Interview

Solea - "We Don't Really Rock!"

Solea

"We Don't Really Rock!"

Solea. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Unterart der gemeinen Seezunge. Solea, das ist auch eine mehr als vielversprechende neue und gleichzeitig alte Band. Warum? Nun, wer Solea sagt, der sagt auch Samiam und Texas Is The Reason. Beides alles andere als kleine Namen im weiten Punk- und Indie-Rock-Umfeld. Aus Mitgliedern beider Bands besteht das Grundgerüst und Fundament von Solea, die sich 2001 formierten und deren selbstbetiteltes Debüt-Album uns erst vor einigen Wochen ein Stück glücklicher machte. Trotz berechtigter Referenzen zu Ihren alten Bands und anderen Genre-Größen schaffen Garrett Klahn (Gesang & Gitarre, Ex- TITR) und Gitarrist Sergie Loobkoff (Samiam) einen doch ganz eigenen Sound, der das Ergebnis einer besonderen Herangehensweise gewesen sein muss – oder einfach gar keiner. Nach zwei EPs touren die Beiden zusammen mit Bassist Joe Orlando und Drummer Scott McPherson (Ex-Sensefield, Ex-Elliott Smith) sowohl als Support für Dover als auch auf eigenen Headliner-Shows durch Europa. Grund genug für BIZARRE-RADIO, vor der Show im Düsseldorfer „Zakk“ etwas mit Sergie und Garrett zu quatschen und so neben dem Weg zu Solea noch einiges mehr über Ihre Arbeit, Ihre Philosophie und Randerscheinungen zu erfahren und darüber hinaus zwei sympathische und bodenständige Herren einer vermeintlichen "All-Star-Band" kennen zu lernen.



BR: Das ist mittlerweile Eure zweite Europa-Tour. Wie läuft’s bisher?

Garrett: Oh, sehr sehr sehr gut! Letzte Woche hatten wir unsere erste Headliner-Show in Köln, und es war toll zu sehen, wie viele Leute für uns da waren. Die Resonanz ist bisher durchweg positiv und warmherzig. Als Support von Dover sind die meisten Besucher natürlich nicht primär für uns da, aber auch da läuft’s super! Jetzt kommen noch jede Menge Shows sowohl als Support als auch als Headliner, und wenn es so weiter geht sind wir mehr als zufrieden.

BR: Ihr wart auch schon zweimal in Japan auf Tour. Was war das für ein Erlebnis? Traft ihr dort wirklich auf die viel besagte unglaubliche Euphorie der Fans auf Live-Shows?

Sergie: Oh ja, es war der Wahnsinn! In Japan zu spielen ist wie eine unrealistische Repräsentation dessen, was es bedeutet, in einer Band zu spielen. Sie haben uns wirklich mehr als freundlich empfangen und behandelt. Und es hat wirklich Spaß gemacht. Alleine die Tatsache, in einem fremden Land unterwegs zu sein, Japaner zu treffen und den dortigen Umgang mit Musik und Kultur zu erfahren, war ein interessantes Erlebnis.
Garrett (lacht): Psycho! Das war es. Die EP kam ungefähr zeitgleich raus mit Tourbeginn, und alle kannten die Songs und unsere Texte! Naja und es waren die ersten Shows von uns, wo die Leute uns kannten und mochten und dementsprechend abgingen, deshalb war es natürlich sowieso cool.

BR: Ein paar Worte zu Eurer Entstehung: War es wirklich so harmonisch und natürlich und der simple Lauf der Dinge, die Euch zu Solea führten?

Garrett: Nun, wie es exakt verlief, kann ich gar nicht mehr genau sagen. Jedenfalls waren wir, Texas Is The Reason, mit Samiam auf großer Europa-Tour Mitte der 90er und eröffneten einige Shows –
Sergie (unterbricht): Nein, ihr habt jede unserer Shows eröffnet!
Garrett: Haben wir? Okay, jedenfalls sind wir zwischenzeitlich eine Woche alleine durch Deutschland getourt. In Berlin kamen wir dann wieder zusammen und haben eine tolle Show gespielt. Wir verstanden uns einfach gut und kamen super miteinander aus, es war eine fantastische Zeit. Von da an dauerte es natürlich noch eine ganze Weile bis zu Solea, genauer gesagt ca. acht Jahre. Wir waren beide mit unseren Bands und anderen Dingen beschäftigt.

