Interview
Oomph!
Oomph! mal ganz psychologisch
Mit „Monster“ hat die Braunschweiger Goth-Rock Formation Oomph! um den charismatischen Frontmann Dero derzeit ihr aktuelles Album am Start. Kurz danach ging es auch schon auf große Tour durch Deutschland. Bei zumeist mehr wie gut gefüllten Hallen haben Oomph! dabei gezeigt, dass mehr in ihnen steckt wie nur die Band, die damals bei Stefan Raab den Bundesvision Song Contest gewonnen hat.
Bizarre Radio hat sich Oomph!-Frontmann Dero kurz vor dem Konzert in Magdeburg geschnappt, um ein wenig mehr über das Tourleben und die Beweggründe hinter der Musik zu erfahren.
Bizarre Radio: Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für das Interview genommen habt.
Dero (Oomph!): Gerne.
Bizarre Radio: Wie geht’s euch denn heute, was habt ihr heut schon gemacht?
Dero (Oomph!): Alles noch recht entspannt. Wir sind heut früh von zu Hause losgefahren, weil wir hatten ja in Braunschweig unseren ersten Auftritt und sind in dem Sinne noch gar nicht im Touralltag angekommen, das heißt wir sind noch recht frisch und guter Dinge. Irgendwann kriegt man dann so einen Tourkoller in der Mitte der Tour aber da sind wir noch weit von entfernt, von daher sind die Batterien noch relativ aufgeladen.
Bizarre Radio: Das hört man gerne. Euer aktuelles Album heißt „Monster“, um welche Art Monster geht es denn in dem Album?
Dero (Oomph!): Es geht natürlich um meine eigenen Leichen im Keller, ich reflektiere meine eigenen monströsen Abgründe meiner Persönlichkeit aber durchaus auch die monströsen Auswüchse der Gesellschaft. Ich denke, der Finanzmarkt veranschaulicht uns ganz eindrücklich, dass auch dieser ein Monster sein kann. Und auch die Medien gehen monströs mit skandalumwitterten Geschichten um. Wir alle erinnern uns ja an die Amstetten Geschichte, an den Natascha Kampusch Fall, da wurden aus Menschen ganz schnell Monstren gemacht in den Medien. Ich denke, der Titel ist recht vielseitig auslegbar aber nicht nur negativ belegt, wir wollen natürlich auch ein Monsteralbum machen als 10. Album.
Bizarre Radio: Das ist euch mit Sicherheit gelungen. Ich finde das Album zum Beispiel sehr gelungen.
Dero (Oomph!): Dankeschön.
Bizarre Radio: Wie war denn das Feedback bisher so?
Dero (Oomph!): Ich müsste lügen, wenn ich jetzt sagen würde ‚ausschließlich positiv’ denn das gibt’s ja bei keinem Album. Du hast immer Leute, denen deine Weiterentwicklung nicht gefällt. Das ist aber ganz normal. Wenn du eine Band bist, die sich, so wie wir, immer weiterentwickelt will. Aber der Grundtenor ist positiv. Von einigen habe ich sogar gehört, dass es das beste Album bisher von uns sein soll. Aber ich bewerte weder das eine noch das andere über. Wie gesagt, von einigen hab ich auch gehört, dass sie die Weiterentwicklung nicht nachvollziehen können, ihnen die Musik nicht mehr gefällt, damit können wir aber ganz gut leben. Im Grunde ist das Album denke ich so vielseitig, dass jeder irgendwas wieder finden kann, womit er sich identifizieren kann. Mann auch nicht jedes Stück auf einem Album gleich gut finden. Aber unter unseren Fans ist es sehr gut aufgenommen wurden. In den Medien hab ich sowohl extrem positive Bewertungen gelesen, als auch extremste Verrisse. Also es ist ein polarisierendes Album würde ich sagen, von ‚Himmelhoch jauchzend’ bis ‚erschütternd’ ist alles dabei.
