Interview
Belasco
Belasco - Interview
Als ich am 09.11. gegen 20 Uhr im o25 in Frankfurt eintrudelte, sag noch alles relativ verschlafen aus. Keine Türsteher am Eingang, und das Thekenpersonal traf auch erst so nach und nach ein. Der Club am Rande des Ostparkes in den ehemaligen Brauereigewölben hatte schon öfter zu Livemusikabenden eingeladen. Immer wieder war es gelungen noch in Deutschland relativ unbekannte internationale Gruppen neben regionalen Bands mit bereits ordentlicher Fangemeinde auftreten zu lassen. Allerdings kam mir zu Ohren, dass das o25 sich aus diesem Engagement zurückziehen wird, die heutigen Liveauftritte die letzten dieser Art sein würden. Es galt also, noch einmal die Chance wahrzunehmen, im Gewölbekeller bei lauschiger Atmosphäre (siehe Rotlicht in den Konzertfotos) die Annehmlichkeiten der o25-Bühne im großen Saal zu bewundern.
Zum Interviewtermin hatte Supermusic, das Recordlabel von Belasco, geladen. Die äußerst engagierte Tourmanagerin berichtete mir sogleich, dass die drei Mitglieder Belascos ihren Soundcheck bereits abgeschlossen hatten und somit zu meiner Verfügung stünden. Ohne Umschweife schloß ich sofort Bekanntschaft mit Bill (Schlagzeug), Duff (Bass) und Tim (Sänger, Gitarre), die sich angenhmerweise als sehr kommunikativ herausstellten, was sich bei einem Interview ja immer sehr gut macht. Deshalb kamen wir schnell zur Sache und plauderten über ihre Vergangenheit beim ihrem ersten Label Splendid Music, ihren Wechsel nach Deutschland zu Supermusic, ihr aktuelles Minialbum "Technique" und sonstige Zukunftsmusik wie z. B. dem Traum auf den großen Festivals dieser Welt zu spielen.
BR: Wie bekamt ihr euren Vertrag mit eurem ersten Label Splendid Music in Großbritannien?
Tim: Eigentlich lief das ganz normal ab. Duff war erst zu unserer Band dazugestoßen, als unser Manager mit Splendid Music Kontakt aufnahm. Die kamen dann zu einigen unserer Konzerte, sagten, dass ihnen unsere Musik gefiele, und wir gingen ins Studio.
BR: Aber es lief nicht so gut für euch bei diesem Label?
Tim: Bei der Presse hatten wir sehr viel Erfolg. Aber trotzdem verkauften wir nicht so viele Alben, wie wir gehofft hatten. Grundsätzlich lag das Problem darin, dass wir nicht im Radio gespielt wurden. Das war ein bißchen enttäuschend. Unser aktuelles Mini-Album ist jetzt in Deutschland erschienen. Das Echo der Presse war wieder gut, aber dieses Mal wird die Single auch schon mal im Radio gespielt, was klasse ist.
Duff: Auf dem ersten Album hatten wir absichtlich keine für Singleauskopplungen geeignete Songs geschrieben. Das wollten wir damals nicht. Rückblickend war das vielleicht ein Fehler.
BR: Aber in Großbritannien ist der Radiomarkt auch stark monopolisiert. Wenn man nicht auf die Playlist bei Radio 1 kommt, hat man auf dem Markt kaum Chancen.
Duff: Genau. Das ist ein Problem. Wir folgen auch kaum der Entwicklung auf dem gegenwärtigen Markt für britische Gitarrengruppen. Generell mögen wir eher mehr amerikanische Gruppen oder ältere Sachen. Diese Übermacht des Radios in der britischen Musikszene mögen wir nicht. Wahrscheinlich haben wir uns bei unserem ersten Album nicht genügend angepasst. Aber bis zu einem gewissen Maß muss man den Gesetzen des Marktes leider doch folgen, um Erfolg haben zu können.
BR: Das wollt ihr dieses Mal besser machen?
Bill: Ja, so ungefähr. Man lernt aus seinen Fehlern. Man macht es dem Markt schwer, wenn man Songs in 6-min.-Länge schreibt. Irgendwann stellt man dann fest, dass 2 min. davon eigentlich überflüssig sind und dem Song nicht wirklich etwas geben. Dann fängt man an, sich zu verbessern. Songtechnisch lernt man mit der Zeit einige neue Kniffe dazu. Die Erfahrung mit dem ersten Album war wirklich sehr frustrierend. Was hilft es einem, wenn man fast ausschließlich sehr gute Rezensionen erhält, aber das Label dich dann fragt, warum die Singles nicht im Radio laufen.
