Cd-Besprechung

Mercury Rev - The Secret Migration

Mercury Rev

The Secret Migration

V2 / Rough Trade
  Vö: 24.01.2005

Bewertung:  12 Punkte
Leserwertung:  15.0 Punkte
Stimmenzahl: 3

Da traut man seinen Augen kaum. Mercury Rev, die verträumten Landeier des psychedelischen Indie-Pop, werden mittlerweile zum Thema in der Frauenzeitschrift „Brigitte“. Der Radiosender WDR 2 verkündete gar, 2005 werde das Jahr von Mercury Rev. Wer hätte sich das träumen lassen? Wirkte der Spannungsbogen im Falle dieser Band doch eigentlich schon ausgereizt. Im Jahre 1991 startete die in den New Yorker Catskill Mountains beheimatete Band mit einem Knalleffekt. „Yerself Is Steam“ hieß das Album, das die Medienschaffenden in schiere Aufruhr versetzte. Von einem „album of the decade“ war in der „Alternative Press“ die Rede. Bereits 1995 rechnete nach dem finanziell gefloppten Album „See You On The Other Side“ aber kaum noch jemand mit der durch interne Turbulenzen gebeutelten Band.

So kann man sich täuschen. 1998 folgte mit „Deserter’s Songs“ ein Album, das bereits heute mit einiger Berechtigung als Klassiker der Popmusik bezeichnet werden darf. Die fragile Stimme von Jonathan Donahue, epische Arrangements, selbst nach Jahren noch faszinierende Melodien sowie eine singende Säge brachten der Band wiederum Lorbeeren ein: „America’s most pioneering band“ titelte der NME damals. Mit dem folgenden „All Is Dream“ legten Mercury Rev 2001 zwar an Opulenz zu, konnten die hochgesteckten Erwartungen nahezu der gesamten Musikpresse aber nur mühsam erfüllen. Und jetzt? Das Jahr von Mercury Rev? Mal sehen.

„All the leaves are falling, two suns are slowly rising“ säuselt Donahue verschwörerisch im opulenten „Secret For A Song“. Passender lässt sich die Stimmung des Albums wohl nicht veranschaulichen. Mystizismus, das Irrationale oder das Unwissenschaftliche – dies sind die Grundpfeiler von Mercury Rev 2005. Sei es der Handel von Geheimnissen gegen einen guten Song, das Versenden von Gefühlen auf Wellen aus Emotionen („on a wave of emotion sending ships across yer ocean“ aus: „Across Yer Ocean“) oder mysteriöse Reitausflüge in den Schwarzwald („if i was a white horse... an’ offered you a ride... thru a black forest“ aus: „Black Forest“) – jeden Romantiker mit einem Hang zu gepflegtem Eskapismus wird es freuen.

Musikalisch bleibt alles beim Alten. Detailreiche und sphärenhafte Arrangements paaren sich mit einer üppigen Orchestrierung und den eigenwilligen Soli von Gitarrist Grasshopper. Im Zusammenspiel wirkt das dann zumeist großartig. Stücke wie „Secret For A Song“, „Across Yer Ocean“ und insbesondere „In A Funny Way“ reichen ohne weiteres an frühere Großtaten heran. „On a summer day you can hear her call / but in a funny way she reminds you of the fall“ – endlich ist sie wieder da - die Gänsehaut.

Da verzeiht man der Band auch gerne, dass sie an manchen Stellen zugunsten reiner Sphärenhaftigkeit und ungefiltertem Klangreichtum das Songwriting ein wenig aus den Augen verliert. Wie sollte man der Band auch böse sein? „First-Time-Mother’s Joy (Flying)“ weiß solche kleinen Schwachstellen mit einer großartigen Melodie mehr als nur auszugleichen.

Wenngleich hier Songs für die Ewigkeit wie „Goddess On A Highway“ oder „Opus 40“ vom Vorvorgänger „Deserter’s Songs“ fehlen, machen Mercury Rev – mit Ausnahme des Artworks - immer noch fast alles richtig. Weiterhin gibt es hier mehr zu entdecken, als auf den meisten anderen Veröffentlichungen dieser Tage. Der Welt wäre doch sehr gedient, wenn mehr Leute dieser Band lauschen würden.

12 Punkte (von max. 15)

Martin Baum25.01.2005

TRACKLIST
1. Secret For A Song ***
2. Across Yer Ocean
3. Diamonds
4. Black Forest (Lorelei)
5. Vermillion
6. In The Wilderness
7. In A Funny Way ***
8. My Love
9. Moving On
10. The Climbing Rose
11. Arise
12. First-Time Mother's Joy (Flying) ***
13. Down Poured The Heavens
[ *** Anspieltipps ]

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