Interview

Beatsteaks - "They don't care as long as you sing!"

Beatsteaks

"They don't care as long as you sing!"

Die Beatsteaks auf Tour. Das ist mittlerweile, nach 3 ½ Singles zum Überflieger „Smack Smash“, Videos, Festivalauftritten und Lobhudeleien aller Orten zum Großereignis avanciert. Fast selbstverständlich werden Hallen wie der Schlachthof in Dresden oder heute das Kölner Palladium innerhalb von zwei Wochen zum zweiten Mal ausverkauft. Die Jungs scheinen kaum noch größer werden zu können, wenn das alles so weiter geht. Alles mehr als Grund genug für Bizarre-Radio, mit Gitarrist Bernd Kurtzke nicht nur über diesen unglaublichen Erfolg, sondern auch über Plattenfirmen, Klingeltöne, Selbstverständnis, Liveshows und vor allem immer wieder Spaß zu reden.



BR: Stimmst Du mir zu, wenn ich sage, dass Ihr momentan wohl auf Eurem absoluten Karrierehöhepunkt seid?

Bernd: Äh…ja!

BR: Eines Eurer diesjährigen Highlights war bestimmt der Auftritt bei Rock Am Ring: Hunderttausend Menschen tummeln sich auf dem Gelände und jeder einzelne hängt Euch bei „Hello Joe“ oder „Let Me In“ an den Lippen und hüpft mit. Was fühlt Ihr in so einem Moment? Kapiert man das überhaupt?

Bernd: Da setzt mal ganz kurz der Verstand aus für einen Moment – aber dann denkst Du einfach nur noch „geil“ und machst Deine Show!

BR: Dass es jetzt so läuft wie es läuft war ja noch einige Zeit vorm Release von „Smack Smash“ gar nicht in der Form abzusehen. Wie passt Ihr in das Klischee des Rockstars?

Bernd: Ach was, wir sind halt ganz normale Menschen nach wie vor. Man freut sich einfach über jeden Erfolg den man hat.

BR: Wie ist denn die Gefahr, da plötzlich abzuheben?

Bernd: Die Gefahr ist sehr groß, natürlich. Aber schon der erste Punkt der bei uns dagegen spricht: Wir sind nie von Null auf Hundert gegangen, der Erfolg kam nicht komplett über Nacht sondern hat sich nach und nach entwickelt. Nr. 2 ist, dass wir da untereinander einfach die Antennen immer weit genug raus haben, jeder passt auf den anderen auf.

BR: Warum glaubst Du ist es jetzt gerade mit „Smack Smash“ so gekommen? „Living Targets“ konnte ja auch schon mit einigen Hits glänzen.

Bernd: War vielleicht die Zeit einfach nicht reif dafür, man weiß es nicht! Es ist auch gar nicht mal so dass man irgendwann sagen kann „jetzt ist der Punkt erreicht, ab jetzt geht’s richtig los“. Klar, mit „Let Me In“ fing es irgendwie an, dass wir „groß“ wurden. Aber da ist die Platte jetzt einfach noch ein Sahnehäubchen drauf!

BR: Selbstbewusst seid Ihr ja, Euren Größenwahn immer mit nem Augenzwinkern verkündend. Als die Platte gerade raus kam, sagte Arnim dabei über Eure Pläne: „Bald rocken wir noch fettere Hallen, machen mindestens drei große Videos und all das!“ Und jetzt ist das tatsächlich alles eingetroffen…

Bernd:(lacht) Pech gehabt! Tja der Witz ist wohl leider flöten gegangen… Aber nee, da haben wir eigentlich natürlich gar nicht mit gerechnet einfach.

BR: Das Video zu „Hand in Hand“ war da ja schon in Produktion.

Bernd: Naja gut sagen wir mal so: Wir hätten es vielleicht wissen können, die Platte chartete ja auch direkt auf Platz 11 oder so, da hätte man so was ja schon vermuten können – haben wir aber nicht sondern waren einfach überrascht und sind immer neu überrascht wenn irgendwas passiert!

BR: Seid Ihr mit „Smack Smash“ noch genauso zufrieden wie bei Erscheinung?

Bernd: Immer noch, ja, sehr sogar! Klar, hier und da könnte man immer wieder ne Kleinigkeit ändern, aber da muss man einfach lernen damit umzugehen, dass alles in dem Moment so gewollt war und seine Energie nicht auf so was verschwenden sondern lieber bündeln für das was noch kommt, nächste Aufnahmen z.B. .

