Special
Mair1 Festival
Wet wet wet ist keine Band oder wie das Mair1 2014 allen Widrigkeiten trotzt
„And when the rain begins to fall I'll be the sunshine in your life…“ sag Pia Zadora in den 80ern. Ob sie damals schon wusste, wie sich das Wetter beim Mair1 Festival im idyllischen westerwälder Städtchen Montabaur so entwickeln würde? Egal ob Regen oder Sonne, die Stimmung passt immer. So auch am 27. und 28. Juni 2014. An diesen Tagen verwandelte sich der Flugplatz Montabaur wieder zu einem Eiland partywütiger Musikfans, die sich von Klängen wie denen von The Black Daliah Murder, Walls Of Jericho, Ignite, Atlas Losing Grip, Eskimo Callboy und Skatelegende Bam Margera berieseln ließen und das Airfield in eine fantastische Partyhölle verwandelten.
Auch als lokal Ansässiger, mit Live-Wettervorhersage via Fensterausblick, startet der Festivaltag etwas später. Tümmeln sich viele noch beim Grillen und Fassanstechen am Zelt, so geht nichts ohne ein gemütliches Vorglühen im heimischen Hinterhof – immerhin gehört die richtige „Vorbereitung“ zum A und O eines jeden anständigen Festivalgängers. Nicht wahr? Gesagt, getan. Immerhin bieten die 3 Mair1-Bühnen auch zu späterer Festivalstunde noch genügend Partypotential. Das erste Highlight, gleichzeitig der Festivalstart stellen The Bones dar. Die schwedischen Rockabilly-Punker sind immer wieder gern gesehene Gäste in Montabaur und wissen, wie sie die anwesenden Festivalbesucher anzuheizen haben. Trotz kleiner technischer Probleme steckt die Stimmung der Musiker schnell auch das Publikum an. Als die Stimmung eigentlich nicht mehr besser hatte werden können, mussten die Schweden dann schon wieder die Bühne räumen. Schade, denn mit der Musik von The Bones lässt es sich wirklich gut abfeiern. Dies ist dennoch kein Grund zur Traurigkeit, denn dank der beiden parallel aufgebauten Main- und EMP-Stage und dem knackig aufeinander abgestimmten Timetable bekommt man auch dieses Jahr keine Chance in lethargische Traurigkeit zu verfallen. Bury Tomorrow sorgten dann an diesem Tag für die ersten Runden Circle Pit und die obligatorische Wall Of Death – sehr zur Freude der Fans.
Aber irgendwie scheint dieser Auftritt so gar nicht nach dem Geschmack von Wettermann Petrus gewesen zu sein, denn fast pünktlich zum Auftrittsende öffnen die Himmelspforten ihre Tore und ein leichter, aber stetiger Regen setzt ein. „Auch egal“ denken sich viele und lassen sich von ein paar nassen Klamotten nicht die Stimmung verderben, zumal nun auch der Auftritt von The Black Dahlia Murder anstand – seit einem Wacken Auftritt eine meiner heimlichen Helden. Die US-Musiker sorgten vom ersten Takt an für eine mordsmäßige Stimmung, die sich auch vom stärker werdenden Regen nicht trüben ließ. Gott sei Dank hatten die Mair1 Veranstalter durch die Wetterkapriolen der Vorjahre dazugelernt und den gesamten Bereich vor den Hauptbühnen mit Kunstrasen bedeckt. Somit wurde das gepflegte Abrocken nicht mehr von Matschbergen behindert. Skindred durften im Anschluss als erste auch mal wieder von etwas trockenerem Wetter profitieren. Das Publikum dankte es den Jungs aus Newport und ihrem eher metallastigen Punk-Rap-Sound mit frenetischem Jubel und wilden Tanzeinlagen.
Das Frauen durchaus zum starken Geschlecht dazuzählen bewies im Anschluss Candace, die Frontfrau von Walls Of Jericho. Und an dieser Frau kommt man einfach nicht vorbei. Nicht nur ihre äußere Erscheinung lässt einen fasziniert am Bühnenrand stehen. Wie ein Wirbelwind saust die Amerikanerin über die Bühne und verwandelt die Fläche davor in einen wahren Vorhof der Partyhölle, aus der es einfach kein Entrinnen gibt. Zwei Fans verirren sich vor lauter Begeisterung auch noch auf der Bühne, was nicht nur die Security in Atem hielt. Professionell wie Walls Of Jericho nun einmal sind, werden beide dann aber wieder mit einem Lächeln wieder ins Publikum verabschiedet. Einen weiteren Schreckmoment verbreiteten dann im Anschluss Ignite, denn statt backstage abzuhängen, standen die Musiker irgendwo bei Frankfurt samt Equipment und mit Panne auf einem Parkplatz. Zugegeben, das wäre mal eine abgefahrene Konzertlocation gewesen, aber sicherlich so nicht geplant. Dank dem großartigen Einsatz der Veranstalter, deren Freunde, als auch anderer anwesenden Bands gelang es dennoch, den Gig planmäßig stattfinden zu lassen. Nach all dieser Aufregung tat allesn etwas Ruhe gut. So kamen die Klänge von Ignite auch gar nicht schlecht an. Man konnte nach den heißen Tanzeinlagen von vorher mal wieder etwas entspannen, sein Bierchen genießen oder sich etwas zur Stärkung gönnen – wovon es auf dem Gelände reichlich gab. Nur einen Dönerstand schienen viele der jungen Partygänger zu vermissen. Dabei bot der Festivalground genug leckere Alternativen – im Zweifel auch in flüssiger Form im Ü18 Bereich, der eigentlich in Ficken-Ground hätte umbenannt werden müssen, stieg dort heimlich eine weitere heiße Party.
