Konzertbericht
Tomte
Blackbird
Der letzte große Saal
Dortmund, Konzerthaus
25.09.2008
Thees Uhlmann strahlt. Von Ohr zu Ohr. Er verbeugt sich vor der aufgestandenen Menge aus höchst beglückten Menschen. Er lacht und reckt das Peacezeichen in die Luft. Mehrfach. So richtig will er gar nicht von der Bühne gehen. Der Applaus dauert ja auch noch an. Wohlgemerkt nach der zweiten Zugabe. Zuletzt fällt dieser zufrieden strahlende Thees Uhlmann nochmal halb auf die Knie, formt mit seinen Fingern ein Herz und lässt es vor seiner Brust bedeutungsvoll schlagen. Und dann geht es raus in die Nacht.
Ca. 2 Stunden und 30 Minuten früher nehmen die Besucher im Konzerthaus Dortmund langsam ihre Plätze ein. Manch einer staunt über das schöne Ambiente des hohen klassischen Konzertsaales. Die musikalische Einstimmung in den Abend besorgen PALE-Sänger Holger Kochs und sein 2-Mann-Projekt "Blackbird". Es gibt zauberhafte Piano- und Gitarrenklänge und süßlichen Popgesang, Songs von Pale auch eine Pianointerpretation des Beatsteaks'schen "Coming Over You". Auf der Hälfte des Sets fragt Herr Kochs ob seine Frau Mama das Konzert erreicht und im Saal Platz genommen hat. Sie hatte vorab per Handy eine Verspätung ihrerseits angekündigt. Es folgt keine Antwort, ein kurzer trauriger Moment. Aber die Stimmung schlägt sekundenschnell wieder ins Fröhliche um, als der Sänger lächelnd bemerkt: "Wer meine Mutter kennt, der weiß dass sie keinesfalls zu schüchtern für eine Antwort gewesen wäre". Dann noch 2 Songs und der Einstieg in diesen Abend ist wunderbar geglückt. Kurze Pause.
Tomte betreten die Bühne und Thees Uhlmann wirkt angespannt, sehr angespannt sogar. Erste Überraschung: Escapado-Drummer Gunnar bespielt das Cello und das verdammt gut. Es geht los mit "Schreit den Namen meiner Mutter" und der Sound funktioniert reduziert und akkustisch vorzüglich. Warm und voll breitet er sich im Saal aus und verleiht den Songs einen neuen Anstrich. Nach einigen Klängen taut dann der blasse Sänger mit allzuviel Herz auf und haut seine geliebten Ansagen raus. Ein kleiner Auszug an dieser Stelle:
"So, das hier ist also dieser Bakuda Club. Hab ich mir kleiner vorgestellt."
"Wenn die No Angels gegen den Krieg sind, dann sind wir für den Krieg."
"Scooter: Kettcar plus Techno....Hey, ich mag Kettcar."
"Das hat meine Mutter auch gesagt nachdem sie mich bekommen hatte: 'den Krieg ich doch nie wieder normal'...hey das war ein Diss für meine Mutter und gegen mich selbst."
"
''Warum lachen die Leute eigentlich nicht bei anderen Bands wenn die auf der Bühne was trinken, immer nur bei Tomte. Das ist weil hier die Schlauies sitzen, die jede ironische Brechnung mitkriegen."
Man könnte Bücher mit diesen Ansagen füllen. Sollte man auch. Es geht weiter im Programm, das sehr ausgewogen zwischen den beiden letzten Alben und dem am 10.10. erscheinenden neuen Werk "Heureka" pendelt. Die neuen Songs wirken dunkler und schwermütiger als zuvor und scheinen wieder mehr in die Richtung der "Hinter all diesen Fenstern" Platte zu tendieren. "Es gibt nichts schöneres auf der Welt als betrunken trauriger Musik zu hören" ist nicht nur dank des Titels ein großartiges Stück Musik geworden. Der Titelsong "Heureka" bietet rhythmischen Druck der neugierig auf die Albumumsetzung macht und die Single "Der letzte große Wal" weiß ebenfalls bestens zu gefallen. Da wartet ein Album, was viele begeistern und ein wenig heilen könnte.
Natürlich fehlen keineswegs die ersehnten Lieder wie "die Bastarde die dich jetzt nach Hause bringen" (laut Thees der beste Battlespruch beim Aufeinandertreffen mit der/dem Ex in der Kneipe...) oder die Hymne an die Stadt mit Loch "New York". Für "ein paar Punks, die nichts besseres zu tun haben", nämlich die Betreuer des Tomte-Forums, gibt es sogar den alten Song "die Nacht in der ich starb" als kleine Danksagung. Das Finale kann natürlich nur "die Schönheit der Chance" sein und in den letzten Sekunden singt Thees Uhlmann nur mit Cello und Pianobegleitung sein Herz heraus. Weg vom Mikro aber alle hören es klar und deutlich: "das ist nicht die Sonne die untergeht, sondern die Erde die sich dreht." Und dann folgt nur noch Strahlen auf der Bühne, strahlen im Publikum, Applaus und Verbeugung. Und man kann Tomte nur danke sagen für so einen schönen außergewöhnlichen Konzertabend, der echt so richtig bewegend war.
Man weiß wieder, warum man Musik machen will und warum das Leben manchmal so ist wie es ist und warum bei dieser Band einfach alles dabei ist, zwischen Lachen und Weinen, hochgezogenen Mundwinkeln und Schleiern vor den Augen. Heureka.
Bogatzke , 26.09.2008
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