Interview
Project Pitchfork
Von der Philosophie der Elektromusik
Sie sind schon seit 20 Jahren im Geschäft und kein bisschen ruhiger geworden. Die Rede ist von den düsteren Elektromusikern Project Pitchfork. Bei ihren Songs bedienen sich Frontmann und Sänger Peter Spilles und die Keyboarder Dirk Scheuber und Jürgen Jansen immer wieder gerne philosophischen Aspekten. Auch das aktuelle Album „Dream, Tiresias!“ deutet wieder auf einen mythisch-philosophischen Hintergrund.
Von März bis Mai 2009 haben sich Project Pitchfork samt neuem Album und einer Menge Klassiker im Gepäck wieder auf Clubtour begeben. Bizarre Radio traf sich mit Frontmann Peter Spilles kurz vor dem Gig am 25. April in der Factory Magdeburg.
BR: Erst einmal ganz lieben Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst um Bizarre Radio Rede und Antwort zu stehen. Wie war denn bisher so euer Tag? Was habt ihr denn heute schon alles angestellt?
Peter Spilles (Project Pitchfork): Heute? Puh. Um 10.30 Uhr in Rostock aufgewacht. Da war es noch relativ frisch an der Küste. Und dann haben wir den ganzen Tag auf der Autobahn verbracht, was gegessen und nachher baden wir hier noch mit Heavy-Current im Whirlpool.
Bizarre Radio: Das wollte ich euch auch noch fragen, ob ihr denn schon entdeckt habt.
Peter Spilles (Project Pitchfork): Den haben wir doch eingeweiht als der neu war. (lacht)
BR: Euer aktuelles Album heißt ja „Dream, Tiresias!“. Wie war denn das Feedback bisher so?
Peter Spilles (Project Pitchfork): Bisher sehr gut. Also wirklich sehr, sehr gut. Auch live kam das bisher sehr gut an, auch wenn wir davon noch nicht allzu viel auf der Tour spielen.
BR: Der Albumtitel gibt ja schon einen kleinen Hinweis auf die Mythologie. Wie seid ihr denn darauf gekommen? Was verbirgt sich dahinter bzw. spielt ihr gerne mit Mythen?
Peter Spilles (Project Pitchfork): Nachdem das Album fertig war habe ich eben mal überlegt wie man das Teil nennen kann. Wir haben auch immer den Anspruch was Passendes zur Musik zu finden. Das ist eben wie beim Kind. Es ist da und man überlegt wie es heißen soll. Und mir lief damals auf einmal diese Mythe des Tiresias über den Weg und das war es. In unserer Zeit heute ist es ja so, dass man ja bei vielem nicht sagt „Ich weiß“ sondern eben „Träum“. Das passt auch zur heutigen Mentalität wo man mal ein Horoskop liest und so Sachen. Ich dachte einfach es passt. Der Hintergrund der Figur sieht ja auch so aus, dass es mal für 7 Jahre eine Frau war, dann wieder auftaucht und in der Hölle auf Dante trifft. Irgendwie fand ich das sehr interessant. Einfach eine witzige Figur. Witzig im Sinne von reizvoll und tiefgründig. So was mag ich eben.
BR: Ihr habt ja bisher immer wieder gerne mit den unterschiedlichsten Sounds gearbeitet. Auf „Dream, Tiresias!“ scheint es ja aber fast so zu sein, dass ihr euch wieder auf den ursprünglichen Projct Pitchfork Sound zurück besonnen habt. Täuscht das nur oder versteckt sich auch hier eine neue Klangwelt dahinter?
Peter Spilles (Project Pitchfork): Für mich ist das keine neue Klangwelt. Musik wird ja immer sehr selektiv wahrgenommen, wie auch von Dir. Das „rockige“ wurde uns ja durch das Album „Kaskade“ zugetragen, wo genau 3 Songs mit Rockelementen arbeiten. Der Rest ist sehr elektronisch und wurde von den Medienvertretern so nicht wahrgenommen. Was auf jeden Fall anders ist wie bei den letzten 3 Alben ist, dass ich alles allein gemacht habe. Das hat sich aber einfach so ergeben, dass ich mich hingesetzt habe und Songs geschrieben habe. Wir setzen uns da nicht so unter Druck. Später kamen dann Scheubi und Jürgen dazu und wir haben alles fertig gestellt.