BR: Wie lief es dann mit dem Songwriting? Der eine wohnt an der West-, der andere an der Ostküste Amerikas. Ihr habt Euch demnach nicht einfach mal dann und wann im Studio treffen können, sondern Ideen via Internet ausgetauscht. Ist das nicht eher umständlich und unpersönlich?

Sergie: Natürlich hat es Vor- und Nachteile. Ich kann da natürlich nicht für TITR sprechen, aber ungefähr genauso lief es bei Samiam. Wenn ich Song-Ideen hatte, arbeitete ich sie zuhause aus und trug sie dann der Band vor. Das hier ist prinzipiell das Gleiche, mit dem einzigen Unterschied, dass Garrett etwas weiter weg wohnt… Den kreativen Prozess hat es nicht wirklich beeinflusst, bis auf die Tatsache, dass wir halt nicht so oft etwas erschaffen konnten. Bei Samiam hat es auch keinen Unterschied gemacht, dass wir zufällig in derselben Stadt wohnten. Die Jungs hätten genauso gut hier in Düsseldorf sitzen können! Dazu kommt halt nur, dass wir mit Solea nicht so spontan wie andere Bands sein können und sagen: „Okay, ab in den Bus, wir haben Bock auf eine Tour!“ So etwas will dann schon etwas mehr geplant sein. Logistisch also manchmal ein Desaster, in kreativer Hinsicht kein Problem!

BR: Diesbezüglich wundert es nämlich schon, wie dabei Euer so unvergleichlich organischer und natürlicher Sound entstehen konnte. Das Album klingt als würdet Ihr eine Familie sein und seit mindestens 20 Jahren zusammen musizieren.

Sergie: Naja, mittlerweile kennen wir uns ja auch schon einige Zeit. Natürlich gibt es einige Bands die ich sehr mag und Garrett nicht, umgekehrt genauso. Meistens haben wir aber doch einen sehr ähnlichen Geschmack was Musik angeht. Viele andere Bands haben es da viel schwieriger, sich zu einigen. Aber das war nie ein Problem für uns.

BR: Hattet Ihr jemals eine Art Ziel mit Solea, irgendwas was ihr erreichen wolltet? Oder einfach spontan machen und sehen was passiert?

Sergie: Zwei meiner größten Ziele waren, Europa und Japan zu touren – das hat ja schon mal geklappt! Darüber hinaus hatte keiner von uns jemals so unrealistische und blöde Ziele wie die nächsten großen Popstars zu werden oder ähnlicher Quatsch. Ansonsten sind wir ziemlich zufrieden mit dem, was wir machen: Wir machen zusammen Musik, haben ein Album gemacht auf das wir wirklich stolz sind, touren durch verschiedene Kontinente, haben schon ein paar Ideen für die Zukunft – wir sind also für uns schon ziemlich erfolgreich!

BR: Was für Ideen sind das genauer?

Sergie: Wir haben schon eine Menge neuer Songs geschrieben. Hoffentlich können wir im Frühjahr nächsten Jahres mit den Aufnahmen beginnen, dann kann man schon Ende nächsten Sommers mit einem neuen Album von uns rechnen! Fingers crossed. Da wir aber eine kleine Band sind, können wir nicht einfach sagen: „Erst machen wir das, dann das, dann das…“, sondern eher: „Wir würden gerne dies und das machen, kann uns jemand bitte bitte helfen?!?“

BR: Tatsächlich weckt Euer Sound ein ähnliches Gefühl wie einige Sachen von Samiam, nämlich dieses „Zwischen den Stühlen sitzen“, die auf der einen Seite Melancholie, auf der anderen Seite Optimismus und Enthusiasmus sind. Die Referenzen zu Euren alten Bands sind somit nicht komplett von der Hand zu weisen. Ist es trotzdem nicht etwas nervig für Euch, mit Eurer Vergangenheit verglichen und daran gemessen zu werden?

