Interview
Tahiti 80
Tahiti 80 - Interview
Vor Tahiti 80s erstem Deutschlandkonzert in diesem Jahr, waren wir mit der französischen Band im Cooky's in Frankfurt zu einem Interview verabredet, um über die Band selbst, das aktuelle Album 'Puzzle', die anstehende Deutschlandtournee und natürlich noch vieles andere zu sprechen. Nach einem langwierigen Soundcheck und einem Viva Plus-Interview, stand der Sänger von Tahiti 80, Xavier Boyer, uns dann noch kurz vor dem Abendessen Rede und Antwort.
BR: Wo, wie und wann hast Du eigentlich die anderen Jungs von Tahiti 80 kennen gelernt?
Xavier: Wir sind Franzosen aus Rouen, einer Stadt in der Normandie. Dort trafen wir uns auf der Universität.
BR: Dann seid ihr also eine richtige Studentenband?
Xavier: Fast. Wir hingen alle in der Eingangshalle der Universität herum. Pedro und ich fingen an gemeinsam Kaffee zu trinken, und Medric war auch dort. Außerdem hörten wir alle die gleiche Art von Musik und waren gleichzeitig auch selbst Musiker. Rouen ist nicht wirklich eine große Stadt, so dass jeder jeden kennt. Dadurch hörten wir von Sylvain. Er fing als Bassist an, wurde dann aber unser Schlagzeuger. Das ist eine komplizierte Geschichte... Auf jeden Fall trafen wir uns in Rouen
BR: Wann bekamt ihr euren ersten Plattenvertrag ? Ist "Puzzle" euer erstes Album?
Xavier: Puzzle ist unser erstes Album, aber wir hatten schon eine selbst finanzierte und selbst produzierte EP herausgebracht. Das war 1996, in dem Jahr als wir alle zusammengekommen waren. Einen richtigen Plattenvertrag bekamen wir 1998. Im gleichen Jahr haben wir auch "Puzzle" aufgenommen. "Puzzle" ist also für uns schon ein sehr altes Album. Es kam 1999 in Frankreich heraus, aber erst letzten September in Deutschland.
BR: Wie war es im restlichen Europa?
Xavier: In Großbritannien hatten wir schon einige EPs veröffentlicht, aber "Puzzle" kam dort erst im Juli 2001 auf den Markt. Nicht die beste Jahrezeit, um ein Album herauszubringen. Aber das ist eine andere Geschichte. Zum Beispiel wurde "Puzzle" in Holland und Belgien schon im Januar 2000 veröffentlicht. Das war alles sehr kompliziert. Es ist schon merkwürdig, dass es in Frankreich, Belgien und Holland so früh herauskam, aber erst so spät in Deutschland, obwohl diese Länder doch gemeinsame Grenzen haben. Insgesamt brauchten wir 2-3 Jahre um das Album überall auf den Markt zu bringen.
BR: Aber der große Erfolg kam zuerst in Japan?
Xavier: Ja, genau.
BR: Der Sound von Tahiti 80 ähnelt in gewisser Weise dem der Cardigans, die ja auch ihren ersten großen Durchbruch in Japan feierten. Gibt es da Gemeinsamkeiten?
Xavier: Tore Johansson, der Produzent der Cardigans, hat unser Album abgemischt. Er steht für einen sehr speziellen Sound. Wir lieben den Sound der Cardigans, das war auch der Grund Tore Johansson zu wählen. Es stimmt, dass auch sie zuerst in Japan Erfolg hatten.
BR: Zuerst in Japan und dann in Europa. In diesem Punkt gleichen sich Eure Geschichten.
Xavier: Ja, genau, das ist die gleiche Geschichte. Obwohl ich bis jetzt nicht wusste, dass auch sie zuerst in Japan Erfolg hatten.
BR: Haben die Japaner vielleicht einen besseren Geschmack, wenn es um Popmusik geht?
Xavier: Vielleicht haben sie ein anderes Gehör. Japan ist ein sehr spezielles Land. Es leben sehr viele Leute dort, und wenn sie Popmusik mögen, dann sind sie sehr fanatisch. Sie kaufen alles. Wenn man in Japan in einen Plattenladen geht, dann findet man dort wirklich alles, alle Platten nach denen man schon ewig gesucht hat, bekommt man dort. Ich denke, das erste Mal als sie von Tahiti 80 hörten, war es einfach nur ein Import aus Frankreich. Aber wir haben dort trotzdem fast mehr Alben verkauft als in Frankreich, obwohl unser Album in Frankreich wirklich überall veröffentlicht wurde und zu haben war. Dagegen konnte man es in Japan nur in kleineren Läden kaufen. Erst später bekamen wir in Japan einen Plattenvertrag mit einem wirklich großen Label, spielten dann viele Konzerte, zu denen viele Leute kamen. Im Radio spielten sie unsere Songs auch rauf und runter. Das waren sehr gute Momente.