Bizarre Radio: Aber ist das nicht auch etwas, das ihr als Musiker gern habt, dass das Album derart polarisiert?
Dero (Oomph!): Natürlich absolut. Ich möchte gar keine Musik machen, die von jedem gemocht wird. Das hat so was schlagerhaftes, Schlager möchte von jedem gemocht werden. So hört sich Schlager für mich an. Unsere Musik hat Ecken und Kanten und sie ist sehr provokativ und polarisierend und deshalb müssen wir auch damit leben, dass wir missverstanden, misinterpretiert und von vielen nicht gemocht werden. Das ist auch vollkommen ok, also ich mein entweder man liebt uns oder man hasst uns, dazwischen ist nicht viel Platz.
Bizarre Radio: Ihr habt ja vor ein paar Jahren bei Stefan Raab beim Bundesvision Songcontest mitgemacht. Wie hat sich denn seither alles für euch und eure Karriere entwickelt?
Dero (Oomph!): Wir fanden das natürlich toll, das war für uns eine Bestätigung, dass unsere Fans an uns glauben uns dass wir so hartnäckige Fans haben, die uns da durch den Voting-Contest gewinnen lassen. Aber wir waren ja auch schon vorher mit dem No 1 Hit „Augen auf!“ 2 – 3 Jahre vorher in aller Munde, von daher war das für uns nur eine Bestätigung mit der bisherigen Laufbahn. Ich mein, klar, man rechnet nie mit dem Sieg, da waren schon Namen dabei, denen hätte man das eher zugetraut aber ich denke, unsere Fans waren denke ich die treuesten, wir haben vielleicht auch den größten Fanstamm gehabt von den anwesenden Bands, vielleicht auch, weil wir die Band waren, die schon am längsten existiert hat, ja und das zahlt sich dann auch irgendwann aus, diese Hartnäckigkeit.
Bizarre Radio: Du hast eben „Augen auf!“ erwähnt und bei den Videos fällt auf, dass sie immer so etwas Schauriges bzw. Gruseliges haben. Mögt ihr denn Horrorfilme?
Dero (Oomph!): Ja, ich finde schon, dass menschliche Abgründe faszinierend sind, gebrochene Persönlichkeiten finde ich interessanter als glatt geschliffene Sonnenscheinchen. Von daher interessiert mich das privat auch mehr, ich habe auch mal Psychologie studiert und interessiere mich auch tiefer gehend für die menschliche Psyche. Auch bei Schauspielern finde ich diese am interessantesten, die eine gewisse Ambivalenz aufweisen. Und das ist bei unseren Videos auch so, wir machen uns sehr interessante Gedanken darüber, wollen immer kleine Geschichten erzählen und nicht nur eine Bands sein, die nur performt und das war’s dann. Und diese kleinen Filmchen haben immer auch diese dunklen Seiten, diesen Horror, der auch unsere Musik irgendwo birgt. Aber das ist ein subtiler Horror, kein Horror mit der Bratpfanne, es ist kein sinnloser Horror, nur um des Schockens Willen. Es gibt immer einen Hintergrund, warum wir das tun. Ich denke auch, Provokation zum reinen Selbstzweck ist langweilig, mal sollte immer einen Grund haben, warum man provoziert und das war bei uns immer so.
Bizarre Radio: Wie steht ihr denn zu Politik in der Musik? Du hast eben ja die Finanzkrise erwähnt, darf eurer Meinung nach Musik politisch sein?
Dero (Oomph!): Absolut. Unbedingt. Ich mein als Mensch ist man auch politisch, wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht und nicht ignorant veranlagt ist. Man bezieht Stellung, man sympathisiert mit Vorstellungen, mit Ideen und dementsprechend sind wir auch politische Menschen, man sollte sich nur nicht vor einen bestimmten Karren spannen lassen, denke ich. Man sollte versuchen, möglichst autark zu sein in seiner Meinungsfindung, auch innerhalb einer Band. Ich bin schon sehr der Aufklärung verbunden und sehr humanitär und freiheitlich geprägt. Und das zieht sich auch durch die Texte, ich versuche, die Leute anzuregen, selbst nachzudenken anstatt den Zeigefinger zu heben und zu sagen, ihr müsst das jetzt so oder so machen.
