Interview

Standstill - Standstill - Interview

Standstill

Standstill - Interview

Standstill

BR: Wann habt ihr als Band angefangen?
STS: Die Band wurde vor über sechs Jahren gegründet, damals noch als eine dreiköpfige Gorilla Biscuits und Chain Of Strength Coverband. Aus der Zeit ist Enric allerdings der einzig Übriggebliebene. Nach einer Weile stieß Piti dazu und ein Demo Tape wurde veröffentlicht. Kurz danach entschloss sich Enric statt des Gitarre Spielens, sich dem Gesang zu widmen und Wero kam als zweiter Gitarrist hinzu. Die MCD „The Tide“ erschien daraufhin als Do-It-Yourself-Product auf dem spanischen Label „Heart in Hand“. Wiederum einige Zeit später verließen der Schlagzeuger und der Bassist die Band und wurden durch Ricky und Elias ersetzt. Von diesem Zeitpunkt an tourte die Band durch ganz Spanien und auch durch Teile Europas und veröffentlichte außerdem die LP „The Ionic Spell“ auf BCore Disc und Defiance Records. Als Wero ausstieg, kam Carlos hinzu und wir machten unsere erste lange Europa-Tour. Nach einem Split Release mit Engrave nahmen wir die zweite Full-Length „Memories Collector“, wieder bei BCore und Defiance auf, und beendeten unsere zweite Europa-Tour.

BR: Gibt es in Spanien/in eurer Heimatstadt so etwas wie eine lebendige Hardcore Szene, welche euch inspirierte diese Art von Musik zu machen?
STS: Wir selbst bezeichnen uns nicht als eine Hardcore Band, sicherlich kommen wir aber musikalisch alle aus dieser Ecke und das war wohl auch unser hauptsächlicher Einfluss. In Spanien gibt es eine sehr große Indie Szene mit hunderten interessanten Bands, und ich denke, das hat uns bewogen, das zu tun, was wir tun.

BR: Wie verläuft der Songwriting-Prozess bei Standstill? Ist das etwas Kollektives, oder gibt es einen, der besonders hervorzuheben ist?
STS: Wir diskutieren eine Menge im Proberaum und geraten sogar hin und wieder in Streitigkeiten. So entstehen unsere Songs, es gibt keinen, der den Ton angibt, sondern wir improvisieren eine Menge und dann entsteht vieles mehr oder weniger zufällig.

BR: Denkt ihr, dass Hardcore Bands ausschließlich über Politik, gesellschaftliche Probleme und die Liebe singen sollten?
STS: Selbstverständlich nicht. Jede Band sollte über das singen, worüber sie meint, singen zu müssen. Es gibt sehr viele politische Pop und Hip Hop Acts und ebenfalls reichlich Hardcore Bands mit den dümmsten Texten der Welt. Das Klischee, dass Hardcore Bands über Politik singen müssen, macht keinen Sinn, das würde alles langweilig und vorhersehbar machen. Jeder soll das machen, was er will.

BR: Kannst du einige Gruppen nennen, die du desöfteren hörst? Welche zählen zu denen, die euch beeinflusst haben?
STS: Ich kann natürlich nur für mich sprechen, da jeder von uns fünfen einen recht unterschiedlichen Musikgeschmack hat, welcher in der Summe wohl den Standstill Sound ausmacht. Wir mögen alle sehr gerne Bands, die einen einzigartigen Sound kreieren und nicht bloß andere kopieren, beispielsweise A Room With A View, Tortoise, Motorpsycho, No More Lies, Engine Down oder Monochrome.
Ansonsten fühlen wir uns nicht nur von Musik, sondern auch von Büchern, Bildern oder Filmen beeinflusst. Jede kreative Schöpfung kann dich inspirieren, deine eigene zu kreieren.

BR: Siehst du „Memories Collector“ als eine notwendige Entwicklung von Standstill?
STS: Wir entwickeln unseren Sound ständig weiter und versuchen neue Wege des Komponierens, somit ist jede Stufe eine Erweiterung unseres kreativen Spielraums. Nach dem Release von „The Ionic Spell“, war für uns klar, dass wir neue Wege gehen wollten, um uns nicht selbst einzuschränken. Deswegen benutzten wir Acoustic Sounds, elektronische Effekte, Saxophone, Trompeten, ein Xylophon und sogar einen Kontrabass bei der Produktion zu „Memories Collector“. Wir halten es für wichtig, immer wieder Neues zu probieren, Langeweile widerspricht der Kreativität.

