Interview
New Model Army
New Model Army - Erinnerungen, Emotionen und der Sinn des Lebens
Das New Model Army Musikgeschichte geschrieben haben ist wohl nicht neu. Im letzten Jahr haben sich die sympathischen Musiker mit dem Werk „High“ wieder zurück gemeldet und nutzen den Sommer 2008, nach einer langen Tour im Winter, um sich ein wenig auf verschiedenen Festivals auszutoben. Frontmann Justin Sullivan hat sich auf dem Mera Luna 2008 dazu bereit erklärt, mit Bizarre Radio ein wenig über seinen Werdegang, seine Musik und das Rockstarleben zu sprechen.
Bizarre Radio: Erst einmal vielen Dank, dass Du Dir an dem heutigen Tag die Zeit für dieses Interview genommen hast. Wie geht es euch heute so?
Justin Sullivan (New Model Army): Sehr gut. Ich muss aber eingestehen, dass ich bisher noch nicht weiter auf dem Festival war. Ich war die meiste Zeit woanders.
Bizarre Radio: Möchtest Du Dich denn hier noch ein wenig auf dem Festivalgelände umsehen oder gibt es noch Bands die dich interessieren?
Justin Sullivan (New Model Army): Na ja, vielleicht. Ich habe so was früher immer gern gemacht. Mal sehen.
Bizarre Radio: Dann lass uns doch mal auf euer aktuelles Album „High“ zu sprechen kommen. “High” wurde hier in Deutschland ja im letzten Jahr veröffentlicht und eure Fans schienen davon ja auch sehr angetan zu sein. Ich habe nun im Internet aber unterschiedliche Meinungen zu “High” im Kreise der Musikjournalisten gefunden. Wie denkt ihr da so drüber?
Justin Sullivan (New Model Army): Meiner Meinung nach sollte man sich keine Gedanken über das machen, was andere Leute denken. Ich versuche das so. Natürlich will man allen gefallen und das will ich auch. Die Leute sollen auch meine Band mögen. Aber die Leute schreiben nun mal was sie wollen. Man fängt irgendwann immer an gewisse Sachen persönlich zu nehmen. Aber ehrlich gesagt kommt die Meinung ja von den Leuten. Was auch immer sie schreiben, es wird seine Gründe haben wieso es so geschrieben wird. Das hat aber nicht wirklich was mit uns als Individuen oder Gruppe zu tun. Und wieso immer diese Diskussion um Musik. Entweder man mag sie oder eben nicht. Das ist wie mit dem Essen. Man mag Sachen eben einfach. Und wir mögen alle Sachen die eigentlich Müll sind. Es gibt da Musik, wo ich weiß, dass die einfach schlecht ist, aber ich liebe sie. Und andere Musik, die wirklich gut ist, wo ich auch verstehe wieso, die geht nicht an mich ran. So was ist eben immer sehr persönlich. Ehrlich gesagt ist Musikjournalismus eh gehaltlos.
Bizarre Radio: Das ist gar nicht mal so falsch. Aber ihr selbst seit mit eurer Arbeit zufrieden, oder?
Justin Sullivan (New Model Army): Wir haben eine Unmenge an Alben gemacht. Uns gibt es jetzt seit rund 28 Jahren. Musik wird ja immer für den Moment gemacht und wir hatten da einige großartige Momente, hatten Erfolg und Misserfolg. Aber wir haben eben immer versucht was anderes zu machen. Ich fand das gut, andere denken da anders drüber. Ich persönlich mag Carnival sehr gerne.
Bizarre Radio: Wie Du schont erwähnt hast gibt es New Model Army ja nun seit einer verdammt langen Zeit. Viele würden euch als Rock Idole bezeichnen. Fühlt ihr euch wie Musikidole?
Justin Sullivan (New Model Army): Ich fühle mich wie mich selbst. Man wechselt ja nicht mehr nach dem 6. Lebensjahr. Irgendwie fühlt man sich doch immer gleich.
Bizarre Radio: Du siehst Dich also nicht als Super-Rockstar oder so was?
Justin Sullivan (New Model Army): Wie sollte den nein Super-Rockstar aussehen?