Bizarre Radio: Ihr arbeitet mit Künstlernamen. Wie wichtig ist euch denn eure Privatsphäre?
Dero (Oomph!): Sehr wichtig. Man muss da schon unterscheiden und man braucht auch diesen Rückzug ins Private. Ich möchte mich gar nicht dabei ertappen, zu sehr eins zu werden mit dem, was ich in meiner Musik ausleben darf. Ich bin deutlich mehr, als die Person, die ich in meiner Musik bin, obwohl die auch schon relativ vielseitig ist aber privat erweitere ich das noch einmal um etwas, das ich auch nicht gerne preisgebe. Aber ich bin durchaus noch komplexer in meiner Art zu leben. Aber um noch einmal auf die Musik zurückzukommen, ich hatte nie das Bedürfnis, die Sonnenseiten des Lebens, die ich privat sehr gern genieße, musikalisch umzusetzen. Ich finde das zwar absolut legitim, ich höre auch gern Musik, die das tut aber ich selbst hatte noch die das Bedürfnis, das musikalisch einzubauen. Es sind eher die Abgründe unserer Psyche, die wir in unserer Musik verarbeiten.
Bizarre Radio: Was war das Verrückteste, das ihr bis dato in eurem Leben gemacht habt?
Dero (Oomph!): Also es ist schon verrückt genug, zu leben, denke ich. Es gibt so viele Anekdoten, die sich durch unser Musikerleben ziehen, da würden wir morgen früh hier noch sitzen, wenn ich das alles erzählen würde. Aber es gibt sicherlich sehr viele lustige, sehr viele erschreckende, sehr viele traurige Dinge, die passiert sind. So wie es im normalen Leben ja auch nicht, da ist auch nicht immer alles eitel Sonnenschein.
Bizarre Radio: Ihr seid ja schon eine ganze Weile im Geschäft, seid ihr eigentlich immer noch nervös, wenn ihr auf die Bühne geht? Wenn ja, habt ihr über die Jahr schon ein Mittel dagegen gefunden, das euch beruhigt?
Dero (Oomph!): Auf Tour schleicht sich irgendwann so eine gewisse Routine ein, die aber positiv ist. Die Ärzte haben mal so schön gesungen ‚Du bist immer dann am besten, wenn’s dir eigentlich egal ist…’, ich glaube, da ist auch was dran. Zu nervös darf man auch nicht sein aber man ist am nervösesten, wenn man in Ländern und an Orten spielt, wo man vorher noch nie war. Aber ich schätze das eine genauso wie das andere. Also ich mag diese Tourroutine, ich mag aber auch diese Aufregung, wenn was ganz Neues passiert. Der Beruf ist ja sowieso schon abwechslungsreich genug, wir müssen Schauspieler sein, wenn es ums Video drehen geht, wir sind Produzenten, wir schreiben unsere Sachen selbst, wir mixen sie selber, wir geben Interviews, was wieder was total anderes ist, dann gehen wir auf Tour, was wieder eine komplett andere Welt ist… der Job an sich ist schon sehr abwechslungsreich und das ist ein Luxus. Und es ist auch ein Luxus, innerhalb einer Weltwirtschaftskrise touren zu können. Ich stehe immer wieder auf der Bühne und denke ‚Wow!’. Ich meine, die ganze Welt schreit ‚Wir haben Rezession!’ und der Weltwirtschaft geht’s so dreckig und wir dürfen auf der Bühne stehen, Spaß haben und es kommen noch Leute, die mit uns feiern. Das ist schon ein Luxus, den ich zu schätzen weiß und für den ich auch dankbar bin.
