Cd-Besprechung
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Eisregen und die Zensur – das sind zwei Pole, die sich während der Karriere der Band irgendwie immer abgestoßen haben. Sehr zur Freude einiger gewiefter Geschäftemacher, die für die indizierten Frühwerke der Band mittlerweile Höchstpreise aufrufen. Mal abgesehen von den wirtschaftlichen Problemen, die das Verkaufsverbot bzw. der nur gegen Altersnachweis mögliche Handel bestimmter Eisregen-Tonträger mit sich bringt dürfte die Band insbesondere darunter gelitten haben, dass die Songs der indizierten Alben auch live nicht aufgeführt wurden und die Band somit im Prinzip für einige Jahre Musik ohne wirtschaftlichen Nährwert produziert hatte. Ich erinnere mich noch gut an das Wacken 1999, bei dem Eisregen die Ehre hatten, am Vorabend des Festivals im pickepackevollen Zelt zu spielen. Für mich war das Konzert ein extrem intensives Ereignis, nicht nur wegen des von der Decke tropfenden Kondenswassers, sondern vor allem auf Grund der energiegeladenen Show und der Songs des damals noch relativ frisch veröffentlichten zweiten Longplayers (dessen Namen auf Grund der Indizierung weiterhin in der Öffentlichkeit nicht beim Namen genannt werden darf – was vermutlich eher das Gegenteil von dem bewirkt, was die staatliche Zensur mit dem Totschweigen bezweckt). Seit jener Zeit war ich den Thüringern verfallen – auch wenn die Band aus meiner Sicht danach kein Album mehr veröffentlicht hat, das ihrem besagten zweiten Werk das Wasser reichen konnte.
Doch Wunder über Wunder – knapp ein Vierteljahrhundert nach ihrer erstmaligen Veröffentlichung sind die ersten Alben der Band zwar weiterhin indiziert, doch zumindest Teile des Songmaterials sind mittlerweile über die nun veröffentlichte Compilation “Krebskollektion” wieder frei zugänglich. Möglich wurde dies, weil die Alben nicht auf Grund ihres kompletten Songmaterials auf dem Index landeten, sondern nur auf Grund einzelner Songs. Offenbar war der Band dies aber selbst bis vor kurzem nicht so recht bewusst, da man sich ja für die “Bühnenblut”-Livescheibe noch die Mühe gemacht hatte, das alte Material mit neuen Lyrics auszustatten, um es live spielen zu können. Ein Schritt, der aus heutiger Sicht zumindest in Bezug auf einzelne Songs unnötig war.
Doch zurück zu “Krebskollektion”: Der Begriff “Best-Of” passt hier wohl nur bedingt, da der Doppeldecker lediglich das Material der drei indizierten Alben enthält und die anderen veröffentlichten Studioalben außen vor lässt. Der Schwerpunkt der Scheibe bildet mit sechs Tracks das zweite Eisregen-Album, das für mich vor allem auf Grund seines Openers “Vorabend der Schlacht” sowie des Doppelschlags “Für Euch, die Ihr Lebt” und “Mein kleines Leben” eine Ausnahmestellung in der Diskographie der Band einnimmt. Schön, dass diese Songs endlich wieder frei zugänglich sind. Fans, die die Band bislang nur von den nicht indizierten Alben kennen, lernen die Band hier auch klanglich von einer anderen Seite kennen, da seinerzeit noch eine Bratsche eingesetzt hatte, die heute nicht mehr mit an Bord ist. Im Forum der Band habe ich jedoch ein Posting entdeckt, nachdem die Jungs bei den Arbeiten zu “Krebskollektion” diesbezüglich wieder auf den Geschmack gekommen sind und zukünftig wieder mehr auf die Bratsche zurückgreifen werden. Mal abwarten, was bei rauskommt, doch aus meiner Sicht ist dieses Vorhaben grundsätzlich begrüßenswert, da die Bratsche den Songs doch einen sehr spezielle Atmosphäre verpasst hat. Über die vorgenannten Songs hinaus ist vor allem “Mein Eichensarg” eine Topempfehlung, wobei es mich wundert, dass die Bundersprüfstelle ausgerechnet an diesem Song nichts auszusetzen hatte. Naja, offensichtlich gilt das Sprichwort über die Gottes unergründlichen Wege auch in Bezug auf staatliche Stellen.
Über diese Ansammlung nun wieder (leichter) zugänglicher Songs hinaus enthält "Krebskollektion" eine zweite CD mit weiteren sieben Tracks. Hier sind wohl in erster Linie "Brut" und "Engelmacher" zu erwähnen, zwei brandneue Songs der Thüringer. Wobei man das ein wenig relativieren muss, da "Brut" mit einer Laufzeit von etwas mehr als einer Minute eher den Charakter eines Intros hat als den eines kompletten Songs. Dafür ist "Engelmacher" ziemlich gelungen, genauso wie die leicht industrial-geprägte Coverversion von Falcos "Mutter, der Mann mit dem Koks ist da". Ein Song, der wie geschaffen ist für den Eisregen-Humor. Darüber hinaus enthält die zweite CD noch zwei Neueinspielungen der Songs "Fleischhaus" und "Scharlachrotes Kleid", eine bis dato unveröffentlichte Live-Version von "Blutgeil" und mit "Born Dead" eine weitere Coverversion. Letztere wurde ursprünglich auf der limitierten Erstpressung des vierten Eisregen-Album veröffentlicht.
Lässt man die Neueinspielungen und die Liveversion mal außen vor, so enthält die zweite "Krebskollektion"-CD eigentlich nur zwei "echte" neue Songs, nämlich "Engelmacher" und "Mutter, der Mann mit dem Koks ist da". Ob dies ausreichendend ist, um auch diejenigen Fans, die die indizierten Alben bereits besitzten, zum Kauf von "Krebskollektion" zu bewegen, muss jeder für sich selbst entscheiden. In meinen Augen ist die Compilation in erster Linie eine Veröffentlichung für diejenigen, die die zuvor angesprochenen Tonträger noch nicht besitzen. Und die werden sich vermutlich ein Loch im Bauch freuen, endlich an das alte, "verruchte" Material heranzukommen.
14 Punkte (von max. 15)
Jürgen , 14.12.2012
TRACKLIST
CD 1:
1. Vorabend der Schlacht (***)
2. Scharlachrotes Kleid
3. Für euch die ihr Lebt (***)
4. Das kleine Leben (***)
5. Abglanz vom Licht
6. Thüringen
7. Vorboten
8. Angst wird Fleisich
9. Schatten im Verstand
10. Ein Jahr im Leben des Todes
11. Mein Eichensarg
12. Blutgeil
13. Glas
CD 2:
1. Brut
2. Mutter, der Mann mit dem Koks ist da
3. Fleischhaus 2012
4. Engelmacher (***)
5. Scharlachrotes Kleid 2012
6. Born Dead
7. Blutgeil Live
[ *** Anspieltipps ]
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