BR: Gibt’s da schon Pläne?

Bernd: Ganz dunkle nur… Also wirklich nur einige Ideen, anfangen damit wollen wir vielleicht nächstes Jahr dann. Mal schauen!

BR: Wie läuft’s denn auf internationaler Ebene? Eure Ansage damals war ja, das England realistisch sei, Amerika weniger…

Bernd: Ja da stehen wir nach wie vor vor derselben Situation. Amerika ist ein bisschen weit weg und ein bisschen groß für uns. Klar kannst du darüberfahren und 30 Tage machen, in der Hoffnung dass du in der Zeit irgendwas erreichst. Aber letzten Endes kommt da halt auch nicht allzu viel bei rum. England ist da schon eher ein Thema für uns, weil wir da auch schon ein paar mal waren. War okay, aber das ist auch viel Aufwand – England ist ja auch schweineteuer!

BR: Man sollte meinen, dass Ihr durch euren auslaufenden Vertrag bei „Epitaph“, die ja gerade in den USA einen großen Namen haben, eben dort guten Support bekommen haben solltet.

Bernd: Eher wenig. Ja muss man leider so sagen. Wir hätten uns da schon etwas mehr Engagement seitens der Plattenfirma gewünscht.

BR: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft: Wie würdest du die Beatsteaks von vor 9 Jahren mit den heutigen vergleichen, und wer seid ihr in 10 Jahren?

Bernd: Hm ja, komischerweise gibt’s Dinge die haben sich komplett verändert, und gleichzeitig Dinge die haben sich gar nicht verändert. Also Erfolg, klar, der hat sich extrem verändert. Wir haben jetzt Riesen-Rummel, und wenn das so anfängt, dann triffst du auf 20000 Leute und kriegst Sachen in den Arsch geblasen, da kannst du was haben und hier, das sind dann schon so Situationen wo du ab und zu mal denkst: „Geil…!“ Aber manche Sachen haben sich dann einfach gar nicht geändert, z.B. die Art und Weise wie wir miteinander arbeiten. So was ändert sich einfach nie denk ich. Ja und in 10 Jahren…. Werden wir sicherlich alle noch irgendwas mit Musik zu tun haben, ob jetzt mit den Beatsteaks selber oder was ganz anderes, man weiß ja nie was so passiert. Nur meinen alten Job, den will ich nicht mehr haben!

BR: Was sind die Nachteile an Eurem aktuellen Erfolg?

Bernd: Nachteile gibt es eigentlich wenig…! Wie schon angesprochen kann es natürlich zu einem Nachteil werden, wenn Leute einen mögen nur weil man Erfolg hat. Da muss man schon aufpassen. Aber wir sind da auch in der glücklichen Situation das wir zuhause Menschen haben um die man weiß und die auf einen aufpassen!

BR: Zur Platte: Wie bewusst bringt Ihr mehr oder weniger offensichtliche Einflüsse wie z.B. The Clash mit in Eure Songs ein?

Bernd: Also das läuft immer schon ganz unterschiedlich, aber mir fällt jetzt natürlich auch mit „Hey Joe“ das offensichtlichste Beispiel ein, das ist schon nicht unbewusst nahe an einem Plagiat. Aber den größten Einfluss hat – bleiben wir mal bei The Clash – nicht einmal die Musik, sondern vielmehr die Art und Weise, wie sie generell mit Musik umgegangen sind. Da haben wir uns schon viel abgeguckt: Dass man offen ist und auch mal woanders hinguckt, dass man macht woran man Spaß hat, und wenn es ne Popnummer wird! Dann wird’s halt eine, Hauptsache es macht uns Spaß!

BR: Jetzt, mit dem Wechsel von Epitaph zu WEA, gibt’s aus mancher Ecke bestimmt Sell Out-Rufe -

Bernd: Nee, das haben die ja gar nicht gemacht, das ist ja der Witz, also zumindest nicht wirklich! Gut, wir haben das auch geschickt angestellt muss ich ja mal sagen! Sind ja schon noch bei Epitaph, nur der Vertrieb ging bereits über die WEA. Richtig gewechselt werden wir dann erst bei der nächsten Platte sein. Da konnte ja keiner was sagen! Und bei der nächsten Platte sagen wir dann „Wieso was wollt ihr denn jetzt, wir waren doch schon bei der letzten Scheibe bei WEA!“

