Interview
Wednesday 13
Interview mit Piggy
Im Vorhof des Kölner Undergrounds trafen wir uns mit einem übermüdeten Piggy (seines Zeichens Gitarrist bei Wednesday13) auf einen kleinen Plausch. Zunächst nicht sehr redselig schien der Kaffee nach der zweiten Frage doch noch seine Wirkung zu entfalten.
Bizarre-Radio: Auf "Transylvania 90210: Songs Of The Death, Dying And The Dead" hat Wednesday, mit Ausnahme der Drums, alle Instrumente selbst aufgenommen. Hat Ghastly die Drums eingespielt?
Piggy: Jipp.
B-R: Als ihr in die Band eingetreten seid waren die Songs ja schon alle geschrieben. Wie habt ihr euch gefühlt nicht in der Lage gewesen zu sein Einfluss auf die Songs zu nehmen?
Piggy: Ähm, ein bisschen komisch. Ich bin es gewohnt Dingen meine persönliche Note zu verleihen. Und das habe ich bei den Liedern die wir live spielen auch getan. Egal ob das jetzt Drag Queens, Murderdolls, oder Wednesday13 Songs waren. Wenn man die Lieder oft spielt spielt, werden sie ein wenig bastardisiert. Dann kommen da kleine Stellen rein, die auf der Platte nicht zu hören sind; zum Beispiel setz ich bei bestimmten Teilen mehr Akzente oder verbessere die Harmonie ein wenig. Auf der Tour spielen wir schon neue Stücke, eines davon ist "Haddenfield". Dabei konnte ich meine eigenen Teile einbauen. Wednesday hatte die Akkorde, die Lyrics und die Melodie und dann konnte ich meinen eigenen Gitarrenpart zusammenbasteln. Das hat sehr viel spaß gemacht. Das war um genau zu sein das erste Mal, dass ein Stück von allen Bandmitgliedern geschrieben wurde, und das ist gerade mal ein paar Monate her!
B-R: Also werdet ihr in Zukunft eindeutig mehr Einfluss auf das Songwriting haben?
Piggy: Ich denke schon. Aber alles beginnt und endet mit Wednesday! Es ist seine Vision, sein Traum und wir haben schon Glück genug dass er uns überhaupt darin aufgenommen hat!
B-R: Werdet ihr denn einen neuen stilistischen Einfluss mitbringen? Bisher klang ja alles immer sehr gleich.
Piggy: Nun, ich bin was das angeht etwas anders als die anderen. Ich höre ganz unterschiedliche Musik und meine Spielweise ist von der Musik mit der ich aufgewachsen bin beeinflusst. Deshalb denke ich, dass es sich schon ein wenig anders anhören wird nur weil ich eine andere Sorte Gitarrist bin als Wednesday es ist. Wir haben verdammt viel gemeinsam, deshalb verstehen wir uns ja auch so gut, aber wenn es ums schreiben und spielen geht sind wir sehr unterschiedlich.
B-R: Es wird oft der Vergleich gezogen zwischen Wednesday13's und Alice Cooper's Gesang. 13 klinge zum Beispiel in "Haunt Me" wie Alice. Des Weiteren werden auch die Ramones und Rob Zombie als Haupteinfluss genannt. Wie siehst du das?
Piggy: Ja, alle drei! Das sind drei große Einflüsse die für uns alle gelten! Besonders Wednesday und ich sind tierische Ramones Fans. Wir spielen sogar Motörhead's R.A.M.O.N.E.S. auf dieser Tour, was die Ramones ja auch gecovert haben. Und Alice ist natürlich der Grund weswegen wir überhaupt hier sind. And Zombie ist ja eigentlich mehr so eine Update-Version von Alice. Wir haben von allen dreien stilistisch etwas übernommen. Wir spielen unsere Gitarren wie Johnny Ramone, wir singen darüber tote Weiber zu ficken wie Rob Zombie im Stil von Alice Cooper!
B-R: Wo genau liegen denn deine weiteren Einflüsse?
Piggy: Meine Einflüsse? Oh. (überlegt) Wir sind alle auch noch große Johnny Cash Fans. Wir lieben ihn, meine erste Platte war eine Johnny Cash Livealbum. Ich war damals eigentlich ziemlich verwirrt was Musik anbelangt. Ich mochte und mag einfach alles! Ich bin ein großer Massive Attack Fan, ich liebe Southern Rock! Brother Cane zum Beispiel, Damon Johnson ist einer meiner favorisierten Gitarristen und er spielt momentan bei Alice Cooper. Ich liebe auch noch Bauhaus, Echo & The Bunnymen, Killing Joke, einfach alles!