Duff: Viele Bands haben vielleicht nicht soviel gutes Material, aber sie haben eine richtig gute, taugliche Single dabei, dann können sie über diesen Erfolg auch das ganze Album verkaufen. Leuten gefällt die Single, und dann hören sie auch ins Album rein.
BR: Glaubt ihr, dass der Wechsel zu Supermusic ein guter Schritt war?
Bill: Leider wurde das Verhältnis mit Splendid unter sehr ungewöhnlichen Umständen beendet, weil der Geschäftsführer starb. Keiner wollte danach das Label übernehmen, so dass alles auseinanderfiel. Wir hatten schon einen neuen Vertrag mit Splendid wegen des zweiten Albums gemacht und wollten ins Studio, aber das konnte dann nicht mehr verwirklicht werden.
BR: Woher kommen dann die 3 neuen Songs auf eurem aktuellen Mini-Album "Technique"? Wurden die noch für Splendid aufgenommen?
Bill: Wir arbeiteten in der Übergangszeit zwischen Splendid und Supermusic kurz mit einem weiteren Label zusammen, die einen Vertrag über die Produktion einiger Songs mit uns machten. Während dieser Zeit reisten wir gleichzeitig mehrmals nach Deutschland, wo wir in Kontakt mit dem deutschen Label (Supermusic) kamen. Alles entwickelte sich langsam. Wir verglichen dann das Angebot von Supermusic mit dem des britischen Labels, was die Aufnahmezeit, das finanzielle Budget usw. betraf. Zuvor hatten wir als Band nie den Luxus gehabt, über drei, vier Wochen ein Aufnahmestudio für das Einspielen eines gesamten Albums zur Verfügung zu bekommen. Normal lief es eher so, dass du 6 Songs in 6 Tagen aufnehmen mußtest. Als wir dann nach Deutschland kamen, sagten sie: "Nehmt euch ruhig einen Monat im Studio Zeit. Dann können wir es hinterher abmischen." Ein weiterer Vorteil war auch, dass Supermusic sich nicht in die Produktion einmischte, nicht alles an sich reißen wollten, sondern wir wirklich unser Ding durchziehen konnten. Sie sagten nur, sie vertrauten uns, und wir sollten das machen, was uns gefiele. Das war unglaublich entspannend und belebend für uns. Das hat uns vom Wechsel zum deutschen Label überzeugt. Wir haben das Album fertiggestellt, und es gefiel ihnen!
BR: Mit dem "neuen Album" meinst das, welches Anfang 2003 erscheinen soll?
Bill: Ja. "Technique" ist ja eher als unsere Einführung in den deutschen Markt gedacht, als Vorbereitung auf unser nächstes (noch unbetiteltes) Album. Wenn wir noch frisch im Gedächtnis des deutschen Publikums sind, soll dann so bald wie möglich, hoffentlich im Januar, unsere erste Single vom zweiten, regulären Album herauskommen.
Duff: Dann planen wir auch eine achtwöchige Tour durch Europa in April, um das neue Album vorzustellen.
BR: Bisher habt ihr ja eher in Deutschland exzessiv getourt. Hängt das mit dem deutschen Label zusammen?
Tim: Nein, das war eher wegen unserer jetzigen Tourmanagerin Angela. Sie sah uns in London und lud uns nach Deutschland ein. Erstmal für 2,3 Tage und dann für 10, usw. Die ganze Entwicklung verdanken wir eigentlich ihr.
BR: Es ist ja eher ungewöhnlich für eine englische Band so ausgiebig in Deutschland zu touren?
Tim: Wir sind zuerst in und um London herum aufgetreten. Das ist wirklich eine aufreibende Angelegenheit. Meistens tauchen nicht viele zu den Konzerten auf, und die sind dann oft noch zu cool, um zu klatschen, wenn ihnen die Musik gefallen hat. In Deutschland ist das ganz anders. Hier kommen mehr Leute zu den Auftritten und sie zeigen direkt, wenn ihnen etwas gefällt. Das ist sehr erfrischend.
Bill: Hier ist es eher so, dass die Leute kommen und es dir überlassen, was du daraus machst. In den coolen Clubs in London ist es eher so, dass das Publikum, auch wenn es ihm gefällt, nur dann klatscht, wenn auch die richtige Zeitung gesagt hat, dass es in Ordnung ist, diese Band zu mögen. Hier in Deutschland geht man auf die Bühne, und es liegt an einem selbst, die Leute zu überzeugen, zu unterhalten. Man trifft hier auf ein ehrliches Publikum. Wenn ihnen etwas gefällt, dann gehen sie auch richtig mit. Das ist fantastisch für uns. Es kommt uns so vor, als ob wir hier die richtige Ader getroffen haben.
BR: Aber ihr hofft auch, euch auf dem britischen Markt durchzusetzen.
