Interview

The Cinematics - Die Schottische Charmeoffensive

The Cinematics

Die Schottische Charmeoffensive

Beim Betreten des kleinen Backstageraums im Atomic Café fühlt man sich sofort wohl. Sänger Scott springt von seinem Platz zur Begrüßung auf und setzt das wohl breiteste Schön-dass-du-hier-bist-Lächeln der Welt auf, seine Bandkollegen tun es ihm gleich. Alles andere wäre unhöflich und das liegt nun wirklich nicht in ihrer Art.

Scott ist in Plauderstimmung. Zum Einstieg gibt er eine Anekdote vom gestrigen Konzert in Freiburg zum Besten. Eine junge Frau beschuldigte die Band ihr ihre Geldbörse gestohlen zu haben und benahm sich reichlich undamenhaft dabei. Wen genau sie geschlagen hat und warum, darauf können sich Scott und Ross dann zwar nicht mehr einigen, aber schon mal ein schöner Anfang und ein Hinweis auf den bandinternen Humor.

Dieser spiegelt sich schon ein Stück weit in der Biografie der Band wieder. Man erfährt nicht wirklich viel über sie aber eine Menge über die schottischen Highlands. Die Schuld dafür nimmt Bassist Adam auf sich. „Ich fand es witzig das so zu schreiben.“ Und Scott führt darauf hin wohl so ziemlich jedes Kindheits- und Jugendtrauma das Adam dazu bewegt haben könnte an. Darunter auf das Aufscheuchen von Vögeln während der Jagdsaison. „Es ist einfach ziemlich ländlich da. Aber den Job hat jetzt ein anderer.“ Und somit orientierte man sich bei den Cinematics um vom Jagdgehilfen zum Rockmusiker.

Eine wirklich spannende Gründungsgeschichte, wie viele andere Vertreter des Genres, haben die vier Herren, die heute alle ihren Hauptwohnsitz in Glasgow haben, aber nicht. Scott und Drummer Ross kennen sich noch aus der Grundschule und die anderen stießen später dazu. Sowieso schenkt Scott den meisten Bandursprungsgeschichten wenig glauben. Augenzwinkernd erklärt er: „Die meisten erfinden irgendwas. Ich sag es dir. Diese Geschichte von Paul McCartney über die Beatles... kompletter Schrott. Er hat einfach gesagt: `Das ist ein guter Name.` und das war’s. Menschen lügen.“.

BR: Manchmal sind Lügen einfach interessanter als die Wahrheit.

Scott & Ross (fast synchron): Genau. Verdirb eine gute Geschichte nicht mit der Wahrheit. (allgemeines Gelächter)

Auch ein gewisser Realitätsverlust der mit dem Tourleben einhergeht wird von Scott mehr als Segen betrachtet als als Fluch. „Wenn man sehr lang auf Tour ist, ist man irgendwie abgeschnitten von der Gesellschaft. Du lebst in einer Fantasiewelt aus Trinken und Essen.“

BR: Menschen bedienen dich die ganze Zeit.

Scott: Ja, es ist wirklich guter Spaß. Es wird nur schwierig wenn du wieder nach Hause kommst. Du warst so lange auf Tour und bist komplett raus aus dem Geschehen. Deine Freunde haben sich weiterbewegt, sind vielleicht sogar umgezogen. Aber es ist Spaß. Wir waren letztes Jahr für drei Monate in Amerika...

BR: Ja ich habe das Video von euch bei Wendys auf Youtube gesehen. Schon etwas seltsam.

Scott: Ja ich weiß. Ich kann nicht mal genau sagen warum es überhaupt dort ist.

BR: Ich war auch verwundert. Eigentlich seit nur ihr zu sehen, wie ihr versucht etwas zu bestellen.

Scott: Es ist auch nicht wirklich witzig. Wir sind nur wirklich betrunken.