Sergie: Naja, es ist natürlich schon so, dass, egal wo wir sind, alle Interviewer besonders an dieser Tatsache interessiert sind. Aber die meisten dieser Leute sind wirklich gut informiert und interessiert an unserer Musik – so wie Du zum Beispiel, Du schreibst für ein Musik-Magazin und interessierst Dich daher für Musik. Da macht es dann nichts oder ist ganz gewöhnlich wenn Du denkst: „Ah ja, das sind Mitglieder von Samiam und Texas Is The Reason, natürlich kennt die jeder!“ Aber für Leute die weiter außen stehen, sind das auch nur zwei unbedeutende Bands.

BR: Daneben fallen oft Vergleiche mit Bands wie den Get Up Kids, Jimmy Eat World oder der unsäglichen Emo-Schublade im Allgemeinen, um Euch zu beschreiben. Was haltet Ihr davon? Wie würdet Ihr Euch selber beschreiben?

Sergie: Hm, einfach irgend so etwas wie Rockband, Indie-Rock oder so was in der Art vielleicht? Ich weiß es nicht. Jedenfalls haben wir ja mit Bands wie Thrice oder Coheed & Cambria nichts gemein, von daher hinken auch solche Begriffe.
Garrett: Die Bands die Du nanntest mag ich gar nicht mal sonderlich, ich kümmere mich einfach nicht drum. Aber wenn das die Assoziation von jemandem ist, seine persönliche Meinung und es ihm hilft, etwas zu beschreiben, dann ist da halt so.
Sergie: Die Frage dabei ist vielleicht viel eher, ob es uns kümmert. Und nein, es kümmert uns einfach nicht. Wir haben da einfach keine Meinung zu. Solange wie die Leute in uns als Band interessiert sind, ist das ne gute Sache.

BR: Was würdet Ihr gerne über Euch lesen? Worüber wäret Ihr froh?

Sergie: Naja, ich hoffe, wenn Leute uns und einen unseren Gigs gesehen haben, sie schon verstehen worum es uns geht: Wir sind nette Jungs, wir versuchen nicht cool zu sein oder Dinge nur der Kohle oder des Ruhmes wegen zu machen. Wir haben keine großen Egos. Falls das rüberkommt und die Leute unsere Band mögen, würde mich das schon glücklich machen.
Garrett (lacht): Ich wäre froh, wenn ich lese: „Okay, das Album saugt zwar, aber verdammt, Garrett Klahn ist ein wirklich netter Kerl! Ich interviewte ihn backstage, wir teilten einen Joint, und er war wirklich nett!“

BR: Wie bestreitet Ihr Euren Lebensunterhalt? Mit Solea wohl noch nicht.

Sergie: Nunja, für eine gewisse Zeit lief es mit Samiam so gut, dass die Jungs nicht wirklich arbeiten mussten nebenher. Aber ich bin Grafik-Designer - neben den Samiam-Alben mache ich Aufträge für Fat Wreck, Kung Fu Records und vieles andere - und nehme meine Job auch sehr ernst, habe somit immer gearbeitet. Als es mit Samiam dann nicht mehr so groß lief wie zuvor, hatten sie aber teilweise kleine Finanzprobleme, ich dagegen war immer fein raus!
Garrett: Ich arbeite in einer Bar in New York, und…ähm…ja, ich arbeite in einer Bar!

BR: Was ist mit den anderen beiden und ihrem Status in der Band?

Sergie: Joe ist mittlerweile so gut wie ein festes Mitglied bei uns, er ist ja schließlich schon seit der ersten Japan-Tour dabei. Scott hingegen ist zwar auch im Moment auf Tour dabei, muss aber öfter mal heim wegen anderen Jobs, sprich Geld verdienen für seine Familie.

BR: Vorletzte Frage: Wie alt seid Ihr?