Bill: Unbedingt! USA, Australien, wo auch immer. Aber Deutschland ist für uns ein guter Ausgangspunkt.
Duff: Seit unserer Anfangszeit haben wir vor allem durch unsere Liveauftritte viel dazu gelernt. Unsere Musik klingt jetzt vielmehr upbeat. Es war die richtige Entscheidung zum deutschen Label zu gehen.
BR: Wie klingt denn euer neues Album? Mehr so wie eure aktuelle Singleauskopplung "15 Seconds"?
Duff: Ja. Wir klingen jetzt rockiger und positiver. Durch unsere positiven Erfahrungen in Deutschland sehen wir endlich ein Licht am Ende des Tunnels.
Tim: Außerdem ist es hilfreich, dass wir uns der Musik jetz in Vollzeit widmen können, und nicht noch nebenher arbeiten müssen. Die Tage haben wir in den letzten Monaten im Studio verbracht. Dort machen wir dann für 8 Stunden Musik, ganz konzentriert.
Bill: Bei den frühen Liveauftritten haben wir festgestellt, dass die Songs vom ersten Album nicht so richtig gut rüberkamen. Deshalb haben wir sie verändert und unsere neuen Songs spiegeln viel stärker unsere Live-Erfahrungen wider. Wir sind einfach viel rockiger, lauter und schneller geworden. Leute, die uns vom ersten Album her kennen, werden bei unseren Liveauftritten sehr überrascht sein. Die Entwicklung lief also ganz natürlich. Unsere ruhigen, langsamen Stellen sind weniger ruhig und weniger langsam geworden, wohingegen unsere flotten, rockigen Passagen viel mehr an Raum gewonnen haben. Es wird also immer noch viel von dem typischen Belasco-Sound geben, aber wir sind insgesamt roher, rockiger und moderner geworden, haben einige Grenzen durchstoßen und uns an Extreme herangewagt. Das neue Album reflektiert also mehr, wo wir wirklich heute stehen.
Duff: Außerdem sehen wir in der Zukunft auch große Festivals auf uns zu kommen... auf denen wir diesen neuen Sound vortragen können. (Das war eine der vielen Anspielungen auf den Wunsch von Belasco auch mal auf dem Bizarre-Festival auftreten zu dürfen!)
BR: Dann ist es also eines eurer gesteckten Ziele, auf den großen Festivals aufzutreten?
Bill: Auf jeden Fall. Da wollen wir hin. Die kleinen Clubs kannst du für den Rest deines Lebens spielen. Aber für uns, wie für andere Bands, ist es natürlich wichtig, unsere Musik an so viele Menschen wie möglich heranzutragen. Festivals sind dazu ideal. Dort erreicht man viel mehr Menschen und kann seinen Bekanntheitsgrad viel schneller erhöhen. Aber ganz abgesehen davon ist der Auftritt vor solchen Menschenmassen natürlich unbeschreiblich aufregend.
BR: Zum Abschluß noch die typische Frage nach eurem persönlichen Musikgeschmack. Was hört ihr so privat?
Duff: Wir hören nicht wirklich so viel von den aktuellen britischen Musiksachen. Vor allem Tim ist sehr wählerisch. Er hört generell nicht viel Musik, und wenn, dann schon eher seine Neil Young-Platten und ähnliches. Bill und ich befinden uns eher am anderen Ende des Spektrums und halten da schon eher nach neueren Entwicklungen Ausschau. Aber das ist dann alles im rockigen Bereich. Dazu gehören v. a. amerikanische Bands wie Tool und Smashing Pumpkins, die es ja leider nicht mehr gibt. Es geht dann eher in diese Richtung, auch Queens of the Stone Age. Eigentlich alles mit Gitarre und Riff.
Bill: Die Einflüsse dieser Musik auf Duff und mich treffen dann bei unserer eigenen Musikgestaltung mit denen von Tim zusammen, der zu uns mit seinen wunderschönen akkustischen, mehr traditionell ausgelegten Songs kommt. Unsere Aufgaben ist es dann dort zu intervenieren und unsere Sicht der Dinge mit einzubringen.
Im weiteren Gespräch stellte sich dann noch heraus, dass es Belasco bisher versäumt haben, sich genauer in der deutschen Musikszene umzuhören. Wenn sie in Deutschland sind, befinden sie sich entweder im Studio oder sind auf Tour. Da bleibt kaum Zeit, um sich über andere Bands zu informieren. Wer weiß, falls sie es schaffen im kommenden Sommer auf den Festivals dieser Nation unterwegs zu sein, dann können sie ihr Defizit in diesem Bereich vielleicht noch aufholen. Vielleicht sieht man sich sogar auf dem Bizarre-Festival 2003...
Madeleine Weinert, 24.11.2002
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