Bizarre Radio: Für gewöhnlich wird ja ein Rockstar mit den Worten: Sex, Drogen und Rock’n’Roll beschrieben.
Justin Sullivan (New Model Army): Na ja, ich denke da gibt es schon was das mit jedem im Leben passiert – egal ob man arbeiten geht oder Musik macht. Mir ist es egal was andere über mich denken, aber anderen ist es wichtig etwas über mich zu denken. Und natürlich will man, dass die Leute dann denken man sei klug, sexy, brilliant und so was. Und dann kommt der Tag in Deinem Leben wo Du wach wirst und denkst „Weißt Du was? Mir ist alles total egal.“ Meine Familie und meine engsten Freunde sind mir sehr wichtig. Diese Beziehungen kann man kontrollieren, nicht aber den Rest der Welt. Heute ist es mir eben egal was andere über mich denken. Und wenn man zu dem Moment kommt, dann wird das Leben auch leichter und ein riesiger Ballast fällt von einem ab. Wir von New Model Army hatten da wohl irgendwie Glück. Wir hatten nie einen großen Hit, einen Top 20 Hit oder so. Wir sind also nicht gezwungen uns an einen Song und somit an eine Zeit zu binden. Wenn man jung ist und zu einem Künstler auf die Bühne hoch schaut denkt man sich immer „Wenn ich mal so wie der da oben wäre, dann wäre ich anders.“ Aber natürlich ist das nicht so. Man ist immer man selbst. Natürlich kann Erfolg verändern und manche Leute drehen dann ab, aber wir sind einfach wir geblieben.
Bizarre Radio: Gibt es denn Dinge im Leben die Dich beim Songschreiben beeinflussen?
Justin Sullivan (New Model Army): Ich liebe Musik einfach und höre auch gerne Musik. Die meisten Texte sind Geschichten die wir erzählen. Viele sagen sie hätten einen politischen Hintergrund. Aber es sind einfach Geschichten. Sicherlich machen die Sinn, aber ich schreibe nur ganz selten über mich. Wir haben mittlerweile weit mehr als 180 Songs und Songschreiber sind wie Vampire. Wenn Du jetzt mit mir weg gehen würdest und mir was erzählst, dann wird daraus vielleicht eine Story.
Bizarre Radio: Gibt es denn noch Musiker mit denen Du gerne zusammen arbeiten würdest?
Justin Sullivan (New Model Army): Oh ja, da gibt es viele. Aretha Franklin. Hätte Gott eine Stimme, dann würde die wie Aretha Franklin klingen. Eigentlich gibt es da noch eine ganze Menge Leute.
Bizarre Radio: Kommen wir doch mal zum heutigen Festival. Ich war äußerst positiv überrascht wo ich gelesen habe, dass New Model Army hier auftreten wollen. Ich hätte euch jetzt nicht wirklich zu einem Gothic-Festival zugeordnet. In wie weit fühlt ihr euch mit diesem schwarzen Lebensstil verbunden?
Justin Sullivan (New Model Army): Musikalisch hat es da einige Sachen. Aber der Lebensstil…ich bin der Meinung das es diese einfache Welt gibt. Man wird geboren, wacht dann jeden Tag auf und schaut immer wieder anders auf das was da vor einem ist. Ich habe es immer anders betrachtet, jeden Tag und verstehe daher die unterschiedlichen Lebensweisen auf dieser Welt. Immerhin waren meine Ohren auch schon damals gepierct wo es nicht alltäglich war. Dann kamen dazu noch die Klamotten und Tattoos. Die Idee, dass einem diese schnöde Alltags-Welt einfach stinkt, mag ich.
Bizarre Radio: Jetzt bin ich neugierig geworden. Wann hast Du Dich denn dann dafür entschieden Musiker zu werden und wieso?