BR: Schlau gemacht! Naja wenn man sich „Smack Smash“ nur einmal mit Verstand anhört, ist Ausverkauf ja auch das Letzte was man Euch vorwerfen kann. Aber mal rückblickend zu den alten Sachen: Der Arnim sagte mal, Eure ersten beiden Platten heute eher als Ulk verbuchen zu würden…

Bernd: (lacht) Der Arnim mit seinen Äußerungen immer, da müssen wir aber mal aufpassen!
Nee seh es irgendwo schon ähnlich, aber ein Witz ist es nicht für mich, zu der Zeit war das schon…doch…wobei in gewisser Hinsicht kann man im Nachhinein schon etwas peinlich berührt sein! Reden wir z.B. mal über das Englisch damals – oder lieber eben nicht… Irgendwann haben wir dann aber auch mal angefangen die Texte jemanden Korrektur lesen zu lassen, der wirklich Englisch kann! Das Beste war ja, als wir unser aller erstes Demo gemacht haben – da möcht ich jetzt auch lieber im Erdboden versinken! Aber damals war es geil und hat Spaß gemacht!

BR: Müsst Ihr in Eurem kreativen Prozess als auch in allen anderen Dingen nun, mit der Labelgeschichte, dem Erfolg und all den Leuten um Euch rum, mehr Kompromisse eingehen als zuvor?

Bernd: Auch da haben wir sozusagen mal wieder das Glück auf unserer Seite, weil wir erst jetzt ja sozusagen wechseln, wo der Erfolg und so schon da ist. Da muss ja keiner von der Plattenfirma mehr sagen „macht das mal so oder so“, sondern es ist eher andersrum, wir sagen einfach wir machen das so! Dann kommen die manchmal an und sagen „könntet Ihr Euch eventuell vorstellen, das …“. Wir machen alles so und genauso wie wir das wollen und wie wir es gesagt haben und das hat einfach ne Riesen-Wirkung! Das haben die mittlerweile auch verstanden und können damit umgehen. Man muss sich das dann nicht so vorstellen dass da der Plattenboss sitzt und bestimmt, sondern die lernen auch noch was von uns, so wie wir auch von denen!

BR: Gibt’s schon Beatsteaks-Klingeltöne?!?

Bernd: Äh, uns nicht bekannt, und falls es so wäre, würde es erstmal n Riesen-Aufstand geben! Aber gut dass du das fragst, ich hab mich damit nämlich letztens mal was befasst und herausgefunden, dass man streng genommen gegen so Klingeltöne gar nix machen kann! Einmal weil es ja nicht original unser Lied ist, und auch weil man so „Samples“ bis zu einer gewissen Länge frei benutzen kann, so bis zu 20 Sekunden oder so. So gesehen stünde man dann dumm da. Aber überhaupt: Hör mir mal auf mit dem „bekloppten Frosch“ oder dem „besoffenen Weihnachtsmann“, schrecklich…


BR: An augenscheinlich oberster Stelle steht bei Euch, da stimmst Du mir wohl zu, der Spaß an der Sache. Ihr klingt trotz hörbarer Einflüsse mehr als authentisch, boden- und eigenständig. Ihr scheint zu wissen, wer Ihr seid, was ihr macht und wohin Ihr wollt. Wie beschreibst Du das, was Euch gerade so populär macht oder Euch generell von anderen Bands unterscheidet?

Bernd: Also das kann ich gar nicht genau sagen, woran das liegt oder was das ist. Was bei uns auf jeden Fall eine große Rolle spielt und uns von vielen anderen Bands unterscheidet, ist, dass wir jeder einzelne total unterschiedliche musikalische Ausrichtungen haben. Trotzdem gibt’s immer irgendwo einen kleinen gemeinsamen Nenner. Da kommt dann immer mal einer mit ’ner Idee ins Studio, oder schon einem vorproduzierten Song. Und egal wie weit diese Ideen sind, letztendlich hängt das immer von allen fünf Leuten ab. Und wenn’s auch nur Einen gibt der damit ein Problem hat oder irgendwas nicht möchte oder es scheiße findet, dann kann das nicht gemacht werden! Da setzt sich dann so eine Maschinerie in Gang, und am Ende steht dann aber ein Song, mit dem alle fünf, so unterschiedlich die Auffassungen auch sind, Ihren Ansprüchen genügen und zufrieden sind. Das ist glaube ich ein großer Unterschied zu vielen anderen Bands.

BR: Ihr seid unbestritten eine Liveband. Was macht Ihr, um Euch den Touralltag selber abwechslungsreich zu halten? Eure regelmäßigen Rituale wie z.B. Arnim’s Surfeinlage oder die Drummer-Suche für „Kings Of Metal“, werden die nicht auch mal langweilig?