Bizarre Radio: Aber betriebswirtschaftlich gesehen ist das ja auch das Optimum. In so einer Lage immer noch zu feiern und Geld in die Wirtschaft zu bringen...
Dero (Oomph!): Ja, aber das ist ja nicht selbstverständlich. Ich denke an Kultur, das sieht man ja auch in der Politik, spart man immer als erstes. Denn natürlich sind erst mal das Brot und die Butter und das Getränk auf dem Tisch wichtiger als zu einem Rockkonzert zu gehen. Das kann ich auch schon nachvollziehen, deshalb würde es mich auch nicht wundern, wenn auf der Tour ein paar Leute weniger kommen, als auf den vergangenen, weil das wirtschaftlich bedingt auch nachvollziehbar ist. Trotz alledem bin ich über jeden froh, der kommt. Ich denke, Musik wird immer konsumiert werden, weil das Bedürfnis nach Musik immer da sein wird. Ich habe erst neulich gelesen, dass sich fast alle Wissenschaftler darüber einig sind, dass es Musik schon länger gibt als Sprache. Daher wird’s Musik auch immer geben, denke ich, solange es Menschen gibt und inwiefern Menschen in Zukunft noch bereit dazu sind oder in der Lage dazu sind, Geld dafür auszugeben.
Bizarre Radio: Was darf bei euch im Tourgepäck denn auf gar keinen Fall fehlen?
Dero (Oomph!): Jede Menge Medikamente. Manche haben ihren Laptop mit, jede Menge Spiele, viele haben Bücher mit… und dann kommt schon wieder der Touralltag.
Bizarre Radio: Aber ihr habt immer wieder Möglichkeiten, euch kulturell ein bisschen umzuschauen?
Dero (Oomph!): In den Städten kaum. Du schläfst lange, weil du immer erst gegen 2 Uhr ins Bett kommst, damit du die Batterien wieder auffüllen kannst, brauchst du so viel Schlaf. Das ist dann ein Kreislauf, von daher bleibt leider nicht viel Zeit, sich viel in den Städten anzuschauen. Aber wir haben natürlich auch einige eingeplante Freizeittage, die wir dann auch meist dafür nutzen.
Bizarre Radio: Gleich geht’s ja auf die Bühne. Was wird die Leute denn heut Abend erwarten?
Dero (Oomph!): Ich hoffe in erster Linie, eine glaubwürdige Präsentation unser letzten 10 Alben, wir versuchen nach wie vor nicht durch unnötige Schockelemente vom Wesentlichen in der Musik abzulenken, auch keine Las Vegas Siegfried und Roy Show. Dementsprechend wird’s die geballte Ladung Oomph! geben, Energie, die wir hoffentlich vom Publikum zurückkriegen, so dass wir uns gegenseitig hochschaukeln. Und das ist auch die größte Befriedigung, die du als Musiker haben kannst, zu sehen, dass die Energie, die du auf der Bühne gibst, aufgenommen wird, weitergegeben wird, das das Ganze zu was ganz Großem wird und eine Eigendynamik erlangt, von der es auch nach dem Konzert schwierig ist, wieder runter zu kommen. Da braucht man dann auch erst mal ein paar Stunden. Und das ist schön, das ist einfach ein Kick, den man durch nichts anderes erreichen kann und darauf freue ich mich schon.
Bizarre Radio: Hast Du noch ein letztes Statement für alle eure treuen Fans?
Dero (Oomph!): Vielen Dank für eure Treue: Vielen Dank, dass ihr unsere Wandlungsfähigkeit ausgehalten habt oder vielleicht sogar zu schätzen gelernt habt. Wir hoffen, dass ihr uns noch weiter die Treue haltet, damit wir weiterhin von unserer Musik leben können, dass das ist was, das wir zu schätzen wissen.
Bizarre Radio: Viel Glück heute Abend.
Dero (Oomph!): Dankeschön.
Kitty N., 09.12.2008
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