BR: Und woher nimmst Du die Inspirationen für eure Songtexte?
Peter Spilles (Project Pitchfork): Von ganz vielem. Besonders aber vom Leben. Ich gehe dann auch mal gerne in eine Nationalgalerie und schau mir Bilder an und lasse mich davon inspirieren. Zu sehen, dass Leute wie Goya gelebt haben oder auch Hieronymus Bosch, ist toll zu sehen. Das steht im totalen Kontrast zu den Kirchenmalereien. Und bei Goya ist dann auch noch eine politische Message mit dabei. Und so was finde ich eben sehr schön und ich ziehe mir da vieles raus. Ich bin wohl auch so ein Träumer. Und Musik ist ja auch nichts anderes wie Kunst. Leider beschränken sich die Medien auf vieles, was man leicht vermarkten kann. Im Untergrund geht dann vieles Gutes verloren.
BR: Das Cover zu „Dream, Tiresias!“ wirkt ja düster und ein wenig gruselig. Wann und wie ist es entstanden bzw. was stellt es dar? Habt ihr nicht mal Lust da auch in Zukunft mit Farben zu spielen?
Peter Spilles (Project Pitchfork): Nein, denn wir sind Gothic. Das ist die Gothic-Szene. Für mich ist die Farbe schwarz die, die alles zulässt. Ich identifiziere mich damit. Schwarz ist auch die Farbe der Szene und auch selbst da gibt es doch Farbnuancen und –tupfer. Ich habe z.B. einen bunten Fleck im Gesicht, Scheubi einen Strich – das ist doch Farbe. Das Cover ist dann beim Silent-View Couple in deren Keller vor unserem Gig im letzten Jahr in Dresden entstanden. War ein cooles Shooting was uns viel Spaß gemacht hat.
BR: In der Presse wird eure neue Single „Feel“ ja schon als neue Clubhymne präsentiert. Was haltet ihr denn davon?
Peter Spilles (Project Pitchfork): Mh, auf Grund meiner Erfahrung bin ich da relativ entspannt und weiß, dass eine „zelebrierte“ Clubhymne in 3 Jahren was ganz anderes sein kann. Ich bin da zu erfahren um mich da jetzt schon festzulegen. DJs bekommen da ja so Stimmzettel und müssen abstimmen was sie derzeit toll finden. Ist also nicht unbedingt beachtenswert wie man so was darstellt. Es kommt da ja auch immer auf den Club drauf an. In Hamburg spielen die z.B. nie Project Pitchfork.
BR: Musikpiraterie hat in den letzten Jahren ja sehr stark zugenommen. Was haltet ihr als Künstler vom Internet als Plattform zur Vermarktung von Musik? Hat der physische Datenträger ausgedient?
Peter Spilles (Project Pitchfork): Mag die Zukunft sein. Als Musiker muss man sich den Gegebenheiten anpassen. Im Vergleich zu den 90ern legt man ja heute viel mehr wert auf Live-Gigs. Unsere Gigs sollen ja der Sage nach immer schon sehr energetisch gewesen sein. Man nimmt da also immer was mit. Und wenn ich Musik gut finde, dann möchte ich auch zu Hause was Physisches da haben. Wenn sich nun das Internet durchsetzt, dann bleibt leider das Graphische komplett außen vor. Eine mp3 ist leider ziemlich anonym und man verpasst schnell die Message einer Band. Aber das ist wohl der Preis der Moderne.
BR: Welche Musik läuft denn derzeit in euren CD-Playern?
Peter Spilles (Project Pitchfork): Oh Gott. Das ist ganz unterschiedlich. Innerhalb der Band haben wir ganz unterschiedliche Geschmäcker. Da kann mal Tito & Tarantula dabei sein, Carsten hört mal Folk, Country und Goth-Country, Dirk hört ziemlich viel Britpop. Ich bin eigentlich der Einzige der rein Electronic bevorzugt, so was wie z.B. Combichrist ist einfach zuviel.
BR: So, kommen wir doch mal zu meiner Lieblingsfrage mit der ich sicherlich jeden Musiker/jede Band nerven muss. Ihr werdet ja immer wieder von Journalisten mit Fragen gelöchert. Gibt es da eine Frage, die ihr schon nicht mehr hören könnt?
