative): Nein, das Kapitel ist vorbei. Er wird leider nie mehr ein Teil dieser Band sein. Das ist leider die Wahrheit. Ich verstehe aber auch nicht, wieso immer alle Leute nach den Gründen dafür fragen. Wie oft soll ich es denn noch durchkauen? Soll ich es wirklich detailliert auf unserer Website veröffentlichen?
Bizarre Radio: Oh, natürlich nicht. Die Situation kam nur für viele eurer Fans so schrecklich unerwartet und plötzlich.
Jonne (Negative): Ja, es kam für alle Außenstehenden wirklich sehr plötzlich. Aber wir in der Band hatten damit ja schon länger zu kämpfen. Für uns hat sich das ja schon über Jahre hinweg so entwickelt. Und irgendwann ist das Fass dann übergelaufen. Ich denke aber, er wird mit seinem neuen Projekt jetzt auch sehr glücklich werden.
Bizarre Radio: Werdet ihr als Band denn die Lücke nun mit einem neuen Bandmitglied auffüllen?
Jonne (Negative): Nein, wir bleiben so, wie wir jetzt sind. Wir sind schon so lange zusammen, dass es schwierig wäre, da noch jemanden mit reinzubringen. Für das Studio haben wir ja mit Gary zusammen gearbeitet. Wir haben dann natürlich überlegt wie das dann so auf Tour wird. Aber das mit Gary hätte da nicht so richtig gepasst. Er ist ein toller Typ, aber wir wollten einfach nur als eingeschworenes Team auf Tour gehen. Da gehen Sachen ab, die die Fans so nie sehen. Wir sind so oft auf Tour und da muss es einfach passen. Wir kennen uns da schon so lange, dass wir wissen wie das Tourleben am Besten funktioniert. Das ist für alle am Einfachsten.
Bizarre Radio: Dann lass uns mal von den „intimen“ Bandmomenten zu was ganz anderem kommen. Wie bzw. wann hast Du entschieden Musiker zu werden und was hat da denn Ausschlag zu gegeben?
Jonne (Negative): Ich kann mich daran erinnern, als ich damals ein kleines Kind war, da hat mein Vater schon immer die Beatles gehört und so Kram aus den 60ern und 70ern. Mit 12 habe ich dann meine erste eigene Gitarre bekommen und der Rest ist dann wohl Geschichte. (lacht) Und 1992 haben mir dann Guns’n’Roses den letzten Kick gegeben.
Bizarre Radio: Wie würdest Du Dich mit 5 Worten beschreiben?
Jonne (Negative): Gerade müde, hektisch, aufgeregt, kreativ und überrascht.
Bizarre Radio: Du machst ja immer eine Menge Interviews. Und da gibt es doch ganz sicher immer wieder Fragen die sich ständig wiederholen. Welche Frage kannst Du nicht mehr hören?
Jonne (Negative): Da gibt es keine solche Frage. Ich genieße das was ich da tue und Musik ist mein Traum. Also bin ich wirklich stolz auf das was ich da mache. Und ich genieße da jeden Moment von. So wie gerade auch das Interview.
Bizarre Radio: Das hätte ich jetzt auch gesagt. (lache)
Jonne (Negative): (lacht) Nein, ganz ehrlich.
Bizarre Radio: Wie fühlt es sich an wieder auf Tour zu sein? Und gibt es etwas was auf gar keinen Fall im Tourgepäck fehlen darf?
Jonne (Negative): Ehrlich gesagt habe ich den größten Koffer von allen. Da kannst Du Dir ja vorstellen, dass ich eine Menge brauche. Wenn ich den Koffer aufmache fliegt alles durch die Gegend. Ich glaube die Jungs hassen mich deswegen auch. (lacht)
Bizarre Radio: (lache mit) Und ich dachte nur Mädchen wären so schlimm.
Jonne (Negative): Nein, ganz sicher nicht.
Bizarre Radio: Du willst mir also damit verraten, dass Du ein wenig unordentlich bist, oder?
Jonne (Negative): Ja irgendwie schon. Aber zu Hause muss alles ordentlich sein. Immer wenn ich nach Hause komme, beginne ich alles aufzuräumen. Ich bin da irgendwie ein Kontrollfreak. Da muss alles tiptop sein.
Bizarre Radio: Gilt das auch für Deine Musik?
Jonne (Negative): Ja. Deswegen verehre ich ja auch Axel Rose. Wenn ich mal 50 Millionen Dollar für ein neues Negative Album habe, dann werde ich mir auch mal 15 Jahre Zeit lassen. (lacht) Aber ehrlich gesagt kann da nix wirklich perfekt werden. Man lernt nur aus seinen Fehlern und versucht es das nächste Mal besser zu machen. Und manchmal verrennt man sich dann in eine falsche Idee.
Bizarre Radio: Wie ist das denn für Dich wenn Du Dir eure alten Sachen so anhörst?
Jonne (Negative): Ganz ehrlich? Ich kann mir „War of Love“ nicht mehr anhören. Also ich kann schon, aber ich will nicht mehr. Ich brauche dafür immer eine ganz besondere Stimmung.
Bizarre Radio: Da unsere wundervolle Zeit jetzt schon vorbei ist, möchte ich Dich bitten noch ein Statement an Deine Fans zu richten.
Jonne (Negative): Vielen Dank, dass ihr alle zur Tour kommt. Die Leute in Deutschland wissen einfach was gute live Musik wert ist. Also behaltet einfach euer gutes Karma…oder nee, besser das „Negative“ Karma
Mit ein wenig Verspätung öffneten dann die Türen des Columbia Clubs in Berlin, um die wartenden Fans der finnischen Band endlich ihrem Highlight ein Stückchen näher zu bringen: ein Abend mit Negative und ihrem aktuellen Album “Karma Killer”. Bereits die Kölner Vorgruppe Substyle sorgte mit ihrer innovativ-rockenden Musik für ordentlich Stimmung unter den Anwesenden und ließ schon so manchem die ersten Schweißperlen auf die Stirn steigen.
Als dann Negative die Bühne enterten schienen die, zum größten Teil weiblichen Zuschauer kein Halten mehr zu kennen. Bereits mit den ersten Tönen rastete die wartende Masse schier aus. Sänger Jonne, Gitarrist Larry, Drummer Jay, Keyboarder Mr. Snack und Bassist Antti heizten den Konzertbesuchern dann noch weiter ein.
Negative präsentierten eine gelungene Mischung aus alten Songs, Klassikern und Werken ihres neusten Albums „Karma Killer“. Viel zu schnell schien da den meisten Anwesenden die Zeit zu vergehen, aber auch Negative mussten irgendwann wieder „good bye“ sagen. Bevor die Jungs aber den wohlverdienten „Feierabend“ genossen, stellten sie sich noch geduldig den Fans, um deren Fotowünsche zu erfüllen.
Auch wenn Finnen dafür bekannt sind, gelegentlich so kühl aufzutreten, wie die Temperaturen in ihrem Heimatland in der Regel sind, so haben Negative bewiesen, dass auch Nordmänner ordentlich einheizen können. Ein toller Abend, mit einer wirklich tollen Bühnenleistung – auch wenn diese zugegebener Maßen gelegentlich etwas gekünstelt gewirkt hatte.
Kitty N., 06.01.2009
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