BR: Hast du einen persönlichen Lieblingssong auf dem neuen Album?
STS: Ich bin sehr stolz auf das Album als Ganzes, ich könnte keinen Song wirklich herausheben, jedoch macht es mir besondere Freude „Two Poems“ und „Mathusalem Syndrome“ live zu spielen.

BR: Bevorzugst du das Arbeiten im Studio oder das Touren?
STS: Das sind zwei völlig verschiedene Welten, jedoch sind beide so fantastisch inspirierend. Das Touren ist was Außergewöhnliches, wegen der vielen zwischenmenschlichen Beziehungen, sogar innerhalb der Band. Wir genießen es, Leute zu treffen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Und du lernst so viel von diesen vielen verschiedenen Leuten aus Ländern der ganzen Welt. Außerdem pflegen wir auch sehr gute Beziehungen untereinander, und es ist immer toll, all diese Erfahrungen mit dem Rest der Band zu teilen. Während des Tourens herrscht zwischen uns eine viel größere Nähe, was ziemlich beeindruckend ist.
Im Studio zu sein ist ebenfalls klasse, weil es dir die Möglichkeit gibt, dich ausschließlich auf die Musik zu konzentrieren. Für die Aufnahmen zu „The Memories Collector“ gingen wir nach San Feliu, eine kleine Stadt außerhalb von Barcelona. Wir waren dort zweieinhalb Wochen und arbeiteten neun bis zehn Stunden am Tag, wobei wir alle in derselben Wohnung aßen, entspannten und schliefen. Das war eine großartige Erfahrung, 24 Stunden am Tag, alle fünf beisammen, völlig auf die Platte und das Zusammenleben fixiert...es war gefährlich für unsere mentale Stabilität, doch es hat alles wunderbar geklappt.

BR: Was die Konzerte betrifft: „Umso größer, desto besser“ oder „Umso mehr Leute, desto größer die Probleme“?
STS: Das hängt von der jeweiligen Show ab. Wenn die Leute interessiert an unserer Musik sind, ist es uns egal, ob wir vor 20 oder 500 spielen. Worauf wir Wert legen ist, dass der Sound gut ist und wir eine Wirkung bei den Leuten erzielen.

BR: Gibt es bestimmte Locations/Länder, in denen ihr besonders gerne auftretet?
STS: Nun, es gibt wirklich eine Menge Orte, in denen wir es lieben aufzutreten. San Feliu ist immer sehr nett, wie das Baskenland im sowieso im Allgemeinen zumeist. Wir haben viele gute Erinnerungen an so einige Konzerte. Dresden war immer großartig, wenn wir dort spielten, genau wie Ansbach...ach es sind so viele...zu viele, die alle zu erwähnen.

BR: Wenn ihr die Höhe der Ticketpreise selbst wählen könntet, was müsste euer Publikum dann aufbringen, um euch sehen zu können?
STS: Gute Frage, und schwer zu beantworten. Ich weiß es nicht wirklich, aber 6€ halte ich für einen angemessenen Preis.

BR: Lebt ihr ausschließlich für bzw. von
der Musik, oder habt ihr noch irgendwelche Berufe im Alltag?
STS: Im September letzten Jahres kündigten wir alle unsere Jobs, um durch Europa zu touren. Im Moment reicht es zum Überleben… Danke an die Band. Wahrscheinlich war dies der wichtigste Schritt in unserem Leben, nicht nur als Band, sondern für jeden Einzelnen. Die Entscheidung fiel uns allen nicht leicht, doch wir hatten die Möglichkeit, zwischen der finanziellen Sicherheit eines regulären Berufes und den Erfahrungen mit der Band und dem Gefühl, das zu tun, was wir wirklich in unserem Leben wollen, zu wählen. Wie man sieht, erschien uns die zweite Option als das Beste und somit kündigten wir alle unsere Jobs. Wir übten alle sehr unterschiedliche Berufe aus. Einer war Banker, ein anderer arbeitete bei Pizza Hut und auch jemand im Supermarkt.

BR: Sucht ihr euch bei einer Headliner Tour die Supports selbst aus?
STS: Nein, die werden von den Veranstaltern ausgesucht. Bands, mit denen wir gerne touren würden, wären einfach zu teuer.

BR: Seid ihr in irgendeiner Weise politisch aktiv?
STS: Nein, keiner von uns. Wir alle haben unsere Ideale, die zum Teil sehr unterschiedlich sind, und leben diese auf unsere eigene Weise.