Gut gestärkt und gespannt wie ein Flitzebogen ging es dann zum Highlight vieler direkt ran an die Bühne: Die US-Jackass-Legende Bam Margera betrat fast schon heroisch samt Band und Ehefrau die Bühne, um das Publikum zum Abfeiern zu animieren. Teilweise gelang ihm dies auch wirklich gut. Allerdings muss man auch ganz ehrlich eingestehen, dass Bam einfach kein waschechter Musiker ist – was man auch stellenweise immer merkt. Ohne die volle Unterstützung seiner Band und den diversen, nicht immer ganz jugendfreien Tanzeinlagen seiner Frau, wäre der Gig wohl eher im Bereich „geht so“ einzuordnen. Aber was soll’s. Was nicht lustig ist, wird sich einfach schön gesoffen. Oder so. Den Abschluss des Tages machten dann Flogging Molly – das komplette Gegenteil dessen, was man bisher so auf die Ohren bekommen hat. Wettermann Petrus dankte den musikalischen Wechsel mit gewittrigen Einlagen, was leider viele Festivalbesucher dazu bewegte, sich gen Zelt bzw. Heim zu bewegen. Wer es aber auf dem Festivalgelände aushielt, der wurde irgendwann mit trockenem Wetter und jede Menge irischer Folkrock-Songs besänftigt, die einen durchaus standesgemäßen Tagesausklang zuließen. Wem der Tag auf dem Festivalgelände noch zu wenig Party war, der feierte im Anschluss bis in die frühen Morgenstunden in der lokalen Aftershowlocation „Im Ählchen“ weiter.
Ich weiß nicht, ob mir einfach nur das Gewitter des Vorabends zu Kopf gestiegen ist, oder ob der Partyabstecher in den Ü18 Bereich dran schuld war, jedenfalls konnte mich selbst das sonnige Wetter am Samstagmorgen nicht so recht dazu bewegen auf Touren zu kommen. Ich hoffe es lag nicht an meiner Katerstimmung, dass sich das Wetter beim erneuten Betreten des Festivalgeländes eher in eine winterliche Nassoase verwandelte. Statt kühlem Bier zog es die Mehrheit der jetzt schon anwesenden Festivalgänger nach durchregneter Nacht zum Kaffeestand. Und irgendwie wirkte das ganze Airfield inklusive Campingplatz schon leicht ausgedünnt. Anscheinend hatten viele nicht mit dem doch so regnerischen Wetter gerechnet und aus Mangel an trockener Bekleidung bzw. Behausung frühzeitig den Heimweg angetreten.
Die erste Band des meinigen Festivaltages sind dann The Eternal Story. Ab und an scheint es sich ja auch mal auszuzahlen, wenn man aus der Region kommt, denn die Musiker brachten gleich einen Schwung Fans mit zu ihrem Auftritt. Gut so, denn ansonsten hätte man sich auf dem Festivalgelände doch etwas verloren gefühlt. So langsam füllt sich der Platz vor den Hauptbühnen aber doch. Viele wollten sich regentauglich ausgestattet dann doch nicht den Auftritt von Atlas Losing Grip entgehen lassen. So kam es auch zu einigen mutigen Crowdsurf-Versuchen. Das nicht nur das Publikum spontan sein kann, bewiesen die Mach1 Macher im Anschluss. Statt der eigentlich eingeplanten Heart In Hand standen nun Heart Of A Coward auf der Bühne. Naja okay, der Name klingt ja auch fast gleich. Das hatte sich sicherlich auch der Veranstalter gedacht und den Jungs, die wegen einer Autopanne nicht rechtzeitig zu ihrem Auftritt da sein konnten, so noch eine Chance für ihren Auftritt eingeräumt. Doof nur, dass das dem Publikum sogar nicht mitgeteilt wurde. Trotz all der Spontanität lieferten die Musiker einen wahrlich professionellen Gig ab. Hut ab dafür.