B-R: Habt ihr je darüber nachgedacht Johnny Cash zu covern?
Piggy: Glen Danzig hat mal einen Song mit dem Titel "13" für Johnny Cash geschrieben und das benutzen wir als Sample in unserer Show. Und wir haben schon darüber nachgedacht das zu covern. Wir haben sogar darüber nachgedacht einen Song von Johnny selber zu covern, aber das ist solch heiliger Boden! Man covert Johnny Cash nicht einfach so, es sei denn man hat eine gute Rechtfertigung. Man will ja nicht respektlos ihm gegenüber sein!
B-R: Nun, stört es euch denn nicht nur die Liveband zu sein? Oder entwickelt ihr euch zu einer richtigen Band?
Piggy: Ja, so fing es an, aber als wir im September nach Australien gingen waren nur wir vier unterwegs mit unserer Crew. Niemand sonst war dabei, kein Manager, keine Frauen und keine Freundinnen. So wurden wir zu einer Band. Und jetzt sind wir so eng befreundet wie vier Kerle nur befreundet sein können ohne sich gegenseitig zu ficken! Das ist großartig! Und es gibt einen Unterschied zwischen ficken und Liebe machen. Früher haben wir auf der Bühne nur rumgefickt. Und jetzt, jetzt machen wir Liebe!
B-R: Also hat es euch früher auf der Bühne nicht so viel Spaß gemacht wie jetzt?
Piggy: Oh ja! Ich hab jetzt zehnmal soviel Spaß auf der Bühne. Wir fühlen diese Harmonie zwischen uns und albern rum und machen unsere Späße mit den anderen. Gestern zum Beispiel hab ich so 35 Pleks gegen Ghastly's Kopf gepfeffert während er gespielt hat. Solche Albernheiten halt. Das hilft uns unsere Zeit auf der Bühne noch mehr zu genießen.
B-R: Wie sieht denn euer Tourleben aus? 13 liebt ja Horrorfilme, was magst du?
Piggy: Horrorfilme sind sogar der Grund weshalb wir uns kennen gelernt haben! 2003 waren wir in Donnington und ich spielte in einer Band namens Amen. Wir haben die Murderdolls supported und wir haben unser Set überzogen. Also hab ich nach den Jungs gesucht um mich bei ihnen zu entschuldigen, da sie ihr Set nun um eine halbe Stunde kürzen mussten. Ich hatte ein "Return Of The Living Dead" Shirt an und Wednesday meinte "Hey, das Shirt ist genial! Wo hast du das her?" Wir haben uns dann später stundenlang über Horrorfilme unterhalten. Wir sind absolute Horror-Freaks! Kid Kid, Wednesday und ich können jeden Dialog aus jedem Halloween Teil an jeder Stelle rezitieren! Das könnten wir den ganzen Tag machen! Wednesday und Kid mögen lieber die Streifen aus den 80ern und ein wenig aus den 70ern. Ich steh mehr auf die Splatterfilme und ich mag die alten italienischen Sachen sehr. Mario Bava's (italien. Horrorregisseur) Filme zum Beispiel, "Black Sabbath", "Black Sunday", "Horror Hotel", und so weiter. Ich mag aber nicht nur die Klassiker, sondern auch die richtig richtig unheimlichen und schaurigen Filme.
B-R: Ich nehme mal an, dass du von den modernen Filmen eher auf die japanischen und französischen Undergroundfilme stehst oder?
Piggy: Yeah! Exakt! Aber ich geh trotzdem in alle Filme rein. Wenn im Kino ein Horrorfilm läuft muss es schon mit dem Teufel zugehen wenn ich ihn mir nicht ansehe. Auch wenn ich ganz genau weiß wie idiotisch es ist 10 Dollar zu zahlen nur um den Film zu sehen und dann zu sagen "Oh, der war aber Scheiße!". Es ist das Kind in mir das nicht nein sagen kann. Aber ich mag die alten Sachen am liebsten. Definitiv.
