Konzertbericht

Mercury Rev
Timesbold
Was das Universum im Innersten zusammenhält
Frankfurt - Mousonturm
22.03.2005
Nicht weniger als Auskunft über den Urgrund des Seins verspricht die amerikanische Band Mercury Rev ihren Hörern. Die Wissbegierigen unter den Freunden psychedelischer Gitarrenklänge wurden allerdings - so viel sei vorangestellt - in ihrem Wissensdurst auch an diesem Abend nicht vollständig befriedigt. Doch sei es drum: abseits all der Philosophie boten Mercury Rev ein beeindruckendes Spektakel.
Das Weltfremdler-Kollektiv Timesbold hatte die Aufgabe, den Abend zu beginnen. Stilecht mit Trapper-Schlapphut und Vollbart betrittSänger Jason Merritt die Bühne und schon bald fühlt sich der Zuschauer wie wohlig eingepackt im angenehm warm instrumentierten Songwriter-Flausch der Amerikaner. Timesbold wirken wie eine etwas ernsthaftere Vertreter des musikalischen Ansatzes von Grandaddy. Bierernst geht es hier trotzdem nicht zu: Herrlich klingt die antike Tretorgel, wundervoll absurd wirken die drei Spielzeug-Keyboards und die singende Säge. Gern legt hier auch der Schlagzeuger für einzelne Stück mal die Sticks beiseite und bedient sich stattdessen einer Harfe. Höhepunkt des knappen Auftritts war wohl das wunderschön gelungene Bill Withers Cover “Ain’t No Sunshine When She’s Gone”.
Mercury Rev sind keine kleinen Fische mehr. Vorbei die Zeiten, in denen man selbst in der Umbaupause Hand anlegte. Geschätze sechs Bühnentechniker wuseln heute eifrig umher, installieren unzählige Effektgeräte und kleben die Bühne nahezu vollkommen mit Gaffa-Band ab. Vorbei auch die Zeiten, in denen die Musik allein im Mittelpunkt stand. Hinter der Bühne prangt eine riesige Leinwand, auf der - ganz im Stile der seelenverwandten Flaming Lips - Videosequenzen die Musik begleiten und auf Seiten der Zuschauer den aus Gründen der Drogenabstinez herrschenden Mangel an Rauschzuständen zu kompensieren bestimmt sind.
Das Konzept geht auf. Mercury Rev sind heute mit glasklarem Sound gesegnet. Der Bass gräbt sich bei Songs wie “The Funny Bird” oder dem neuen “Secret For A Song” so perfekt in die Magengrube, dass man förmlich meint, abzuheben. Die stimmigen Hintergrundvideos passen sich der Musik an, begleiten die Stimmungswechsel und gewähren in Form projizierter Zitate Einblicke in das mysteriöse Seelenleben von Sänger Jonathan Donahue. Gern wird hier philosophiert, über den Ursprung des Lebens, über die Kräfte des Universums ebenso wie die des Menschen. “Love is a strong force. But compassion is strongest.”
Jonathan Donahue - der für sein überbordendes Charisma geschätzte Sänger der Band - wirkt heute weltfremd wie immer. Große Augen, große Gesten ohne Pause. Gitarrist Grasshopper hingegen taucht während der teils langen psychedelischen Eskapaden der Band beinahe ab, rupft sich Saiten von der Gitarre, seine Spielweise bleibt allerdings präzise auf den Punkt. Es gelingt Mercury Rev, ihr größtenteils stark sphärenhaftes Songmaterial mit großer Klarheit und dem nötigen Nachdruck live umzusetzen. Klassiker wie “Opus 40” oder “Tonite It Shows” wirken dabei allerdings mitreißender als die Stücke des neuen Albums “The Secret Migration”. Eine etwas andere Gewichtung des Materials hätte Mercury Rev noch besser zu Gesicht gestanden.
Einziger Wermutstropfen sind die etwas bemüht wirkenden Ausführungen Donahues zum nicht gerade neuen Thema “Geben ist seliger denn Nehmen”. Aber man verzeiht ihm alles, wenn er beim abschließenden “The Dark Is Rising” noch einmal seinen gesamten Gestus in die Waagschale wirft. Überhaupt: man ist nicht in der Lage, Kritik zu üben. Weil man nach Ende des Konzerts ohnehin als glücklicher Mensch wieder erwacht.
Martin Baum, 10.04.2005
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