Justin Sullivan (New Model Army): Das war Glück. Ich habe das nie für mich fest entschieden. Als ich damals in den späten 60ern als Kind aufgewachsen bin – Du musst wissen, dass ich schon sehr alt bin (grinst) – da gab es musikalisch gesehen nur zwei Seiten. Auf der einen Atlantikseite waren die Beatles und The Who, auf der anderen Motown und Soul Musik. Und dann habe ich in den 70ern gelernt wie man 4 Akkorde auf der Gitarre spielt. Ich dachte damals, dass es sehr cool sei am Lagerfeuer zu sitzen, Gitarre spielen zu können und etwas zu rauchen. Ich war aber in den 70ern nicht so wirklich verrückt nach der Musik. Damals hatte man Led Zeppelin, Black Sabbath und so was. Aber als dann Punkrock kam, fühlte ich mich sofort angesprochen. Da habe ich dann auch unseren ersten Bassisten Stuart kennen gelernt und er war ein damals schon ein kleines Genie auf dem Bass. Er war damals 16 und ich in den 20ern. Wir haben dann angefangen zusammen zu spielen und eine Band zu gründen. Er war der erste den ich kannte der Akkorde spielen konnte. Wir haben dann 3 Anläufe gebraucht bis New Model Army entstanden ist. Aber ehrlich gesagt haben wir damals mit NMA nur 2 Gigs oder so gespielt. Es war ja nur zum Spaß. Punk war ja eh so eine merkwürdige Periode in der Zeit. Es war pure Revolution. Man wollte alles zerstören, auch das bisherige Superstarsystem. Heute heißt Punkrock ja nur noch, dass man 4 Akkorde extrem schlecht spielen kann. Aber früher war das anders. Früher bedeutete Punk, dass man sich mit einem Banjo in eine Kneipe gesetzt hat, neben sich der Hund und man hat einfach Poesie gemacht. Es sollte einfach alle artistischen Barrieren zerstören. Es war wie eine kulturelle Revolution. Und so langsam wurde ich eben ein Musiker. Und am Ende kam raus, dass ich eben Songs schreiben kann. Ich bin heute sicherlich immer noch ein schlechter Musiker, aber ich kann Songs schreiben. Und so hat sich alles zusammen gefügt.
Bizarre Radio: Darf denn Deiner Meinung nach Musik politisch sein?
Justin Sullivan (New Model Army): Alles ist Folk-Musik. Folk-Musik ist für alle da, es ist Musik für das Volk. Alle können sich damit identifizieren. Es geht dabei ja auch immer nur um 4 Aspekte des Lebens: Sex und Tod, Liebe und Romantik. Dance-Musik ist nur dafür da, dass man tanzt, sich betrinkt und Drogen nimmt. Sie ist einfach nicht dafür gemacht, dass man simpel dazu hört. Es ist dann einfach langweilig. Irische Tanzmusik ist auch langweilig, es sei denn man ist betrunken und tanzt dazu. Es geht ja niemals um politische Philosophie, sondern um die Welt. Und es ist für Leute immer einfacher darüber zu singen wie sehr sie die Welt hassen. Das ist ganz einfach. Ich finde Musik kann sehr widersprüchlich sein. Schau Dir doch mal unsere Songs an. Da gibt es viele Widersprüche. Es geht doch fast immer nur um Emotionen. Man beschreibt Sachen einfach die einem gefallen. Und an anderen Tagen hasst man alles und jeden und schreibt das auch so. In der Musik gibt es auch immer die Guten und die Bösen wie z.B. Bruce Springsteen und U2 und dann Bands die immer nur über Tod, Drogen und Sex singen. Bei New Model Army ist das recht interessant, denn wir pendeln zwischen beiden Sparten hin und her. Und die Zeiten in denen man Songs schreibt sind eben mal politisch angehaucht und mal nicht. Der politische Gedanke in der Musik ist dann aber immer im Hintergrund.
Bizarre Radio: Bevor wir leider zum Ende kommen müssen würde mich noch interessieren: Ihr macht ja sicherlich viele Interviews. Gibt es da irgendwelche Interviewfragen, die Du einfach nicht mehr hören kannst?
Justin Sullivan (New Model Army): So viele Interviews machen wir gar nicht. Du bist heute die erste die zu uns kommt und dann ist da auch nur noch ein weiteres. Aber ich wüsste jetzt auch keine Frage, die mich wirklich nervt.
Bizarre Radio: Dann wünsche ich Dir und dem Rest der Band noch einen schönen Tag auf dem Mera Luna Festival 2008.
Justin Sullivan (New Model Army): Danke schön. Das wünsche ich Dir auch.
Kitty N., 15.08.2008
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