Cd-Besprechung

Ryan Adams - 29

Ryan Adams

29

Universal
  Vö: 06.01.2006

Bewertung:  11 Punkte
Leserwertung:  15.0 Punkte
Stimmenzahl: 2

Ryan Adams wird es nicht mehr schaffen. Den kommerziellen Durchbruch. Produktiver als Conor Oberst, aber auch älter. Weniger belanglos als Jack Johnson, manchen dafür zu anspruchsvoll. Auf den ersten Ton weniger offensiv klagend als James Blunt. Immer mit mindestens einem Fuß im Country, stets nach hinten schauend, um das gegenwärtige zu verarbeiten.

Aber für all das sind seine Fans ihm doch genau so unendlich dankbar. Dass er genauso ist, wie er ist. Dass er in einem Moment den coolsten Country-Rocker des mittleren Westens mimt, nur um im nächsten Kitsch in Reinform so liebevoll zu verpacken, das man einfach mit will. Egal, wohin. Dass er die Gratwanderung zwischen Ehrlichkeit, Simplizität, eigenem Anspruch und stetiger Weiterentwicklung ohne 100%ige Neuerfindung so konsequent geht, dass er mittlerweile fast nichts mehr falsch machen kann. Blick zurück: Dass er Hits am laufenden Band schreiben kann, ahnte man schon immer, weiß man aber spätestens seit "Rock´N`Roll". Dass die leisen Töne und der Herzschmerz aber viel mehr das Seine sind, bewies er schon auf "Heartbreaker" (der Titel), zelebrierte es aber erst ausgiebig auf "Love Is Hell Pt. I & II". Dazwischen erschienen noch "Demolition", für das allein sich manche Songschreiber ein Bein ausreißen würden, und vor allem "Gold", was nicht wenige als DAS Ryan Adams-Album bezeichnen. Das alles seit der Jahrtausendwende, wohlgemerkt. Nur, um 2005 seinem Kreativitätswahn vollends Luft zu machen, mit gleich drei Alben: Im Mai erschien "Cold Roses" (ein Doppel-Album…), im Spätherbst folgte "Jacksonville City Nights" und nun, zum Jahreswechsel, "29", der Hattrick. Keine Fortführung seines Schaffens, sondern schlichtweg ein weiterer Baustein. Genauso stabil wie alle anderen.

Man stelle sich das nur einmal vor: Aus dem Material für diese vier Cd´s wäre nur ein Album dieses Jahr erschienen… "Tonight" als möglicher Opener, direkt gefolgt von "Cherry Lane". Das kippt, "Meadowlake Street" ist mitten drin in der Tiefe, um im "Blue Sky Blues" den dramatischen Höhe- bzw. Tiefpunkt zu erreichen. "The End" beschließt Seite A, damit die B-Seite nach "Let It Ride" mit "The Sadness" wieder die Wege entlang reitet, dessen Karten Adams am genauesten studiert hat. Und so weiter. Nein, unvorstellbar! Zuviel auf einmal. Zu groß für "Wetten, dass..?!" wäre das. James Blunt würde keiner kennen wollen geschweige denn kennen.

Wirklich? Oder ob´s trotzdem kaum einer merken würde? Wahrscheinlich. Obwohl Ryan Adams uns bereits fünf Alben ohne einen wirklich schlechten Song oder grobe Lückenfüller geschenkt hat und sich mit "29" – dieses Mal ohne "The Cardinals" - daran absolut nichts ändert. Und er noch lange so weiter machen wird. Ob mit dem typischen Opener "29", dem stabil-fragilen (das gibt´s bei Adams nicht nur einmal so) "Starlite Dinner", dem achtminütigen "Strawberry Wine" oder eben dem frühen Höhepunkt "Blue Sky Blues". Adams hat sich mehr Zeit genommen für einige Songs als zuvor, lotet dabei alles aus. Unbemerkt, manchmal. Der kann das, der darf das. Dass da manchmal etwas mehr passieren könnte, weniger Beliebigkeit? Dass seine hier gelobten Stärken genauso als Schwächen interpretiert werden können? Ja, vielleicht - aber wer würde schon Böses.

Und wenn der Sympathisant dann – auch so ein gern herangezogenes wie polarisierendes Adams-Klischee – an irgendeiner gottverlassenen Bar hockt und in seinen Whiskey starrt, wünscht er sich dank dem Soundtrack "29" oder wahlweise auch anderem aus Adams´ Schaffen manchmal ein paar Mittrinker zur Seite. Und wenn er mit denen zusammen da so anstößt und vermeintlich feiert, wäre er irgendwie doch auch gerne mal alleine, wenn er sich nicht schon längst so fühlt. Hin- und hergerissen, wie Ryan Adams selbst.

11 Punkte (von max. 15)

Fabian Soethof05.01.2006

TRACKLIST
01. 29
02. Strawberry Wine
03. Nightbirds***
04. Blue Sky Blues***
05. Carolina Rain
06. Starlite Dinner***
07. The Sadness
08. Elizabeth, You Were Born To Play That Part
09. Voices
[ *** Anspieltipps ]

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