Konzertbericht
Tocotronic, Goose, The Blood Arm, Puppetmastaz
Obstwiesenfestival
Dornstadt bei Ulm
20.07.2007
"Was, das kostet wirklich gar nix?" Diesen Satz konnte ich von fast allen Leuten hören, die ich versuchte habe zu überreden mit nach Dornstadt zu pilgern, um für lau eine ganze Reihe schicker Indiebands zu sehen. Die Veranstalter hatten wieder mal ein extrem gutes Händchen bei der Auswahl der Kapellen, soviel sei als vorrausgeschicktes Fazit schon mal verraten. Aber sehen wir uns das ganze doch mal genauer an:
Das erste erwähnenswerte Konzert bestritt der unglaublich symphatische Kevin Hamann alias Clickclickdecker. Mit seinen live noch tanzbareren und ja, auch besseren Songs verzauberte die Hamburger DIY-Ikone die bedauerlicherweise noch viel zu spärlich gefüllte Zeltbühne. Die Anwesenden hatten dafür um so mehr Spaß mit Insider-Hits wie dem wunderbaren "Wer hat mir auf die Schuhe gekotzt?"...
Weiter gings mit den Kanadiern von den Hidden Cameras. Die ausnahmslos homosexuellen Musiker konnten mit ihrem "Queer Church Folk" betören und auch verstören, unter den nicht-eingeweihten konnte man jedenfalls auf einige verwirrte Gesichter blicken.
Anders war der Fall dann beim ersten mehr oder weniger großen Namen: The Blood Arm mit ihrer kurzweiligen Klavier-meets-Indierock-Performance konnten sich umgehend in den Tanzbeinen der Besucher festbeißen, was böse Zungen allerdings auch auf den zu dieser Zeit bereits fortgeschrittenen Alkoholkonsum zurückführen wollten.
Letzte Band und letztendlich auch überraschendes Highlight des Freitags waren die Belgier von Goose: Der New Rave, der auf dem Album noch so gewollt und unausgegoren klingt, war von der großen Bühne aus einfach nur bombastisch. Laut, schnell, hart, sodass auch die zartesten Indieseelen in wildes Gezucke versetzt wurden.
So weit, so schön. Auch am Samstag hielt das Wetter, was der Wetterbericht nicht versprochen hatte: es blieb warm und trocken, was die Campenden schonmal in einer grundsätzlich positiven Stimmung verbleiben lies.
Bei soviel Gemütlichkeit auf dem Zeltplatz sollten die Kilians meine nächste Band sein: Von den einen als Strokes-Abklatsch verschrien, von den anderen als die neue deutsche Indie-Hoffnung abgefeiert, lautete mein Fazit, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt. Sympathisch sind sie allemal, und wenn ihr Album zu diesem Zeitpunkt schon fertig gewesen wäre, hätten sie wohl massig davon verkauft.
Mein nächster Programmpunkt: Die verrückten Blues-Noiserocker The Drones aus Australien schickten sich an, den von lieblichen, cleanen Gitarrenakkorden eingelullten Festivalbesuchern kräftig in den Arsch zu treten. Ihren enorm energetischen und umjubelten Auftritt sollten sie wenig später mit einer Horde von neu gewonnen Fans am Merchstand feiern - Gras rauchend und lächelnd.
Wem das alles zu aufregend war, der konnte sich später mit Monta beruhigen. Tobias Kuhn und seine Band pendelten dabei ständig zwischen einschläfernder Langsamkeit und herzzerreißenden Melodien. Der Stimmung sehr zuträglich war sicherlich der einsetzende Regen, der um so mehr Menschen unter das schützende Dach der wohlig warmen Zeltbühne trieb.
Pünktlich zu Tocotronic legte der selbige sich dann auch wieder. Das neue Album "Kapitulation" soll ja wieder härter und somit der breiten Masse der älteren Fans wieder wohlgefälliger sein. Der Auftritt hinterließ zumindest mich mit gemischten Gefühlen: die Band spielte unheimlich motiviert mit glänzendem Sound und tollen neuen Songs, und trotzdem war man sich die ganze Zeit bewusst, dass das nicht die Songs sind, wegen denen man diese Band lieben gelernt hat. So wurde dann auch "Freiburg", die Zugabe, als einzige Reminiszenz an die alten Zeiten frenetisch abgefeiert.
Wer nach diesem zweispältigen Headliner-Auftritt noch eine kleine Aufheiterung brauchte, konnte diese letztendlich auf der Zeltbühne finden: Muppetshow meets Wu-Tang-Clan, Kasperle meets Gangsta-Rap. Die Handpuppen von den Puppetmastaz zogen eine Battle-Rap-Show erster Güte ab und stellten unmissverständlich klar, dass sie trotz ihrer geringen Größe wesentlich mehr Skillz und auch wesentlich mehr Eier haben als 50 Cent und Konsorten. Ein kurioser, aber gelungener Abschluss eines tollen Festivals.
Natürlich gab es auch Lowlights, auf die es mir aber zu mühsam ist näher einzugehen. Genannt seien hier nur die gähnend langweiligen Naked Lunch sowie die ebenso ermüdenden Fertig, Los!. Was da auf Platte jeweils noch entspannt und locker klingt, ist live in etwa so mitreißend wie Blockflötenunterricht. Oder der DJ der freitäglichen Aftershowparty, der aus Mangel an Talent einfach mehrmals "Krawall und Remmidemmi" von Deichkind spielte um die Stimmung künstlich oben zu halten. Die kurzen Laufwege zum Zeltplatz und somit zum Überbrückungsbier waren allerdings so kurz, dass das auch niemanden richtig stören konnte.
Zum Schluss noch eine kurze Anekdote: Als ich euphorisiert von den Puppetmastaz zurückkam, lagen völlig fremde Menschen in meinem Zelt. Nackt und kopulierend. Hach ja, Festivals...
Benedikt Ernst, 23.07.2007
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