Interview

Jupiter Jones - "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne"

Jupiter Jones

"Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne"

Spricht man von Live-Erlebnissen oder Interviews mit Bands, verkommt das Wort Sympathie schnell zu einer Art Floskel. Oftmals einfach nur als Ersatz für „etwas mehr als ganz nett“, manchmal aber auch Synonym für andere Wesenszüge, die man beim ersten Eindruck nicht konkreter beschreiben kann, aber spürt dass sie da sind. Der Gedanke, doch gerne wissen zu wollen, woher diese Wärme kommt und ob man sich täuscht oder richtig liegt. Wie im wahren Leben.

Bei den vier Jungs von JUPITER JONES glaubt man sich nach unmittelbarer Begegnung freuen zu können: „Toll, die sind ja genauso gut drauf, wie erhofft!“ Das war kurz vor Weihnachten bei Ihrer tollen Show in Duisburg. Grundehrlich, lustig, ausgelassen, zufrieden, dankbar. Mitte Januar in Köln-Hürth: „Toll, die sind ja noch genauso!“ Beide Male bot sich genug Gelegenheit, mit Gitarrist Sascha a.k.a. Bert und Sänger und Gitarrist Nicki a.k.a. Johnny (O-Ton Sascha:“ Mir wurde eine gewisse Ähnlichkeit mit Burt Reynolds nachgesagt, danach kam das mit den Namen einfach so – nur Klaus, der heißt wirklich so!“) über Ihr „Baby“ Jupiter Jones, Ihren Ansatz und alles was da so drinsteckt zu reden.



BR: Wie haben Jupiter Jones zusammengefunden?

Bert: Das war ne Schnapsidee auf ner Party von unserem ehemaligen Bassisten, da saßen wir beide hier vor nem Kassettenrekorder, haben Die Ärzte gehört und kamen auf die Idee, eine deutschsprachige Band zu machen! Weil es seine Party war, war der Bassist natürlich auch schnell gefunden, und mit unserem Schlagzeuger hatte ich vorher schon zusammen in Metal-Bands gespielt und er hatte auch Interesse, mal was anderes zu machen. Der Rest wie proben und erste Songs schreiben ging dann auch recht schnell, da hatten wir dann schon unser Demo im Kasten irgendwann!

Johnny: Dann ne Menge Shows, ne Menge Durch-die-Gegend-Gekreuze, Songs schreiben fürs Album, zwischen durch noch die Split-EP mit Springtime.

BR: Johnny, sind Deine Texte alle autobiografisch? Und ging es dort, wo es um Liebe geht, um immer eine Person?

Johnny: Vielleicht nicht grundsätzlich um eine Person, aber um ein identisches Gefühl, jetzt nicht bei vielen Personen, aber schon bei mehreren, wobei ich da jetzt niemandem ans Bein pinkeln oder die Krone aufsetzen möchte…Und klar, autobiografisch grundsätzlich schon, vielleicht die einzelnen Geschichten so nicht, aber erlebt hat ja jeder so was ja alles schon, vielleicht in unterschiedlichen Rahmen, aber alles nachvollziehbar irgendwo immer. Und manches ist ja auch von der Geschichte her komplett fiktiv, aber das Gefühl kennt man halt schon. Das meiste ist dann aber doch recht universell und lässt sich auf viele Lebensabschnitte anwenden, und das vielleicht auch bei relativ vielen Leuten.

BR: Wie alt bist Du?

Johnny: Ich bin 23.

BR: Weil man sich schon zwangsläufig fragen kann, wie denn bei jemandem in diesem Alter schon soviel daneben gegangen sein kann…

Johnny (lacht): Ja, nee, das funktioniert! Also mit nem bisschen Geduld… da geht schon manchmal einiges in die Hose!

BR: Fällt es dir schwierig, deine Gefühle/Gedanken zu abstrahieren? Kann ja durchaus eine Gratwanderung sein, da nicht in den Kitsch abzudriften oder ähnliches.

