Konzertbericht

Element of Crime - Und..  Eben.  Ein Liederabend.

Element of Crime

Und.. Eben. Ein Liederabend.

Offenbach
18.03.2006

Offenbach. SCS. Ich kannte natürlich Herrn Lehmann, hatte mich ausgiebig in der neuen Vahr Süd rumgetrieben, doch es ist schon eine Weile her, dass der Himmel mal irgendwems Augenfarbe trug.
Geht ja auch schlecht, bei Braun.
Sagte ich mir und quetschte mich in die verhalten angeregte Menge der Enddreissiger plus, für die Sven Regener und seine verwegenen Bardenbrüder so etwas wie die Jünger der Melancholie als Religion sind.

Ich habe keine Vorurteile und wenn doch, dann sind es wenige:
LiveKonzerte zeichnen sich durch jene Übersprungshandlungen aus, die als Fanhysterie getarnt über die Diskrepanz zwischen Heimaufnahme und just ablaufender Bühnendarbietung hinweghören lassen.
Und alle Männer die Trompete spielen, sind irgendwie wie Stephan Mross, irgendwie zu weich (höre ich später Michaela sagen).
Und eigentlich gucken immer alle nur auf den Sänger. Zu Recht.

Der kernt in der ersten viertel Stunde alle Hits, auf die ich heimlich gewartet hatte. Mit der dann voll wiedergegebenen neuen Platte aber entkernt er das Kuschelpublikum. Seine Stimme klarer als auf Ex-Vinyl (geläufig unter Maxell oder Tevion) zwischen Samson und dem Synchronator von Jack Nicholson. Nein, da ist er schon unvergleichlich, auch Christian Brückner braucht kein Gesicht um bekannt zu bleiben. Die Masse ist leicht wogend, aber jeder nur für sich. Maximal mit Ehepartner, für die Generation, in der man noch offiziell „ja“ zueinander sagte. Es ist ein Liederabend im besten Sinne des Geschmacks. Keine Gegenwehr, die sich sammelt und an ihm reiben kann. Hier ist Andacht.

Doch hat Element of Crime ein Gesicht, das schönste von allen Nasen, die da oben zimmern, vor allem er hat wohl das zweite: es ist dies seine erstaunliche Lässigkeit und jetzt weiss man, warum lässig von lassen kommt: nämlich sein lassen. Sich, die anderen oder einfach den Sport.

In Delmenhorst, wo es eben kein niederes Tier interessiert, ob man solchen treibt der eben nicht, kann nochmal ausgemacht werden, welcher Dialektik Element of Crime folgt. Nach innen wie nach außen: Baby Melancholie ist der Mittelpunkt der Welt. Sie macht, dass es sich weiter dreht und wir mit ihr. Obwohl uns keiner gefragt hat. Dann aber im entscheidenden Moment die Zeitlupe einschalten und nicht mehr denken. Oder ganz viel auf einmal. Was dann passiert ist Legion: „Und siehst dahin wo ich auf keinen Fall bin„ - „...um da zu sein, wo Du nicht bist: und das ist“ – wir passieren das Ortsschild –„ Delmenhorst.“

So wie Regener bekannt gibt, dass sie ja keine Autorenfilmer seien und ruhig mal was von anderen Bands spielen könnten (wer kennt die Beatles?), kann man auch mal eine schon kitschige Zeile eines Fremdbandliedes anführen: „with or without you, I can’t live.“ würde auf Deutsch womöglich noch schlimmer klingen (weshalb der german turn der EoC bei diesen Themen nochmals beachtlicher wird), trifft es inhaltlich aber trotzdem: man kann nicht zueinander kommen und wenn doch, dann das auch bleiben. Und das ist La misère du monde. Die darin angesprochene Armut ist hier die der Worte und Gefühle. Wenn die Zuhörer über eines nicht verfügen, dann über einen Mangel an Empathie. Mag man ihnen zunächst wenig Ausdruck von Begeisterung vorwerfen: sie alle haben anderes hinter sich, verstehen die Momente, in den Fortlaufen nicht mehr hilft. Weils auch nicht mehr geht. Und hören es von Sven auf den Punkt gebracht. Eine Trompete hat noch nie so viel zur Klarheit des Tons beigetragen wie hier. Und der macht bekanntlich die Musik. Selten pustet jemand auf deutsch soviel Weltenwahrheit herbei, die auszusprechen sich niemand traut. Oder es einfach nicht so schön kann. Zu Recht schaut man Sven Regener an.

Es wurde spekuliert, ob soviel Melancholie überhaupt in ein Menschenleben passt. Dabei ist das egal. Was zählt ist die Wahl der Waffen und das war am Anfang. Sven Regener eint unter seinem Gesicht das der Elemente, damit das Wort mit dem Ton und schließlich die Anhängerschar mit dem Prediger.

Darf man sich in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit eigentlich erlauben, Einkehr zu halten? Worte hin und her zu wenden wie kein Landschaftsgärtner das Heu? Unaufgeregt im Zug den „Spiegel“ nicht aufzublättern und die Neurosen vorbeirauschen zu sehen?
Nur bei regelmäßiger Übung solcher Lässigkeit kann man den Bandabgang nach 75 Minuten belächeln, wissend, die Jungs kommen noch vier mal wieder.

Von Vorurteilen eins behaltend, sitz ich im Zug nach Delmenhorst.

Sarah Schneider04.04.2006

TRACKLIST

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