Zum Thema Alkohol fällt dann auch ein, dass die Band im Rahmen eines Wettbewerbs, welcher von einen großen Spirituosenproduzenten gesponsert wird, antreten wird. Über die direkten Gegner Moneybrother und Eskobar hat man sich auch schon informiert.

Scott: Wir haben sie uns angehört. Sie sind nicht wirklich groß in Großbritannien. Sie klingen echt gut, aber doch sehr anders als wir ...poppiger und cleaner. Wir haben mehr Kanten und Rock. Es wird sicher toll. Und es werden größer Shows sein.

Adam: Bis vor ein paar Wochen wussten wir ja gar nicht, dass es ein Wettbewerb ist.

Scott: Wettbewerbe sind uns eigentlich ziemlich egal.

BR: Ihr wisst schon, dass falls ihr gewinnt ihr noch eine weiter Show spielen müsst?

Scott: Müssen wir? Das wusste ich nicht. ... Ich bezweifle dass wir es bis ins Finale schaffen werden, aber wer weiß.

In ihren Zeitplan würde es den Schotten sicherlich nicht sonderlich gut passen. Man hat sich vorgenommen, sich nach dieser Tour erst mal eine Auszeit zu gönnen um am Nachfolger zu „A Strange Education“ zu arbeiten.

Scott: In der Zeit vor Weihnachten hatten wir etwas Zeit um zu schreiben und Vorbereitungen zu treffen. Und wir können hoffentlich mit den Aufnahmen beginnen, wenn wir mit dieser Tour durch sind.

BR: Ramsey (der eigentliche Leadgitarrist) ist ja momentan nicht auf Tour mit euch.

Scott: Ja, er wird Vater eines ... kleinen Kindes. Offensichtlich.

BR: Also habt ihr jetzt Larry. Wie ist es für dich. Warst du schon mal Teil dieser Band?

Larry: Nein. (scherzhaft) Es ist schrecklich. Ich musste mit dem Bus kommen, während sie ein Auto hatten. Bei der Show gestern ging meine Gitarre kaputt und sie haben mich dafür verprügelt.

Scott: Ja, außerdem musste er heute morgen mein Bett machen.

BR: Es ist also nicht kompliziert?

Scott: Nein, das ist halt weil er so austauschbar ist... Das ist weil Ramsay so austauschbar ist.

Adam (laut lachend): Schreib das!

Scott: Okay, mach weiter.

Also weiter im Text „A Strange Education“ wird zwar in absehbarer Zeit vom einem hoffentlich ähnlich guten Zweitling abgelöst werden, man sollte aber trotzdem noch ein Mal darüber reden. Über die musikalischen Einflüsse, die sich auf dem Album wiederfinden sind sich die Cinematics uneins. Doch darüber das besonders „Chase“, „Ready Now“ und „Alright“ aus dem Konzept fallen herrscht Klarheit. Und genau darin sieht Scott auch den Reiz. „Einige meiner Lieblingsplatten sind ähnlich. Zum Beispiel was die Beatles damals gemacht haben. Sie fangen an mit einem Reggae-Tune und dann ist da ein Folksong und am Ende kommen sie noch mit einer Sitar um die Ecke und dann entsteht diese Magie auf dem Album.“

Generell spielt der künstlerische Ausdruck bei den Cinematics eine große Rolle. Es geht aber auch darum authentisch zu sein und eigene Gefühle wiederzuspiegeln. Auch wenn sich dabei die ein oder andere textliche Plattitüde nicht vermeiden lässt. Doch auch dafür kennt Scott eine plausible Erklärung angelehnt an poststrukturalistische Konzepte der Semantik. Er redet von Zeichensystemen und kulturell erlerntem Wissen, die als Basis unseres sprachlichen Ausdrucks dienen.

Somit ist auch hier bewiesen: die Cinematics sind smart und charmant. Ein großer Teil ihrer positiven Außenwirkung entsteht allein aus ihrem schottischen Akzent und den Rest liefert ihr typisch britischer Humor gepaart mit einem selten erreichten Level an Höflichkeit.

Angelika Möller23.02.2008

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