Auch wenn das Wochenende irgendwie nur so von Autopannen, Regenschauern und neu arrangierten Timetables gespickt war, so muss man hier und jetzt wirklich mal lobend erwähnen, dass es manchen Musikern auf gut Deutsch mal scheiß egal ist ob sie krank sind oder nicht. A Traitor Like Judas Frontmann Jasper ist genau so einer. Trotz Auftrittverbots des Arztes stand der Sänger gut gelaunt auf der Bühne und rockte was das Zeug hielt. Von Krankheit war wirklich gar nix zu spüren. Die Fans dankten das Engagement der Musiker mit lautem Mitgröhlen und ganz, ganz viel Partystimmung – trotz strömendem Regen. Nach diesem Hammergig musste ich mich allerdings erst einmal in trockenere Gefilde verziehen. Irgendwann straft eine leidenschaftliche Festivalgängerin wie mich sogar mal das voranschreitende Alter und zwingt mich zu einer Pause samt diversen Heißgetränken. Aber gut, dass man selbst aus dem VIP-Bereich noch genug vom Festival mitbekommt. So entgeht mir natürlich auch nicht der Auftritt von Thy Art Is Murder. Irgendwie finde ich es dann aber auch extrem beruhigend, dass selbst der Frontmann der Band die meiste Zeit des Auftritts in Jacke eingemümmelt auf der Bühne steht. Da soll nochmal einer sagen, nur die Sommer in England wären verregnet und kalt. Oh nein, Deutschland, oder besser gesagt Montabaur, schien da an diesem Wochenende voll mithalten zu können. Die wummernden Klänge von Thy Art Is Murder bekommt man auf jeden Fall bis in den VIP-Bereich mit. Vielleicht liegt es aber auch an den frenetisch abfeiernden Fans, dass in mir so langsam wieder die alte Partystimmung hochkocht. Ohne mit dem Fuß mit zu wippen halte ich es jedenfalls während des gesamten Auftritts nicht aus. Etwas entspannter geht das im Anschluss bei Emmure zu. Und trotzdem überbietet sich das Publikum mit Crowdsurfing, Circlepits und wilder Partystimmung. So sehen wohl wahre Fans aus, die sich trotz Regen die Stimmung nicht vermiesen lassen.
Wer bei Eskimo Callboy nicht mitfeiert ist wohl selber dran schuld. Egal ob man sie mag oder nicht, die Jungs schaffen es jede Crowd an den Rand des Siedepunkts zu treiben. Und auch heute war die Show wieder Bombe. Und das die Eskimo Callboy Frontmänner ein wenig crazy sind beweisen sie am heutigen Tag mal wieder völligst spontan bei einer Duscheinlage auf der Bühne. Das zur Erfrischung bereit gestellte Wasser funktionieren Sushi und Kevin mal eben flott zum Duschequipment um. Coole Sache. Aber auch musikalisch zünden die Musiker wieder ein Partyhighlight, das ehrlich niemanden kalt gelassen hat. Kaum war der Gig beendet ertönten auch schon die ersten Klänge von der Nachbarbühne. Das war das Zeichen für den lang erwarteten Silverstein Auftritt. Trotz diverser frühzeitiger Festivalabreisenden war es vor der Bühne noch mehr als gut gefüllt und die Fans sorgten mit chorartigen Gesängen immer wieder für Entzückung in den Gesichtern der Musiker. Vor dem Headliner des Tages stand noch der Gig von Comback Kid an. Zugegeben, für mich war der Tag nach Silverstein eigentlich schon gelaufen. Total durchgefroren versuchte ich aber tapfer durchzuhalten. Und vielen weiblichen Festivalgängern schien es ähnlich zu ergehen – jedenfalls wenn man in ihre Gesichter blickte. Comeback Kid rockten auch noch einmal anständig ab, was das Publikum nicht zuletzt mit Circlepits frenetisch zum Ausdruck brachte. Bei Hatebreed fällt mir immer das Jahr ein, indem es die Ficken-Stand-Premiere auf dem Mair1 gab. Damals wollten die Festivalgänger einfach nicht akzeptieren, dass das Festival vorüber war und ließen im Ü18 Bereich noch eine so wilde Party steigen, dass es Hatebreed erstaunt aus dem Backstage-Bereich lockte. Die Musiker, die die damals Anwesenden als „Fucking insane“ betitelten, schienen in diesem Jahr eine ähnliche Stimmung auf das Publikum übertragen zu wollen. Einige Fans durften am Ende sogar mit Hatebreed zusammen die Bühne rocken, was schlussendlich für einen wahrlich tollen Ausklang eines tollen Partywochenendes sorgte.
Auch wenn das Mair1 2014 im Vergleich zu den Vorjahren etwas zurückhaltender und weniger attraktiv bestückt war, so war es dennoch was die Partystimmung anging eines der Besten. Selten haben so viele Leute gemeinsam einem so bescheidenen Wetter getrotzt. Der Dank gilt da nicht zuletzt auch den Bands, als auch dem Veranstalterteam, die wirklich alles Menschenmögliche getan haben, um das etwas katastrophenbehaftete Wochenende zu retten. Jetzt kann man nur noch hoffen, dass es 2015 endlich wieder Sonne satt gibt. Verdient wäre es auf jeden Fall.
Kitty N., 25.05.2015
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