B-R: Wo wir gerade bei Horrorfilmen sind. Wednesday's Spitzname kommt von Wednesday von den Munsters und ihrer Adresse, 1313 Mockingbird Lande. Wo kommen eure Spitznamen her? Was steckt hiner Kid Kid, Ghastly und Pig?
Piggy: Ich kann nicht wirklich für Kid Kid und Ghastly sprechen. Ok, ich weiß dass Kid Kid eine Story hat. Er ist ein alter käsiger Glamrocktyp. Und da gab es irgendeinen Kerl in irgendeiner Band wo Kid Kid seinen Namen her hat, aber an mehr erinner ich mich nicht. Ich mach immer nur meine Witzchen. Kid Kid ist bei den Frauen sehr beliebt, also witzel ich immer, dass Kid Kid rückwärts geschrieben Dik Dik ergibt und ausgesprochen ergibt es Dick Dick. Und demnach muss Kid Kid's Dick so groß sein, dass er ihn gleich doppelt erwähnen muss. Naja, das ist mein kleiner Witz. Was Pig anbelangt; ich wurde so getauft als ich 15 war. Die erste Band mit der ich tourte nannte sich Spunk. Wir tourten durch ganz Texas und deshalb musste ich mehrmals die Schule sausen lassen. Nun, ich war 10 Jahre jünger als alle anderen und sie nannten mich das kleine Ferkel. Das war ne ordentliche Hardcore Punk Band und jede Nacht nahmen sie einen Edding und schrieben "Piggling" auf meine Brust und trieben ihre Streiche mit mir. Und dieser Name blieb einfach an mir haften und da wir ja alle ein bisschen verrückt sind macht das auch nichts aus. Und man kann den Namen gut verkaufen. Wie wär's mit Piggy D.? Sollte ich jemals eine Rap-Platte aufnehmen hab ich ja zumindest schon mal einen Namen dafür (lacht).
B-R: Weißt du denn was in Zukunft aus den Murderdolls wird? Hat Wednesday nach dem Rauswurf von Tripp Eisen irgendwas erwähnt?
Piggy: Um ehrlich zu sein glaube ich nicht, dass sich da in naher Zukunft etwas tun wird. Joey hat so viel zu tun und Wednesday arbeitet wirklich mit vollem Einsatz an seiner Band, er steht wie unter Strom! Ich glaube nicht, dass er sich zweiteilen kann. Ich behaupte ja nicht, dass nie wieder was aus den Murderdolls werden würde, das wird schon irgendwann passieren. Vielleicht in über einem Jahr? Es würde halt nur jeden dazu zwingen mit dem abzubrechen woran er gerade arbeitet. Und wir sind auf Tour, haben unseren Spaß und denken nicht daran aufzuhören!
B-R: Seine erste Band, die Frankenstein Drag Queens From Planet 13 haben letztens drei Shows in ihrer Heimatstadt gespielt. Wird es weitere Shows geben?
Piggy: Nein, aber es kommt bald ein Drag Queens Boxset raus mit Neuveröffentlichungen und allem was dazu gehört. Das ist wirklich cool! Aber irgendwas Neues? Nein, keine Ahnung, sorry.
B-R: Wie sieht's denn mit euch aus? Es wird ja gemunkelt, dass 13 über 100 Songs geschrieben hat.
Piggy: Das ist wahr! Er hat vor kurzem angefangen sie uns vorzuspielen und das was ich gehört habe ist wirklich gut. Der Vibe in der Band ist momentan sehr Rock'n'Roll, sehr punkig und dreckig. "Haddenfield" ist ein guter Hinweis darauf wohin wir gehen werden. Es hat einen gewissen Social Distortion touch. Ich wünschte ich hätte eine Kristallkugel aus der ich ablesen könnte wie es sich anhören wird, aber es wird sich auf jeden Fall ein wenig ändern wenn jeder an den Songs mitarbeitet.
B-R: Habt ihr sonst irgendwelche Pläne für die nächste Zeit?