Johnny: Es ist an sich im Deutschen erstmal einfacher als im Englischen, weil Du im Englischen viel schneller mal ein Auge zu drückst, also es ist auf jeden Fall im Deutschen einfacher nicht kitschig zu werden. Also man weiß halt schon, was machen auf gar keinen Fall machen sollte. Und ich merk halt schon, dass ich manchmal etwas in den Pathos abdrifte, aber das find ich gar nicht schlimm. An der richtigen Stelle kann so was nämlich auch ganz nett sein, und wenn er dann richtig verstanden wird, ist er ja okay. Es gibt ja manchmal einfach Situationen oder Gefühle, die einen pathetisch werden lassen, dann kann man das auch so mitnehmen.

BR: Neben Liebe geht es vor allem um Alltag und Leben. Was für Beobachtungen sind das, was inspiriert Dich da?

Johnny: Es ist einfach morgens aufstehen und vor die Tür gehen. Natürlich gibt’s da immer irgendwelche Auslöser, die einen Anstoß geben, über etwas zu schreiben, aber die Menschen um Dich rum jeden Tag, die geben einem schon so genug. Das ist auch das Tolle an so einem Bandleben, es nimmt zwar Deine komplette Freizeit ein, aber es ist eben auch Dein Leben. Man kommt viel rum und trifft immer wieder neue Leute, die einem was geben, und manche bleiben halt auch, wir spielen ja an manchen Orten auch gerne öfter mal!

BR: Entblößt Du Dich beim Schreiben und vor allem Singen Deiner Songs oder ist da genug Abstand drin?

Johnny: Einerseits schon, aber andererseits, wie eben schon erwähnt, fallen da ja nie Namen, da werden nie irgendwelche konkreten Geschehnisse angesprochen, und ich werd mich auch hüten und den Teufel tun, irgendwelche konkreteren detaillierteren Ansagen zu machen über die Ex-Freundin oder so Sachen. Sowas finde ich meistens echt peinlich, denn das sind Dinge, die sind meist klar, wenn man dem Texteschreiber auch glaubt was er da erzählt brauch ich das nicht auch noch ausführen. Von daher ist es schon zwar alles persönlich und nah und eng, aber trotzdem noch anonym genug um nicht unangenehm zu sein.

BR: Und ändert sich das, wenn man einen Song zum 100sten Mal spielt?

Johnny: Grundsätzlich ist es halt schon immer dasselbe Gefühl, nur die Intensität ändert sich. Die Texte sind halt auch schon so wohl überlegt, wie auch die Musik, dass ich nach einem halben Jahr immer noch genauso nachvollziehen kann, warum ich den so geschrieben habe und was der Auslöser dafür war.

BR: Steht der Rest der Band genauso hinter den Texten oder teilt ihr nicht alles was Johnny da so singt?

Bert: Wir stehen da auf keinen Fall abseits, wir stehen natürlich hinter dem was wir da spielen, also nicht nur unsere Instrumente. Ich könnte nie auf der Bühne mit einem Sänger stehen, der totalen Scheiss singt und ich denk genau das Gegenteil! In Johnny’s Texte kann sich ja eigentlich jeder ganz gut reinversetzen, das können wir auch. Und das sieht man ja auch auf der Bühne, wir singen selber mit oftmals sogar!

BR: Kaum ein Review ohne Vergleiche mit Kettcar, Muff Potter oder …But Alive. Ist das Fluch oder Segen für Euch?

Bert: Wir können all diese Vergleiche teilweise echt nicht mehr nachvollziehen. Musikalisch finde ich Vergleiche mit …But Alive oder Kettcar total aus der Luft gegriffen, das passt an keinem einzigen Instrument. Okay, wir machen deutschsprachigen „Punkrock“, oder wie immer man das halt auch nennen will. Aber da hörts dann doch schon auf. Das einzige was ich dann doch noch irgendwo nachvollziehen kann, ist, dass Johnny vielleicht ein bisschen so eine Art hat Texte zu schreiben wie es eben der Nagel von Muff Potter oder der Marcus Wiebusch hat…

Johnny: …Und ich fühle mich den beiden ja schon irgendwo verbunden, was das Texte schreiben angeht, da sind Vergleich natürlich gleichzeitig eine kleine Ehre für mich. Ich mag auch .. But Alive wirklich sehr, aber die Musik hat eben meiner Meinung nach nichts mit uns gemein! Gut, Leute die Muff Potter und Kettcar hören, sind ja vielleicht generell aufgeschlossener was Musik angeht, und selbst wenn wir jetzt dann doch nicht so wie die klingen, wird da vielleicht keiner wirklich enttäuscht sein sondern uns auch mögen.

