Cd-Besprechung
Leserwertung: 9.0 Punkte
Stimmenzahl: 62
Mit "Anorectic" schicken die sechs Finnen ihren neuen Silberling, der es in sich hat, ins Rennen um die Chartplatzierungen. Wer etwas in der Art des Vorgängers "Sweet & Deceitful" erwartet, dürfte eine Überraschung erleben.
Das Album umfasst 12 Songs und ein Intro. "Arrival“ ist die Ankunft des Clowns (ziert das Cover und lässt an Stephen Kings "Es“ denken) mit einem Zug. Solche Hintergrundgeräusche ziehen sich wie ein roter Faden durch das ganze Album, der die Stücke miteinander verbindet und die subtil fremdartige - teils beängstigende - Atmosphäre aufrecht erhält, um schließlich als Hidden Track nach dem letzten Stück das Ganze zu vollenden.
Der temporeiche Opener "Glory Of The Shame" zeigt deutlich, dass hier neue musikalische Wege beschritten werden, und es auf diesem Album sehr viel wilder, lauter rockiger und dreckiger zugehen wird. Man lässt es kräftig krachen…
Mit "Reflections" liefern die Jungs einen zeitlosen Rocksong im mittleren Tempo ab, und der Puls des Hörers dürfte sich wieder im Normalbereich einpendeln.
Aber nur kurz, denn mit "One Last Shot" wird man auf eine Achterbahnfahrt des Rock n Roll katapultiert, die man so noch nicht erlebt haben dürfte. Los geht es mit einer wilden Mischung aus dissonanten Gitarrenriffs, Tempowechsel, melodiösen Strophen - unterstützt von Klavier und Streichern – einem eingängigen Chorus, bis alles in einem eindringlichen Gitarrenriff zu enden scheint…Ende? Nix da! Es folgt ein Break, das einem das Gefühl gibt, sich in einer Art Unterwasserwelt zu befinden, und man hört einen Pulsschlag und die verzerrte Stimme von Sänger Jonne Aaron. Im nächsten Moment erlebt man das Finale des Songs, welches einen unweigerlich an Queen denken lässt. Negative schaffen es, zwei unterschiedliche Teile zu einem perfekten Ganzen zu verbinden, indem sie am Ende mit der Akustikgitarre zum Anfangsthema zurückkehren. Man sitzt mit offenen Augen, Ohren und Mund da und denkt: „Wow! Was für ein Song!“ Hier ist ein Meisterwerk entstanden, das an keinem spurlos vorüber gehen wird. Es ist faszinierend, welch Spektrum an verschiedensten musikalischen Elementen (Aufbau, Instrumente, Gesang, Komposition, Variation) hier in einem Song vereint wird, ohne übertrieben oder erzwungen zu klingen.
Mit "Fading Yourself" folgt ein Stück, dessen Melodie im Kopf bleibt, und das sehr stark von der Stimme des Sängers getragen wird. Überhaupt entwickelt dieser auf dem Album eine unglaubliche Stimmenvielfalt, die man ihm auf den ersten Blick gar nicht zutrauen würde. Von sanft, leise, hoch, tief, laut, rau bis hin zum dreckigen Schreien zeigt er sein Können und weiß, wie er es optimal einsetzen muss, um die Stimmung eines Songs an den Hörer zu bringen.
"Planet Of The Sun“ (1. Single - Auskopplung; VÖ: 15.09.2006) zeigt die gewohnten Negative - Elemente, allerdings bombastischer arrangiert als bisher. Wunderbar untermalt von Klavierklängen und einem Gänsehaut erzeugendem Gitarrenpart vor dem letzten Chorus, ist dies ein Song für die Massen. Leute, fangt an, nach euren Taschentüchern zu suchen!
Der Titel "A Song For The Broken Hearted“ sagt bereits alles: nachdenklich und melancholisch, mit einem Gitarrenteil ala Guns `N `Roses und weiblichen Background – Vocals, - die ihr übriges tun -, dürften auch den letzten so langsam zum Taschentuch greifen lassen. Der Song endet mit allem, was Stimme und Orchester zu bieten haben. Komischerweise hatte ich mit diesem Song zuerst so meine Probleme, denn im Vergleich zu den anderen Songs ist der Spannungsbogen in der Anfangsphase des Stückes eher lasch; doch das gibt sich spätestens bei Larrys Gitarrensolo, und die Lyrics sprechen eh für sich.
