Cd-Besprechung

Dredg - Catch Without Arms

Dredg

Catch Without Arms

Interscope/Universal
  Vö: 27.06.2005

Bewertung:  15 Punkte
Leserwertung:  9.6 Punkte
Stimmenzahl: 118

Aussichtslos? Mit dem Rücken zum Abgrund steht er auf wackelnden Beinen. Nur einige Meter vor ihm schaut er tief in den Lauf der Pistole seines bisher größten Gegners, der sich selber schlicht „Psyche“ nennt. Obwohl die Abendsonne unlängst am Horizont verschwand und die Nacht einbricht, läuft ihm der Schweiß die Stirn entlang. In dieser kleinen Ewigkeit kann und will er nicht einordnen, ob in dieser Wüste fernab jeglicher Zivilisation tatsächlich gerade ein schwacher Wind blies, oder ob es der Schauer war, der ihm den Rücken runter lief. Gedanken schießen durch seinen Kopf, nur um augenblicklich wieder verworfen zu werden. „Warum sollte ich um Hilfe rufen? Selbst, ja selbst wenn in dieser Einöde tatsächlich irgendwo jemand sein würde – ein Laut wäre mein sicherer Tod. Und außerdem ist es so dunkel, dass mich – uns – hier so schnell niemand sehen könnte…“ In diesem Augenblick schieben sich die düster-grauen Wolken wie von Geisterhand weiter, so dass der fahle Schein des Vollmondes ihn wieder die vage Silhouette seines Gegenübers erkennen lässt. Der Lauf ist immer noch unbeweglich und starr auf ihn gerichtet. Die verbleibende Distanz nur erahnend, wagt er ein paar Schritte zurück, während die Silhouette näher kommt. Plötzlich wird es wieder dunkel. Chance oder Nachteil? „Dieses Schicksal…“ – da sind die Gedanken wieder – „…das diesen seltsamen Tag durchzog… Nicht mehr mit mir!“ Im nächsten Augenblick hat er den Stein zu seinen Füßen schon gegriffen, holt aus und schleudert seinem Gegenüber alles entgegen, was er hat. Überwältigt von sich selbst aber gerät er ins Taumeln – und hört einen Schuss. Sein Körper verliert das Gleichgewicht, und als er den Brocken hinter sich spürt, ist es schon zu spät. War’s das?
Der freie Fall. Mit dem Rücken zuerst. „Diese Ironie… - “ – die letzten Gedanken an die er sich noch wird erinnern können – „dass dieses Gefühl, diese Leere um mich herum, das Intensivste, was ich je fühlte, mich mehr erfüllt als andere…“That’s what happens, when you play catch without arms”. Raum und Zeit verlieren sich, wie in Zeitlupe schaut er sich um. Töne erklingen. Obskur, aber warm. Von ganz weit weg und ganz nah dran. Nicht zu lokalisieren. “From the inside out, we will fall…”. Da sind verlorene Seelen. Überall. Menschen, die hungern. Andere, die fressen. Die Einen lachen, während die anderen weinen. Andere bekriegen sich. Auch die, die sich mal liebten. Insekten beobachten Ihn, starren. Da vorne! Kinder spielen auf der Strasse. Jemand rennt durchs Ziel. Jubelrufe. Ausgelassenheit. Im dunklen Wald hat jemand Feuer gefunden. Schon wieder: Neue Hoffnung oder Gefahr? Doch nicht alles verloren?
Eindrücke, die er längst nicht mehr verarbeiten kann – zu surreal, wie ungefiltert menschlichste Gefühle, Euphorie, Abgründe und Geschichten herein prasseln. „Take this weight off my shoulders, and move it to my brain“. Oben am Himmel sind Sterne. Weit weg und ganz nah.
Vom Aufprall weiß er nichts mehr. Vermag nicht zu sagen, ob es hart wie Beton oder weich wie Federn war. Nur, dass er dabei in den Himmel schaute, so klar wie nie zuvor. Auch, ob Jahre oder Sekunden vergingen weiß weder er noch irgendwer. Aber als er die Augen wieder aufmacht, findet er sich selber oben am Abgrund, in sicherer Distanz, wieder. Der Himmel füllt sich in warmes Blau und Orange. Das Gegenüber ist verschwunden, die Beine wackeln auch nicht mehr. Es wird Tag. Dieses Gefühl ist plötzlich soviel mehr wert als das, als er fiel, wenn auch ähnlich einzigartig. Im selben Augenblick erhebt sich die Sonne vollends am Horizont, Ihr erster Strahl wärmt sein Gesicht. Das soll nie vorbei gehen.

Gekitzelt von der Grelle öffnest Du langsam Deine Augen und brauchst ein paar Sekunden, bis Du Dein Bett erkennst und den Spalt in den Jalousien. Was war das? Weg mit dem umklammerten Kissen erhebst Du Dich und reißt das Fenster auf. Schlaftrunken und gleichzeitig so wach wie nie zuvor. Denn verschlafen hast Du nicht, im Gegenteil. Freudentränen. An Ode To The Sun. Wie neu geboren.

15 Punkte (von max. 15)

Fabian Soethof24.06.2005

TRACKLIST
01. Ode To The Sun***
02. Bug Eyes***
03. Catch Without Arms***
04. Not That Simple***
05. Zebraskin
06. The Tanbark Is Hot Lava
07. Sang Real
08. Planting Seeds
09. Spitshine***
10. Jamais Vu
11. Hung Over On A Tuesday
12. Matroshka (The Ornament)***

Bonus Track:
13. Uplifting News
[ *** Anspieltipps ]

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