Bernd: Ja nee nicht wirklich, also jeder Abend ist ja trotzdem total anders, wir stellen auch die Setlist immer um, das ist schon immer abwechslungsreich! Und macht auch immer Spaß. Da sind dann auch bei jeder Show in der ersten Reihe die, die immer da stehen, das ist auch lustig. Und wir spielen halt nie unser Spiel einfach runter, dafür haben wir auch zu sehr Bock!

BR: Jetzt zum Weihnachtsfest hauen viele Bands DVDs oder Best-Of-Alben und so was raus. Bei Euch würde ein Live-Album und auch eine DVD aber mal wirklich hörens- und vor allem sehenswert sein! Plant Ihr so was?

Bernd: Ja! Mitte nächsten Jahres (mittlerweile diesen Jahres, d. Verf.) soll was kommen. Ne große Aufarbeitung unserer Bandentstehung mit jeder Menge Live-Material, Sachen ausm Proberaum undundund! Da wird gerade noch fleißig gesammelt und gefiltert…

BR: Ihr habt bisher mit Bands wie Billy Talent oder Moneybrother, um nur die größten zu nennen, hervorragende Supports auf der Bühne gehabt. Mit wem würdet Ihr gerne mal zusammen auf der Bühne stehen?

Bernd: Hm.. fällt mir so ganz spontan jetzt gerade gar nichts ein. Das kommt immer so n bisschen drauf an. Wir suchen uns schon die Bands halbwegs so aus, dass wir glauben dass sie zu uns passen. Heute z.B. Ransom, die sind auch aus Berlin, musikalisch jetzt nicht so mein Favourite. Aber dann noch Abwärts, das sind ja auch alte Helden – vor allem spielt Rod (Gonzalez, Bassist bei Die Ärzte, Gitarrist bei Abwärts, d. Verf.) endlich mal vor uns, hehehe!

BR: Konzerte sind in erster Linie da, um Spaß zu haben, Gleichgesinnte zu treffen und einfach eine gute Zeit zu verbringen. Und dann läuft in Amerika jemand Amok und erschießt Dimebag Darrell von Damageplan und weitere Menschen. Inwiefern beeinflusst Euch so was hier und den sorgenfreien Charakter von Konzerten im Allgemeinen?

Bernd: Ja klar beeinflusst Dich das irgendwo, also ganz kalt kann einen das natürlich nicht lassen, ist ja schon ein dicker Hund so was. Mehrere Musiker und Fans erschossen oder verletzt, nur weil da einer mal eben durchgedreht ist! Der ist bestimmt nicht gezielt losgegangen, sondern hat da einfach rumgeballert. Es gibt schon Verrückte auf der Welt, und die gibt’s hier wie da drüben auch. Gut, ich will jetzt nicht sagen dass Dir das hier genauso jeden Tag passieren kann, ist vielleicht etwas weit hergeholt, aber allein der Gedanke…

BR: Letzte Frage: Warum sollten Leute, die Euch noch nie live erlebt haben, zu einer Eurer Shows kommen?

Bernd: Weil die sonst verdammt noch mal was verpassen! Die verpassen eine der besten Liveshows der Welt, ganz einfach!



Da ist er also wieder, der ganz normale Größenwahn, der keiner ist. Denn wenn eine Band die Attribute Bodenständigkeit, gesundes Selbstbewusstsein, Coolness, Humor, Reflexion und Spontaneität für sich gepachtet hat, dann sind es die Beatsteaks aus Berlin!

Dieser Wille, immer alles und 100% zu geben und immer weiterzumachen, Hauptsache die Show stimmt – der zeigt sich heute Abend in beeindruckendster Form: Nach offenbar nur halb geglückter Surfbrett-Einlage ist Arnim von der Bühne verschwunden. Peter (Baumann, Gitarrist) erklärt kurz darauf und bittet zu entschuldigen: „Arnim hat sich soeben die Nase gebrochen und muss mal schnell stopfen und kühlen, mal schauen wie es ihm geht. Ihr habt hoffentlich Verständnis dafür, tanzt derweil mal einfach zu Konservenmusik…!“

Und was passiert? Keine zehn Minuten später steht Arnim wieder da, mit Taschentuch im Anschlag – und rockt das Palladium mit vier weiteren Liedern, als wäre nichts gewesen. „The show must go on!“ – wenn das kein Rock’n’Roll ist …

Fabian Soethof14.01.2005

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