Aber gleich darauf heißt es wieder: Keine Zeit für Traurigkeit! Mit "Sinners Night / Misty Morning“ wird gerockt, was das Zeug hält; so wie unsere Eltern es schon vor 25 - 30 Jahren getan haben. Man fühlt sich in die "Gute Alte Zeit“ zurückversetzt: der Mann am Klavier jagt die Tastatur rauf und runter, die Background – Vocals animieren zum Mitsingen (Uh - Hu - Hu), und Dave Lindholm (finnischer Musiker) gibt diesem Song durch sein Mundharmonikaspiel eine ganz besondere Note. Wem es hier nicht in den Füßen juckt, der muss Eiswasser in den Adern haben…
"Swans“ nähert sich wieder den nachdenklicheren Gefilden, dominiert von Gitarrenriffs, die einem im Ohr bleiben. Wer aufmerksam hinhört, dem wird auffallen, dass der Chorus – bis auf das letzte Mal – langsamer als die Strophe ist. Aufhorchen wird man auch bei Jonnes Schrei am Ende, denn das war bis dato so noch nicht von ihm zu hören.
Der Titel "Stop F*ckin´ Around“ deutet bereits darauf hin, dass einen hier kein langsames Stück erwartet. Es wird rotzfrech drauflos gerockt und die obligatorischen Gitarreneinlagen dürfen da natürlich nicht fehlen. Fühlte man sich zwei Songs vorher allerdings noch in der Zeit zurückversetzt, wird jetzt eindeutig das Hier und Heute präsentiert.
In "Embracing Past" gelingt es Negative extrem gut, die Verzweiflung, Trauer und Wut darüber, dass man die Vergangenheit nicht festhalten kann, musikalisch umzusetzen. Eine starke Basslinie kombiniert mit einer eingängigen Melodie und gefühlvollem (wenn auch nicht unbedingt immer sanften) Gesang erzeugt diese besondere Atmosphäre, die man fast zu greifen vermag. Emotionen pur!
"We Can´t Go On" besticht durch gekonnten Einsatz der Instrumente - lang gehaltene einzelne Akkorde, Streichereinsatz, ausdrucksvoller Bass. Es entsteht ein bedrohliches / beängstigendes Gefühl, kombiniert mit einer gewissen Aggressivität. Zum Schluß hin steigert sich das Ganze noch einmal – die Drums werden zu einer Art Percussion – Drums – in aufwühlender Weise und der Frontmann singt sich die Seele aus dem Leib. Im ersten Moment alles etwas ungewohnt, aber dann interessant anzuhören…
Mit "In Memoriam (Immortal Peace)" findet das Album einen balladesken Ausklang. Trotz des sanften und leisen Anfangs - man kommt sich ein klein wenig entrückt vor -, kommt der Chorus recht kraftvoll daher. Der Hörer wird nach dem letzten Chorus durch Reduktion der Instrumente auf Gitarre und Klavier langsam aus dem Album entlassen, welches mit einem letzten nachhallenden Klavierakkord (ähnlich dem Schlagen einer Glocke oder Uhr) ausklingt. Ein schöner Abschluss, der das Ganze abrundet.
Fazit: Ein Album, das die Entwicklung von Negative zu reiferen Musikern und sehr guten Instrumentalisten zeigt. Sicherlich auch ein Verdienst des Produzenten Hiili Hiilesmaa (u.a. HIM, The 69 Eyes, Sentenced), der die Jungs die verrücktesten Ideen hat umsetzen lassen. Jungs? Man mag stellenweise gar nicht glauben, dass diese Musiker erst ein Durchschnittsalter von 24 haben…
Es wird mit der gesamten Bandbreite an Emotionen gespielt. Teilweise wirkt das verwirrend, irritierend oder beängstigend. Zeitgleich ist es aber wunderschön und fast schon magisch, wie die sechs ihre Instrumente und den Gesang zu arrangieren wissen, um dieses Emotionskino auszulösen.