BR: Wie läuft es jetzt in Europa? Ich habe gehört, dass ihr in Großbritannien in bekannten Shows aufgetreten seid.
Xavier: Wir haben viele Konzerte in Großbritannien gespielt und bekamen sehr gute Kritiken. Trotzdem ist es dort schwierig. Man muss dort genauen Vorstellungen entsprechen. Das mögen wir nicht so an Großbritannien, vielleicht hätten wir unseren Haarschnitt ändern sollen, ... Wir hatten keine Lust auf dieses Spiel.
BR: Wie sieht es auf dem deutschen Markt aus? Ist es hier vielleicht etwas einfacher?
Xavier: Es ist schon lustig. Denn ich denke, dass es da Gemeinsamkeiten zwischen Deutschen und Japanern gibt. Sie mögen Popmusik und Melodien wirklich sehr. Wenn wir nach Deutschland kommen, dann fühlt es sich so an, als ob Deutsche unsere Musik besser verstehen als Briten. Wir hatten Großbritannien zwar auch gute Augenblicke, aber trotzdem gab es dort Probleme mit der Einstellung des Musikbusiness.
BR: Ihr habt auch mit der britischen Band Oasis getourt?
Xavier: Wir spielten einige Konzerte mit ihnen in Frankreich. Eigentlich sollten es mehr werden, aber es wurden dann so viele abgesagt, weil Noel und Liam Gallagher sich stritten.
BR: Eure Musik wird gerne als Indie-Pop eingestuft. Wie denkst Du darüber? Euer Label Virgin bezeichnet sie sogar als Lounge Pop.
Xavier: Ich hasse die Bezeichnung Lounge Pop. Das klingt so nach Kitsch. Auch die Bezeichnung Indie-Pop ist eigentlich zu begrenzt. Für uns ist es einfach Popmusik. Ich mag die Einstellung, die hinter dem Begriff Indie steht, nicht allzu sehr. Als Indie Band muss man darauf achten, welche Schuhe man beim Auftritt trägt, oder man muss sich den Einstellungen britischer Bands anpassen. Wir wollten Popsongs schreiben. Wir hoffen, dass sie im Radio gespielt werden im Wettbewerb mit anderer Musik.
BR: Und man sollte auch unter der Dusche zu ihnen singen können?
Xavier: Ja, natürlich. Das ist sehr wichtig. Das ist das Merkmal eines guten Songs, wenn man dazu einfach mitsingen kann unter der Dusche, im Auto oder wo auch immer.
BR: Wie steht es denn mit den unterschiedlichen Einflüssen, welche Lieblingsalben habt ihr?
Xavier: Meistens sind es Alben aus der Vergangenheit. Es ist leichter zu wissen, was man an Alben z. B. von Marvin Gaye oder 'Revolver' von den Beatles mag. Sie sind schon sehr alt, und man hatte Zeit sie lieben zu lernen. Sie stehen für einen speziellen Sound, einem speziellen Abschnitt in der Geschichte. Wir werden immer gefragt, was unser Lieblingsalbum des Jahres ist oder ähnliches. Das ist sehr schwierig. Es braucht mehr Zeit, um herauszufinden, was wirklich gut ist. Ich brauche vielleicht 3 bis 5 Jahre, um darüber wirklich etwas sagen zu können.
BR: Wie sieht es denn in der französischen Popszene aus? Gibt es da irgend etwas, was Du unseren Lesern vielleicht empfehlen könntest? Etwas, das wir in Zukunft im Auge behalten sollten?
Xavier: Es gibt sicherlich gute Bands in Frankreich, vor allem eine sehr starke elektronische Szene. Aber wir haben auch gute Popbands wie Fugu, die für einen sehr orchestralen Popsound stehen, vielleicht mehr Retro als wir. Aber alles in allem sehr gut gemachte Popsongs, das ist das wichtigste.
BR: Gibt es irgendwelche deutschen Bands, die ihr im Moment hört? Zum Beispiel Notwist?
Xavier: Notwist ist gut und Mouse on Mars auch, vor allem sind es viele elektronische Bands, aber auch ältere Sachen wie Scorpions, Nena und all das. Die deutsche Popszene ist sehr interessant und gehört wohl zu den besten im Moment. Das hört man im Moment auch überall in der Presse.
BR: Vielleicht noch einige Fragen zum Songwriting. Du schreibst alle Eure Songtexte?
Xavier: Ja.
BR: In einer Textzeile aus 'Yellow Butterfly' singst Du "I'd really like to experience something personal, something I would never hear or feel in someone else's song." Ist das der Grund für Dich Songs zu schreiben, um das auszudrücken, was sonst kein anderer für Dich ausdrücken könnte?