Bert: Nur, auch wenn Vergleiche prinzipiell okay sind und man natürlich bei Beschreibungen von Bands fast immer andere Bands nennt, gibt’s da Sachen die einen wirklich ärgern. Wenn da ein Magazin z.B. „vermuffpottert und verkettcart“ schreibt, ist das echt albern und geht echt nicht! Als ob wir in den Proberaum gegangen sind und uns gesagt hätten „So und nicht anders wollen wir jetzt klingen!“

Johnny: Worauf wir uns als einziges aber wirklich einigen können, das sind Hot Water Music!

Bert: Ja, die ich vor Jupiter Jones aber noch nicht mal kannte…

BR: Steht Dein rauer gewöhnungsbedürftiger Gesang einigen Leuten im Weg, Zugang zu Euch zu finden?

Johnny: Natürlich muss man so was mögen. Am Anfang wurde mir einmal gesagt: „Ich würde Euch ja mögen, wenn Ihr Englisch singen würdet!“. Neben einem grundsätzlichem Problem, dass man mit so rauem Gesang haben kann, hatten viele ein Problem mit deutschen Texten. Das ist jetzt anders, da ja seit 2-3 Jahren deutschsprachige Musik vielmehr in den Vordergrund gerückt ist in Deutschland, die Menschen beschäftigen sich jetzt viel eher mit so was und tun das nicht gleich ab eben weil es deutschsprachig ist - da tritt im Moment ja schon bald eher das Gegenteil ein! Also haben wir zufälligerweise vielleicht den besten Zeitpunkt zur V.Ö. erwischt darüber hinaus…

BR: „Raum um Raum“ hat bisher fast ausschließlich tolle Kritiken bekommen. Wie fühlt sich das an?

Johnny: Ja sehr gut! Ich hatte zumindest ordentlich die Hose voll vorm ersten Review. Zwar waren die zum Demo und zur Split schon ganz gut, aber dann fragt man sich ob wir das alles weiterhin erfüllen können und hoffentlich noch besser gemacht haben, weil es ja auch viel zeit- und schweiß- und alles-intensiver war. Und wenn dann das Album so warm angenommen wird, ist das wirklich eines der besten Gefühle der letzten Zeit!

Bert: Besonders weil es halt Feedback von fremden Leuten ist. In unserem Freundes- und Bekanntenkreis mochten es alle, und ich will nicht sagen dass das nichts wert wäre, aber die kannten uns und unsere Musik halt schon – wenn jemand es noch gar nicht vorher gehört hat ist es schon was anderes.

BR: Verfolgt man Euer Gästebuch oder betrachtet die ganze „Szene“, hört man bei jeder Kleinigkeit diese dämlichen Sell-Out-Rufe, z.B. Thema Labelwechsel o.ä. . Was sagt Ihr solchen Leuten?

Johnny: Schnauze halten, besser machen, und vor allem erst melden wenn man wirklich was zu sagen hat! Also ohne uns da jetzt als die Märtyrer des Rock oder so was hinzustellen bzw. alle Leute Lügen strafen zu wollen, aber wir haben jetzt in den letzten 1 ½ Jahren über hundert Shows gespielt, und die waren weiß Gott nicht alle mit goldenen Wasserhähnen und Spanferkeln im backstage, wir haben schon an Orten geschlafen wo sich so manch einer zieren würde und ich glaube Ausverkauf ist echt was anderes. Denn wenn so was schon Ausverkauf wäre, dann frag ich mich, wie das bei anderen Bands erst aussehen soll!

BR: Zum Beispiel bei den Beatsteaks, die ähnlich angefangen haben und jetzt ne ganz große Nummer sind!

Johnny: Ja selbstverständlich, die leben jetzt von Ihrer Musik, die müssen nicht mehr arbeiten gehen, die haben jetzt mehr Zeit Lieder zu schreiben die blöden Schweine, das ist natürlich Ausverkauf!

Bert (grinst): Wie man mit seiner Musik nur Geld verdienen darf, was glauben die eigentlich? Also so was…Nee echt, das geilste ist doch, von Musik leben zu können, von unserem Hobby und unserem Leben, und wenn halt ne größere Firma uns unterstützen will, dann kann das doch nur gut sein.

