Cd-Besprechung

The Weakerthans - Reconstruction Site

The Weakerthans

Reconstruction Site

Burning Heart Records
  Vö: 08.09.2003

Bewertung:  13 Punkte
Leserwertung:  14.7 Punkte
Stimmenzahl: 3

Drei lange Jahre haben uns die in ihrem Genre einzigartigen Weakerthans auf neue Kompositionen warten lassen nach dem vielfach gelobten Kunstwerk „Left And Leaving“. Und nun ist gemäß des Albumtitels der dritten Platte der Kanadier aus Winnipeg, „Reconstruction Site“, die Zeit des Wiederaufbaus eingetroffen. Bei der Produzentenfrage einigte sich das Quartett ein erneutes Mal auf Ian Blurton; das Mischen überließ die Band dem sich bereits oftmals bewährten Fachmann Adam Kasper (Foo Fighters, Queens of the Stone Age, Soundgarden), der dieser Scheibe einen gewissen rauen und ungeschliffenen Charakter schenkte im Vergleich zum erwähnten Vorgänger und dem 1998-er Debüt „Fallow“.

Die Meister in den Bereichen Alternative Rock/Alternative Country und Folk (am Rande) haben auf „Reconstruction Site“ 14 Schätze Melancholie- aber auch Mid-Tempo-Hämmer erschaffen, die im Durchschnitt nicht die 3-Minuten-Marke überschreiten. Im Gegensatz zu „Left And Leaving“ fällt der Teil der flotteren Stücke à la „Aside“ oder „Watermark“ auf dem vorliegenden Werk geringer aus. Mit dem druckvollen „The Reasons“, „(Manifest)“ oder dem mit ausgiebigem Solopart ausgestattetem „Plea from a Cat named Virtute“ sind diese aber dennoch zumindest teilweise vorhanden.

Überwiegend findet man hier ruhige Kost mit überzeugenden Melodiebögen vor, wie z. B. der Titeltrack „Reconstruction Site“ oder „Time´s Arrow“ eindringlich beweisen. In diesem Lied meint man, dEUS-Sänger Tom Barman wäre eigens eingesprungen, so sehr ähnelt der Gesang John K. Samsons dem belgischen Musikerkollegen. Seine tiefe Stimme erzielt zusammen mit der gewählten Instrumentierung ein eigenwillig harmonisches Ergebnis.

A propos Instrumentierung: Hier lassen sich The Weakerthans auch so einiges einfallen und verwenden neben der vielen Gitarren hier und da auch schon mal Glockenspiel („(Past-Due)“), Schnappmesser – beim wundervoll aus dem Rahmen fallenden „(Hospital Vespers)“, Slidegitarren in Countrysongs wie „A new Name for Everything“, dem Duett mit Sängerin Sarah Harmer in „Benediction“, oder sie beenden gleich den Opener „(Manifest)“ mit einer Trompete. Die Einleitung zum atmosphärischen „The Prescience of Dawn“ mit verzerrten Gitarren ist ebenso hervorzuheben.

Besonders erwähnenswert und gleichsam ein typisches Merkmal der Kanadier ist folgendes: Es ist schon beeindruckend, welch großartige Poesie Samson hier mal wieder zu Papier bringt. Weit weg von einfach strukturierten Lyrics und simplem Vokabular verfasst der Sänger und Gitarrist, der vor der Gründung der Weakerthans 1997 als Bassist bei Propagandhi unterwegs war, tiefgängige Texte, die zuweilen vor Kryptik triefen, sodass die rätselhaften Inhalte ab und an nur schwer erahnbar sind. Hier ist eine erhöhte Auseinandersetzung mit den Texten gefragt, will man das Gesungene nachvollziehen.

So verbirgt sich vermutlich hinter dem Titel „One Great City!“, einem minimalistischen Lied, bestehend aus Gesang plus lediglich Akustikgitarre, eine unkonventionelle Ode an den Heimatort Winnipeg und ihre Einwohner, und „The Reasons“ stellt anscheinend eine Liebeserklärung dar. Ansonsten schwer greifbare lyrische Kost, die hier vorgelegt wird.

Auffallend ist das diesmalige Artwork des Albums, das die vier Bandmitglieder auf der Innenseite des CD-Covers als eigentümliche Fabelwesen zeigt. Nicht nur für dieses ist der 29-jährige kanadische Künstler Marcel Dzama verantwortlich, der ebenfalls in Winnipeg lebt.

Zusätzlich zu den 14 Songs befindet sich auf der CD u. a. das Video zu „Our retired Explorer (dines with Michel Foucault in Paris, 1961)“, das im Computer abgespielt werden kann.

Insgesamt haben The Weakerthans ein überzeugendes, melodienreiches Album für Fans ruhiger (aber nicht nur!) Gitarrenmusik kreiert, die sich zudem gerne an außergewöhnlichen Texten laben.

Info: Nach einer bis Oktober andauernden US- und Kanada-Tour der Weakerthans sind diesen Herbst auch Auftritte in Europa geplant.

13 Punkte (von max. 15)

Jana Trochta11.08.2003

TRACKLIST
01) (Manifest)
02) The Reasons ***
03) Reconstruction Site
04) Psalm for the Elks Lodge last Call ***
05) Plea from a Cat named Virtute ***
06) Our retired Explorer (dines with Michel Foucault in Paris, 1961)
07) Time´s Arrow ***
08) (Hospital Vespers) ***
09) Uncorrected Proofs
10) A new Name for Everything ***
11) One Great City!
12) Benediction
13) The Prescience of Dawn ***
14) (Past-Due)
[ *** Anspieltipps ]

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