Konzertbericht

The Delgados

Hörschäden und Glückshormone

Köln / Gebäude 9
05.12.2004

Wo steht eigentlich geschrieben, dass bei Konzerten eine Lautstärke herrschen sollte, die an eine Körperverletzung grenzt? Das Kölner Gebäude 9 war schon einige Male Schauplatz von Konzerten, bei denen die immense Lautstärke den Zuhörern den Spaß verdorben hat. So wurde denn die Vorfreude auf einen der seltenen Gastbesuche der Delgados in Deutschland ein wenig durch die Angst vor Ohr- und Gehirnblutungen gedämpft.

Kaum stand die Vorgruppe Cass McCombs aus London auf der Bühne, fühlte man sich auch schon in seinen schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Besonders in den hohen Tonlagen verspürte man kaum mehr als bloßen Schmerz – jedenfalls keinen Hörgenuss. Auch musikalisch verhielten sich Cass McCombs mit ihrer wenig inspirierten Brit-Rock Version sehr unauffällig und so weinte wohl keiner Tränen, als die Band zugunsten der Delgados die Bühne räumte.

Welche Überraschung, fast ein Wunder vollzog sich nun! Nach anfänglichen Schwankungen bei der Lautstärke während des Openers „I Fought The Angels“, ist der Sound bereits bei „American Trilogy“ geradezu perfekt. Druckvoll und klar wirkte der Klang, so dass auch die oftmals versteckten Details der Stücke gut zur Geltung kamen. Spätestens beim dritten Stück „The Light Before We Land“ offenbarte sich dann die ganze Größe dieser Band: ein perfekt inszeniertes Wechselspiel zwischen orchestraler Opulenz, lupenreinen Pop-Songs und filigranen, ruhigen Tönen. Emotionale Tiefe und Schwermut gefolgt von grenzenlosem Optimismus. Alun Woodward und Emma Pollock teilen sich ihre Arbeit wie Geschwister. Hübsch der Reihe nach, darf jeder jeweils einen seiner Songs präsentieren. Als Pollock mit „Come Undone“ den Aufbruch in die Depression einläutete, folgte ihr Woodward mit „The Drowning Years“ nur allzu gerne nach. Erstaunt rieb sich mancher Zuhörer dann die Augen, als die Band sich nur wenige Minuten später mit Songs wie „Everybody Come Down“ oder „Coming In From The Cold“ in reinstem Pop erging.

Bei alledem gab Bassist Stewart Henderson den Pausenclown, steuerte eine lustige Anekdote nach der anderen bei und übt schließlich gar böse Kulturschelte. So musste das Publikum sich massive Vorwürfe dafür gefallen lassen, dass David Hasselhoff in Deutschland so populär sei. Ein anderes Mal begründete er die langjährige Abstinenz der Delgados auf deutschen Bühnen mit einem polizeilichen Platzverweis, den sich die Band in Deutschland eingefangen hatte, als ihr Busfahrer den Tourbus grob verkehrswidrig für die Dauer einer Nacht auf Straßenbahnschienen abstellte.

Dabei bedurfte es derlei Albernheiten doch gar nicht. Spätestens als Woodward bei „All You Need Is Hate“ – einem Song in reinster Beatles-Manier – „Come on hate yourself, everyone here does, so just enjoy yourself“ sang, kam auch der letzte Zuschauer nicht umhin, richtig fies zu grinsen. Viel zu schnell zieht das Programm an diesem Abend vorbei. Nach dem energischen „Now And Forever“ ist erst einmal Schluss. Tobender Applaus führte die Band natürlich noch einmal zurück für akustische Versionen von „Get Action!“ und „Keep On Breathing“.

Und als die Band mit dem grandiosen „No Danger“ den Abend dann endgültig beschließt, fühlt man sich dann vollends euphorisch und würde fortan am liebsten nur noch über Felder und Wiesen springen und die Kühe herzen – wenn die Jahreszeit es nur zuließe. Was bleibt davon also im Winter übrig? Die nun zur Gewissheit gereifte Erkenntnis, dass man dieser Band einen Heiratsantrag machen muss.

Martin Baum11.12.2004

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