Peter Spilles (Project Pitchfork): (lacht) Nö, eigentlich nicht. Obwohl, dieses frei schweben lassen ist was Komisches. Aber da unterscheiden sich Onliner und Print-Magazine komplett. Aber zumeist macht man die Interviews in so entspannten Situationen wie jetzt. Und da nervt eigentlich nix.
BR: Was war eigentlich das Verrückteste was ihr bisher in eurem Leben gemacht habt?
Peter Spilles (Project Pitchfork): Ganz klar, Musiker zu sein. Das ist eine niemals aufhörende Verrücktheit. Was wir da schon so gesehen haben ist voll der Hammer. Alleine wenn man ins Ausland fährt, bekommt man die Mentalität da ja voll mit. Diese Welt ist schon verrückt. Das lasse ich auch immer in meine Texte mit einfließen. Das ist auch in der schwarzen Szene ein verbreitetes Phänomen, das man egal wo auf der Welt wie z.B. Mexiko in einen Club gehen kann wo diese Musik gespielt wird und da herrschen die gleichen Regeln wie hier. Man trifft einfach Leute, es ist gechillt und es gibt keine Schlägereien. Irgendwann kommt immer einer an und bietet einem eine Matratze an zum pennen. Das ist bei Banker mal nicht so. Geh mal zu einem Bankertreffen und frag da jemanden ob Du bei dem pennen kannst.
BR: Was war eigentlich das Verrückteste was euch auf einem Gig passiert ist und ihr da heute noch dran denken müsst?
Peter Spilles (Project Pitchfork): Da gibt es sooo viele Sachen. Wenn man im Rahmen eines Konzertes in einem Museumsdorf übernachten muss, dann hört sich das schon komisch an. Wenn nun aber dieses Dorf aus 1670 ist, wo die Klos im Hof stehen, es gibt kein fließend Wasser sondern nur an einer Quelle und das noch arschkalt. Ja ne, das ist super. Ich glaube wir müssen mal einen Project Pitchfork Film machen. Da könnte man soviel unterbringen und von berichten. Da gab es so viele unglaubliche Sachen, bei denen man als Normalo die Kinnlade runterhängen lassen würde. Wir sind aber voll dankbar für alles was wir erlebt haben.
BR: Was darf bei euch bei keiner Tour/keinem Gig im Gepäck fehlen?
Peter Spilles (Project Pitchfork): Die Bühnenklamotten. Wir haben da ja Klamotten an, die wir jeden Tag anziehen und die nach so einem Gig recht nass sind. Scheubis Hose hängt ja auch grad da drüben. Und genug Ersatzunterwäsche und Socken. Das ist wichtig. Aber da hat jeder seine eigenen Techniken was er wie mitnimmt. Wenn da was fehlt bekomme ich eine Krise. Aber ist mir auch schon mal passiert.
BR: Gleich geht es ja ab auf die Bühne. Seid ihr eigentlich immer noch sehr nervös vor euren Auftritten? Wenn ja womit bekämpft ihr die Nervosität?
Peter Spilles (Project Pitchfork): Du, ich und Dirk, wir sind die Nervösesten überhaupt. Das geht schon 2 Wochen vorher los. Da bekommt man Adrenalinschübe und Unsicherheitsgedanken. Aber das brauchen wir auch. Heavy-Current sind da ein wenig ruhiger. Die sehen das als Party. Aber das war bei uns schon immer so, wo wir auch in den kleineren Clubs gespielt haben.
Und in einem hat Peter Spilles dann tatsächlich Wort gehalten – der spätere Gig in der Factory Magdeburg wurde zu einer wahrlich schweiß treibenden Veranstaltung, sowohl für Band als auch fürs Publikum. Neben einigen neuen Songs spielten Project Pitchfork viele ihrer Klassiker und brachten damit die Anwesenden in Wallung. Tanzend, johlend und sich vollends der Musik hingebend, trieben die Zuschauer von einem wohligen Schauer zum Nächsten. Selten hat man gesehen, dass eine Band es vermochte, seine Fans binnen weniger Minuten so in den Bann zu ziehen. Ein wirklich großartiger Event mit einer wirklich mehr wie sympathischen Band, die damit wohl das Klischee von bösen, satanistisch-angehauchten Gothics keineswegs unterstrichen, sondern regelrecht widerlegt haben.
Kitty N., 24.05.2009
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