Obwohl die Einflüsse älterer Bands – wie Queen, Guns´N´Roses, Alice Cooper, Led Zeppelin, Motörhead - zu spüren sind, machen die Finnen doch ihr ganz eigenes Ding daraus und setzen sich mit diesem Album selbst einen Meilenstein in ihrer musikalischen Karriere, der den einen oder anderen Negative - Gegner seine Meinung revidieren lassen dürfte. Aber auch die Fans werden erst einmal aufhorchen, denn so kannten die „ihre Jungs“ bis dato nicht.
Ein Album, das man auch nach 10 oder 20 Jahren gerne wieder herausholen wird und durchaus das Prädikat "Rock Deluxe“ verdient; oder um es zum Abschluß einmal bildlich auszudrücken: Die sechs sind über die Wiese des Rock ´n´ Roll gelaufen, haben sich die schönsten Blumen gezüchtet und gepflückt, um dann daraus einen umwerfenden Blumenstrauß zu kreieren…
14 Punkte (von max. 15)
Alexandra Holler, 20.09.2006
TRACKLIST
01 Arrival
02 Glory Of The Shame***
03 Reflections
04 One Last Shot***
05 Fading Yourself
06 Planet Of The Sun
07 A Song For The Broken Hearted
08 Sinners Night / Misty Morning***
09 Swans
10 Stop F*ing´ Around
11 Embracing Past***
12 We Can´t Go On
13 In Memoriam ( Immortal Peace)
[ *** Anspieltipps ]
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Leserkommentare
Negative - Anorectic (Cd)
Geschrieben von Nosferatrice am 16.12.06 um 14:49 Uhr
Mh, bin ja nich unbedingt jemand, der eine Rezension bemängelt, aber das neue Werk von Negative "Anorectic" hört sich schrecklich kommerzialisiert an. Zudem finde ich nicht, daß es bei den Liedern irgendwelche Einflüsse von Motörhead hat. Sicherlich klingt das Album härter wie das vorherige, aber das ist für mich kein Grund voreilige Lobeshymnen (auch wenn ich Metal-Mucke sehr verehre) auszusprechen. Ich finde aber hier einen Vergleich mit hochkarätigen Metal-Bands eher eine Beleidigung (für die Metal-Bands) wie ein Lob (für Negative). Sorry.
*ups da war doch der Fehlerteufel da. Ich lerne das mal nie. Meinte natürlich Rezension. Shame on me*
Zuletzt bearbeitet am 17.12.06 um 14:22 Uhr von (Anzahl Bearbeitungen: 1)
Eines Tages wird man offiziell zugeben müssen, daß das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch größere Illusion ist als die Welt des Traumes. (Salvador Dali)
Nosferatrice
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Anmeldungsdatum: 25.06.06
Beiträge: 753
Aw: Negative - Anorectic (Cd)
Geschrieben von schnute am 16.12.06 um 18:13 Uhr
Rezession? ich glaub die meinst wat andres!
generell war ich vom neuen werk der süssen finnen um jonne auch enttäuscht! hörte sich zu viel nach guns n roses (nicht etwa motörhead)und zu wenig nach negatives roots an!
bin gespannt wie der weg der jungs weitergeht ob sie auf der schiene wiejetzt bleiben oder zu ohren roots zuückkehren.
meiner meinung nach geht echt nichts über ihr ( in deutschland leider nicht erhältliches) debut war of love! im gegensatz dazu hat man fast schon schiss um die finnen,dass sie jetzt auf einen zug aufspringen der ihnen nicht so gut bekommt. als die 69 eyes mit ihrem letzten album rockiger wurden war ja auch schluss mit lustig bei den fans.
man wird sehen.
Vater RocknRoll, der du bist im Himmel,
geheiligt werde dein Rythmus,
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sondern erlöse uns von den Groupies
denn dein ist die Konzerthalle
und die Gästeliste
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schnute
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