BR: Was hältst du von der Straight Edge Lebensweise?
STS: Meiner Meinung nach ist jede Lebensauffassung, die einen glücklich macht und dabei die der anderen Menschen respektiert, eine gute. Ich habe also kein Problem damit, oder mit Leuten, die diesen Weg wählen. Mir ist es gleich, was die Leute mit ihrem Leben machen, solange sie dabei respektvoll mit ihren Mitmenschen umgehen.

BR: Was war die beste Show oder das beste Festival in deinem Leben?
STS: Hm... Ich war sehr beeindruckt, als ich die Swing Kids und Said I was vor vielen Jahren sah. Ani Difranco war auch sensationell, definitiv eines der besten Konzerte meines Lebens. Ebenso wie Less Pain Forever, mit denen wir mal zusammen spielten. Außerdem gab es noch einige Konzerte hier in Barcelona, die wirklich klasse waren.

BR: Deine Lieblings-Platte 2002?
STS: Ich denke, die zwei besten Platten dieses Jahr waren, zum einen die neue No More Lies CD und zum anderen natürlich, die neue Platte von A Room With A View. Wenn du sie nicht hast, versuche sie zu kriegen... einfach nur unglaublich diese Band.

BR: Kannst du uns einige Ziele nennen, die du in deiner musikalischen Laufbahn, sowie in deinem Leben allgemein erreichen willst?
STS: Jede Minute meines Lebens zu genießen und so viele neue Leute, sowie Orte kennenzulernen.

BR: Bist du der Meinung, dass Erfolg dein Leben verändern könnte?
STS: Das hängt davon ab, was du unter Erfolg verstehst. Für uns ist es Erfolg genug unser Leben zu leben und es, gemessen an unseren Wünschen, zu genießen, oder soviel wie möglich der Zeit mit den Leuten zu verbringen, die wir lieben. Außerdem natürlich, Musik zu schaffen, die wir mögen. Das bedeutet Erfolg für uns.
Mainstream-Erfolg, also tausende von Platten zu verkaufen und diese Dinge, machen keinen Sinn, wenn du dich nicht erfüllt damit fühlst.

BR: Gibt es neben Standstill noch irgendwelche anderen Projekte oder Aktivitäten, in die ihr involviert seid?
STS: Carlos singt und spielt Gitarre bei einer weiteren Band, die Half Foot Outside heißt.

BR: Und was können wir 2002 von Standstill ansonsten noch erwarten?
STS: Eine Band, die niemals ruhen wird! Wir werden ständig unterwegs sein, weshalb man uns also überall und jederzeit erwarten kann!

BR: Stell dir vor, du hättest drei Wünsche frei. Was wären deine dringlichsten Anliegen?
STS: Hahahahaaha, ich wünschte, ich könnte all meine anderen Wünsche geschehen lassen.

BR: Wie ist deine generelle Meinung zum Internet?
STS: Es kann wirklich aufregend sein, doch wie alles in der Welt, entweder positiv oder total destruktiv zugleich.
Es ist erstaunlich, wie leicht es ist, sich Informationen zu beschaffen, neue Dinge zu entdecken, oder auch auf neuen und guten Wegen zu kommunizieren. Doch andererseits besteht auch die Gefahr einer Isolation bezüglich sozialer Interaktionen. Also denke ich, solange man es als Mittel zum Zweck nutzt und nicht sein Leben davon abhängig macht, kann es nicht schaden, jedoch sollten wir nie die Fähigkeit verlieren, mit unseren Mitmenschen von Angesicht zu Angesicht zu kommunizieren.

BR: Okay, letzte Frage. Was fällt dir zu Napster und Konsorten ein?
STS: Oh, das ist eine schwierige Frage. Ich sehe kein Problem darin, sich Alben von Major-Label-Bands herunterzuladen, die keine Platten verkaufen müssen, um zu überleben. Doch darüber hinaus, gibt es tausende von Gruppen, die es wirklich verdienen, dass ihre Platten gekauft werden, vor allem, wenn sie davon leben müssen. Auch, um beispielsweise den Aufwand, welchen sie in die Gestaltung des Artworks gelegt haben, zu würdigen.

BR: Danke vielmals für das Gespräch und hoffe euch bald wieder zu sehen.
STS: Vielen Dank für dein Interesse, wir hoffen ebenfalls auf ein baldiges Wiedersehen.

Nico Reimer26.07.2002

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