Garrett: Ich bin 30.
Sergie: Ich 38 …

BR: Ich frage, weil Euer Album eben nicht nach 18-jährigen Jungs klingt, die einfach mal drauflos rocken wollen. Es ist reifer, erwachsener, und doch rockt es, nur in einer ganz anderen Art und Weise. Es ist wie…

Sergie: We don’t really rock! Ich meine, andere Bands, wie z.B. auch Dover heute, die auch alle sehr melodisch sind und tolle Songs haben, die kommen auf die Bühne, und dann geht’s so Nirvana-mäßig ab im Publikum direkt! Wir dagegen kommen raus und starten ganz mellow und bauen das Ganze langsam auf. Mit Samiam wiederum ist es so, dass wir wirklich rocken wollen! Die Kids sollen wild im Kreis herumrennen, auf die Bühne klettern, ihren Kumpels zuwinken und stagediven! Falls sie es an einem Abend dann mal nicht getan haben, dachte ich nur:„Oh Mann was für eine Scheiß-Show heute, we suck!“ Mit Solea machen wir aber einfach nicht diese Art von Musik. Selbst wenn wir zwei Millionen Alben verkaufen würden, es würde nicht passieren. Und das ist auch mal cool, denn es fühlt sich alles sehr gemütlich so an.

BR: Anders definiert rockt ihr schon irgendwo: Wenn ich im Auto sitze, durch die Gegend fahre, bestenfalls die Abendsonne scheint und dabei Euer Album höre, versetzt mich das in eine gewisse Stimmung. Es hilft abzuschalten und gleichzeitig mal Luft rauszulassen. Und das rockt dann schon für mich!

Garrett (freut sich): Yeah! Das ist doch was, darum geht’s schließlich auch!

BR: Worauf ich hinaus wollte, als ich auf Euer Alter ansprach: Kann man Euren Ansatz damit vergleichen, als wenn man sich nach langer Zeit aufs Neue verliebt? Wenn Du Dich als Teenager das erste Mal verliebst, denkst Du nicht lange darüber nach. Du lässt einfach alles Hals über Kopf mit Dir geschehen. Dementsprechend geradeaus klingt auch Deine Musik. Du gehst aber nur einmal im Leben so daran. Aus dem Fehler, für Deine Beziehung alles um Dich herum zu vergessen und die einhergehende schmerzliche Erfahrung der Trennung lernst Du und wirst distanzierter und nachdenklicher. Du reflektierst mehr und gehst vorsichtiger an Neues heran. Irgendwann ist es aber soweit, Du triffst die neue Liebe, und weißt aufgrund Deiner Erfahrungen und Deiner daraus resultierenden Reife, dass die Zeit da ist, Du aufgeräumt bist und einfach mal wieder machen solltest. Und diese Lebensphase ist die Geburtsstunde von Solea. Versteht Ihr halbwegs was ich meine?

Garrett: Puh! Ja, das macht schon Sinn… Ja doch, das hört sich gut an!


Sagt’s, bedankt sich und geht sich noch ein Bier holen. Mit Sergie reden wir noch etwas über Musik und Band-Vorlieben und Kollegen. Dann ist das Bier leer und Solea werden in 10 Minuten auf der Bühne stehen. Also schnell vor eben jene und sich freuen.

Eine gute ¾ Stunde später ist Ihre Support-Show für heute Abend schon wieder beendet. Der nicht allzu gute Sound tat der Band keinen Abbruch. Genauso ehrlich, warmherzig und offen wie Ihr Album zu freuen weiß und die Jungs sich privat geben, kommt auch Ihr Auftritt an. Neben einigen alten Songs der EPs spielen sie z.B. mit „Apotheke“, „Where You Belong“ oder dem tollen „Shuffle“ einige Ihrer vielleicht offensichtlichsten Album-Höhepunkte. Zumindest genug um sowohl für Kenner als auch für Leute, die Solea bisher nicht kannten, heim zu gehen und sagen zu können: „Hey, das war doch mal eine gute Band mit tollen Songs, und die Jungs scheinen ja wirklich ganz sympathisch und nett zu sein!“ …

Fabian Soethof08.11.2004

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