Johnny: Und gerade die Leute, die einem Sellout vorwerfen, und die das selber auch nie machen würden, sind ja eigentlich die, die komplett von diesem Kapitalismus- und Kommerzgedanken frei sein müssten, die dürften dann also eigentlich auch kein Problem damit haben bei nem Major was rauszubringen, weil sie dann ja auch nicht abfahren eben weil sie keinen Bezug zum Kapitalismus haben!

BR: Ist „Raum um Raum“ ein Art – Achtung – Konzeptalbum?

Bert: Hm… nur weil in einem Album ein Faden erkennbar ist, muss es ja noch lange kein Konzeptalbum sein. Auch die Sätze von Hermann Hesse haben wir ja erst im Nachhinein hinzugefügt.

Johnny: Das einzige Konzept ist halt morgens aufstehen, einatmen, ausatmen. Und gut, es ist natürlich manchmal auch in einer lustigen Reihenfolge. Bei „Kopf Hoch und Arsch in den Sattel“ heißt es z.B. „…das Gefühl das hier alles aus langen Gesichtern und Selbstmordgeschichten besteht.“ Und ein Lied später ist’s dann Jupp, was eine Selbstmordgeschichte ist – aber selbst das war nicht geplant! In „Momentaufnahme“ sind dann schon unsere sämtlichen negativen Emotionen gebündelt…

BR: Also ist es auch Zufall, dass die Platte mit „Auf das Leben“ abschließt, was als optimistische Ansage zum Weitermachen an dieser Stelle bestplaziert ist, nach dem man vorher durch Auf und Ab gegangen ist wie z.B. in „ Wenn alle es verstehen“ ?

Johnny (lacht): Ja, ähm… Sascha, zieh mal den Karren ausm Dreck!

Bert: Also ganz ehrlich muss ich sagen, haben wir… ja doch eigentlich schon…eher darauf geachtet, wie so die Grundstimmung von den Songs ist, wie sie musikalisch zusammenpassen, das man nicht zwei Kracher und ein ganz langsames aneinanderreiht sondern dass es eher ein Fluss ist, aber sonst…

Johnny: Und da es ja dann meist universell ums Leben geht, braucht man sich da ja auch gar nicht allzu viele Gedanken machen.

BR: Gibt’s Material oder Pläne für Neues?

Bert: Einen neuen Song haben wir bisher erst…

Johnny: Aber der ist gut!

Bert: Wir sind dabei, ist im Moment aber ein bisschen schwer zwischen den ganzen Touren, wir sind quasi fast nie im Proberaum momentan, bauen den Kram ausm Bus einfach auf und schmeißen ihn wieder rein. Wenig Zeit im Moment also – wenn man aber natürlich davon leben könnte, hätte man natürlich mehr davon…! Naja grob geschätzt versuchen wir, Ende des Jahres wieder ins Studio gehen zu können, mal sehen.

BR: Für mich ist „Raum um Raum“ eine der Platten des letzten Jahres. Einfach weil man genau die Liebe zu spüren scheint, die Ihr da rein gesteckt habt, wegen der Ehrlichkeit, weil es echt ist, weil man sich in allem wieder finden kann, weil es vor Lebensmut und Hoffnung nur so strotzt und deshalb immer hilft, egal in welcher Lebenslage, und immer da ist. Freut Euch das, wenn Eure Musik anderen Menschen soviel gibt oder wollt Ihr anderen gar nicht so nahe treten?

Johnny: Nö überhaupt nicht. Also ich kann ja nur das nehmen was Musik jetzt in meinem oder in unserem Leben bedeutet, und das ist halt, das Musik erstmal komplett den Abend bestimmt, also wenn die ganze Zeit nur Scheiß-Musik läuft, die man schlimmstenfalls auch gar nicht irgendwie ignorieren kann, dann ist für mich auch der Abend gelaufen. Und wenn die Leute, denen es auch so geht, von unserer Platte was gegeben bekommen und was mitnehmen können, dann ist das mehr wert als jedes Review und jede noch so tolle Show! Dankeschön.

BR: Dankeschön.

Fabian Soethof01.02.2005

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