Xavier: Oh ja, das ist einer der Gründe. Unsere Generation ist mit so viel Musik aufgewachsen, da ist es schwierig etwas Neues zu schaffen. Im Buch "High Fidelity" hat der Typ einen Song für alle speziellen Momente in seinem Leben. Ich wollte in meinen Songs etwas Spezielles für mich schaffen, aber natürlich auch für alle anderen. Es geht uns nicht so sehr darum etwas ganz und gar Neues zu schaffen mit unserer Musik, sondern etwas wirklich Persönliches.
BR: Wie verhält es ich denn mit eurem Song "Mr Davies"? Er ist eine Anspielung auf die Davies' Brüder der Kinks. Ist der Song ironisch gemeint?
Xavier: Nein, der ist absolut ehrlich gemeint. Wir lieben die Kinks. Davies schrieb selbst viele Songs über verschiedene Charaktere und Figuren, deshalb dachte ich, dass es lustig wäre, einen Song zu schreiben, in dem er selbst eine Figur ist.
BR: Du hast erzählt, dass Du auf der Universität englische Literatur studiert hast. Ist die Beschäftigung mit Charakteren in Deinen Songs vielleicht durch die Beschäftigung mit Literatur inspiriert?
Xavier: Ja, vielleicht. Mr Davies ist einer der ältesten Songs, die ich für Tahiti 80 geschrieben habe. Viele der Songs auf 'Puzzle' sind sehr introspektiv, aber manchmal ist es gut etwas mehr zu variieren und Geschichten zu erzählen.
BR: Inwieweit beeinflussen eigentlich Literatur und Filme Eure Musik? Gibt es da überhaupt einen Einfluss?
Xavier: Ja, auf jeden Fall. Das sind alles persönliche Erfahrungen. Man kann Songs über ganz private Erlebnisse schreiben, aber auch über Filme, die man gesehen hat.
BR: Gibt es Filme, die Dich sehr inspiriert haben? Was war der letzte Film, den Du gesehen hast?
Xavier: Ich liebe vor allem alte französische Filme wie von Truffaut oder auch Godard. In letzter Zeit waren wir sehr viel beschäftigt, da bleibt eigentlich keine Zeit für Filme. Aber der letzte Film, den ich gesehen habe, war Crocodile Dundee III. Das war im Flugzeug und eigentlich ganz lustig.
BR: Ward ihr sehr beschäftigt, weil ihr die ganze Zeit getourt habt?
Xavier: Wir haben sehr viel getourt, aber seit November haben wir dann unser neues Album aufgenommen. Vor einer Woche sind wir mit den Aufnahmen fertig geworden. Wir haben also die ganze Zeit an 20 neuen Songs gearbeitet, und jetzt sind wir wieder auf Tour mit unseren alten Sachen, das ist schon etwas verrückt.
BR: Wer hat euer neues Album produziert?
Xavier: Das war wieder Andy Chase wie schon bei 'Puzzle'.
BR: Ihr ward mit ihm sehr zufrieden beim letzten Mal.
Xavier: Ja, und wir mögen ihn auch persönlich sehr gerne. Er ist ein klasse Typ. Wenn man eine solche Beziehung aufgebaut hat, dann bleibt man gerne dabei. Das war auch bei den Beatles oder Radiohead so. Die letzten drei Alben hat Radiohead immer mit dem gleichen Produzenten, Nigel Godrich, gearbeitet. Wenn es funktioniert, dann belässt man es gerne dabei.
BR: Werdet ihr euer neues Album dann auch wieder von Tore Johansson abmischen lassen?
Xavier: Das glaube ich nicht. Tore hat beim letzten Album wirklich gute Arbeit geleistet, aber wir würden es dieses Mal gerne anders machen. Das Produktionsteam wird dasselbe sein, aber Abmischen wird es jemand anderes, der vielleicht aus einer ganz anderen Richtung kommt.
BR: Wann wird das Album fertig sein?
Xavier: Das weiß ich noch nicht. Die eigentlich Idee war, es im September herauszubringen, das wäre großartig. Es steht aber noch nicht fest.
BR: Aber vorher tourt ihr noch durch Deutschland und möchtet die Leute hier auf euch aufmerksam machen?
Xavier: Deutschland ist noch ziemliches Neuland für uns. Es ist gut, wenn die Leute zu unseren Konzerten kommen. Aber danach werden wir uns erst einmal ausruhen und in den Urlaub nach Tahiti fahren.
Das breite Grinsen auf Xaviers Gesicht verriet allerdings, dass das mit dem Urlaub auf Tahiti nicht allzu ernst gemeint war. Mittlerweile klapperten auch um uns herum schon die Teller, da sich Band und Crew über ihr lang ersehntes Abendessen hermachten. Wie die Band dann mit gut gefüllten Mägen geklungen hat, lest ihr am besten im Konzertbericht aus dem Frankfurter Cooky's nach.
Madeleine Weinert, 18.02.2002
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