Piggy: Wir wollen unbedingt weiter touren nächstes Jahr. Es gibt noch einige Orte wo wir noch nicht gespielt haben. In den Staaten haben wir noch gar nicht im Süden und Westen gespielt. Wir haben nur ein wenig die Westküste im Vorprogramm von Alice Cooper abgeklappert bevor wir hierher kamen. Es gibt also noch einiges zu tun. Dann kommt demnächst die Single zu "Bad Things" raus. Und das Video dazu natürlich auch. Das Video ist total lustig! Es ist so ähnlich wie Bon Jovi's "Wanted Dead Or Alive" Video, schwarz-weiß Tourmaterial halt. Man hat das Gefühl eines Livevideos obwohl es gar keines ist. Es ist zwar Livematerial, aber es zeigt nur was für Knallköpfe wir sind. Eigentlich ist es schon mehr ein Jackass schwarz-weiß Video (lacht). Es ist wirklich lustig und es wird den Leuten die uns nicht begreifen können zeigen, dass wir doch nur ein Bündel alberner Vögel sind. Nach dem Dreh und in den Tourpausen macht jeder sein eigenes Ding. Kid Kid hat seine eigene Karriere abseits der Band, ich auch und Wednesday macht jeden verdammten Tag Millionen von Dingen, egal ob er jetzt am Drag Queens Boxset oder an unserem Merchandising arbeitet. Wir sind also alle sehr beschäftigt.
B-R: Dieses Jahr habt ihr bei Rock am Ring gespielt. Wie war das?
Piggy: Das hat uns echt umgehauen! Es ist solch ein geiles Gefühl, das fährt dir sofort in den Schwanz! Es ist so als würdest du die heißeste Stripperin der Welt beobachten, aber du bekommst keinen Strip zu sehen! Du gehst auf die Bühne für 30 Minuten und du hast die Zeit deines Lebens und auf einmal denkst du dir "Das war's? Schon vorbei?". Wenn du auf diesen Shows blinzelst verpasst du die ganze Show. Ich mag eine ausverkaufte voll gepackte Clubshow. Keine Barrikaden, die Kids direkt vor der Bühne, die Luft ist verschwitzt, es ist heiß, genial! Da komm ich erst so richtig in Fahrt!
B-R: Also, pro Clubgigs?
Piggy: Yeah! Das ist viel intimer! Die Zuschauer können sehen was du machst und du kannst sehen wie sie abgehen. Da sind keine dicken Gräben dazwischen und keiner muss die Show über Leinwände am Ende der Arena oder am Ende des Feldes verfolgen.
B-R: Wie ist es denn auf Festivals oder bei Cooper im Vorprogramm zu spielen wo euch kaum jemand kennt?
Piggy: Oh, man muss echt schnell und hart arbeiten in der halben Stunde die man da hat. Auf der Cooper Tour hatten wir 40 Minuten zur Verfügung. Und seine Fans sind ja überwiegend ältere Leute die aber wiederum ihre Kinder mitbringen um Alice live zu erleben. Also wollten wir zumindest die Kids für uns gewinnen die uns ja auch kaum kennen. Aber am Ende des Sets standen die Alten da und klatschten und jubelten! Und wir haben Picks nach ihnen geworfen, haben uns also so verhalten wie wir nun mal sind: dämlich. Und nach den Shows bekamen wir immer wieder Aussagen wie "Ich habe noch nie von euch gehört, ihr seid großartig!" zu hören. Ich mein, wir haben uns ja auch nicht verstellt und wir tragen unsere Cooper Einflüsse auf unseren Shirts. Das war alles ehrlich und kein einschleimen bei den Fans. Ich trug immer mein altes Tourshirt welches ich auf einer Tour 1988 gekauft habe. Es ist schon total verwaschen und fällt bald auseinander. Es war mal schwarz und mittlerweile ist es schon fast weiß vom vielen waschen, kannst du dir das vorstellen? Das hat irgendwie die Brücke über den Generationengraben geschlagen, das war echt ein tolles Gefühl. Es war aber auch eher eine Ausnahme, auf den Festivals ist es ja nicht so. Die Leute kommen um Slayer zu sehen, oder sie kommen um Moby zu sehen, oder die Black-Eyed Peas oder The Hives oder Mötley Crüe, oder wen auch immer. Alles großartige Künstler, ich liebe sie, keine Frage. Aber für uns ist es da schwer. Wir müssen die Leute zumindest unterhalten und sie nicht langweilig. Wir müssen ihnen etwas geben!
B-R: Na da bin ich ja mal gespannt was ihr uns heute abend geben werdet.
Piggy: Die geballte Ladung Sex und Rock'n'Roll!
B-R: Wunderbar! Vielen Dank für das Interview!
Piggy: Kein Problem man, pass auf dich auf!
Interview führte Kaan Karaismail
Thomas Hammermann, 29.11.2005
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