Konzertbericht

Enter Shikari

Enter Shikari und die Krise Europas

München, Muffathalle
09.02.2015

Während Enter Shikari am neuen Album „The Mindsweep“ schrieben, verbreiteten sich täglich neue Hiobsbotschaften der Krise Europas in den Medien. In Griechenland, Italien und Spanien ist die Jugendarbeitslosigkeit so hoch wie nie zuvor. Experten bemängeln, dass sich dort kein breiter Widerstand der Jugend organisiert. Auch in Deutschland steht die Jugend am Pranger, der politisches Desinteresse vorgeworfen wird. Trotz des eingeführten Mindestlohns kann die Generation Praktikum von einem besseren Leben nur träumen, doch die Proteste halten sich bislang in Grenzen. Gegen diese Zustände wollen Enter Shikari an diesem Montagabend in der Münchner Muffathalle ankämpfen. Vier Albumanläufe brauchten die Briten um auf dieser „Mindsweep“ – Tour zum ersten Mal in aller Deutlichkeit ihre Botschaft an die Jugend Europas zu verbreiten: „Wehrt euch und erhebt euch!“

Das Konzert beginnt mit dem Opener „The Appeal & the Mindsweep I” und der allerersten Zeile: „This is an appeal to the struggling and striving stakeholders of this planet, this floating rock we call Earth.” Wohl waren Enter Shikari schon immer für ihre gesellschaftskritischen und politischen Texte bekannt, aber noch nie standen die Texte auf einer Tour derart im Vordergrund. Konzentriert und begleitet von gleißenden Scheinwerfern starten die Briten durch. Auf den Punkt bringen Enter Shikari die von ihnen verachtete gleichgültige Haltung im Song “Juggernauts”: „We’ll do what we’ve always done. Shut our eyes and hope for the best.”

Auf der Setlist befindet sich eine überzeugende Verknüpfung sämtlicher und vor allem textlich wichtiger Enter Shikari-Songs der vergangenen Jahre. Zum Opfer fallen dabei einige der alten Klassiker. Erstaunlicherweise steht vom ersten Album „Take To The Skies“ nur „Mothership“ auf der Setlist. Dementsprechend gibt es heute auch kein „Sorry You’re Not A Winner“ – bei der Hitbandbreite, die Enter Shikari mittlerweile ihr eigen nennen, ist das zu verschmerzen. Es scheint, als wollten Enter Shikari auf dieser Tour auch bei der Songauswahl den Schwerpunkt auf ihre politische Botschaft lenken. Im Song „Destabilise“ singt Sänger„Rou“ Reynolds voller Inbrunst: “No one owns us, We've all inherited this world, We need to fucking erupt! Cos this earth is ours.”

Neben den Protestaufrufen zeigen Enter Shikari, dass ihre Songs ein breites Themenspektrum abdecken. In „The Last Garrison“ versinnbildlichen Enter Shikari in drastischen Bildern den in Großbritannien immer noch sehr präsenten ersten Weltkrieg. „Anaesthetist“ nimmt sich dagegen das britische Gesundheitssystem zur Brust. Enorm vielfältig präsentiert sich die Band und zwar nicht nur musikalisch, sondern ganz explizit auch textlich. Zwar wird die Botschaft nicht durch Ansagen zwischen den Songs verdeutlicht, so viel Interpretationsvermögen und Englischkenntnisse setzen Enter Shikari bei ihren Hörern schon voraus. Wer allerdings eher auf Party beim Konzert aus ist, der darf sich an den zahlreichen Circle Pits beteiligen, die munter durch die Muffathalle kreisen. Den Rest wollen Enter Shikari kitzeln.

Diese Stimmung setzt sich weiter fort im Song “Never let go of the Microscope“ und der Kernzeile des Songs, die es gleich auf neu gedruckte Enter Shikari-T-Shirts geschafft hat: “We swear allegiance to no one!”. Im Song appellieren Enter Shikari an die Veränderung und sehen Hoffnung am Horizont: „The Seasons are changing“. Moshpit jagt auf Moshpit, mal ist Sänger Roughton „Rou“ Reynolds mitten in der Halle mit dem Mikro unterwegs, mal Gitarrist Liam „Rory“ Clewlow. So bleibt garantiert kein T-Shirt trocken und als Enter Shikari zur letzten Zugabe bitten, perlt bereits der Schweiß von der Bühnendecke.

An diesem Abend beschließt „Sssnakepit“ ein beeindruckendes Konzert der Briten. Was noch fehlt? Das traditionelle „And still we will be here. Standing like Statues“ vielleicht. Dafür singen die Fans diese Zeilen noch lange, nachdem Enter Shikari die Bühne verlassen haben.

Michael Hellstern, 11.02.2015

TRACKLIST