Cd-Besprechung

Okkervil River - Black Sheep Boy & Appendix

Okkervil River

Black Sheep Boy & Appendix

Jagjaguwar (Cargo Records/Virgin)
  Vö: 28.04.2006

Bewertung:  15 Punkte
Leserwertung:  13.3 Punkte
Stimmenzahl: 25

Die Jugend von heute. Derzeit widmet sich die Frankfurter Kunsthalle Schirn medienwirksam diesem „Phänomen“. Wirklich formidabel, das. Präsentiert u.a von Spex. Es geht um Medialisierung, Individualisierung und Kommerzialisierung. Um HipHopper, Raver, Rocker. Girlies, Skater und Hooligans. Es werden verschiedene Themenschwerpunkte gesetzt – Clubkultur, Graffiti, Politik/Kultur, einige mehr – und jeweils in unterschiedlichen Darstellungsformen (Kunstwerken!) präsentiert. In Videoanimationen, Fotografien, Gemälden, und Collagen wird die immense Vielfalt jugendlicher Szenarien, Stile und Genres widergespiegelt - und damit das (vermeintlich) chaotische und ambivalente Feld jugendlicher Kulturproduktion. Es geht also um das Individuum, die Abgrenzung VON DER, aber eben auch das Mitlaufen MIT DER Masse, die schnelle und stetige Veränderung. Und die Schwierigkeit, sich zu finden. Oder zumindest etwas zu finden, an dem man sich (langfristig) festhalten kann.

Seit zwei Wochen laufe ich mit dem (Re-) Release „Black Sheep Boy“ (in den USA bereits Anfang 2005 veröffentlicht und damit, ja, irgendwie selbst ein Schwarzes Schaf) und der dazugehörigen neuen 8-Track-EP „Appendix“ der texanischen Band Okkervil River im Ohr herum. Und bin völlig sprachlos ob der Brillanz. Unfassbare Schönheit und Vollkommenheit. Musik, die man nicht nebenbei laufen lassen kann, da sie die volle Aufmerksamkeit fordert. Die von mal zu mal Neues offenbart. Und wächst. Und wächst.

Man fühlt sich zunächst (und auch immer wieder zwischendurch) an die Bright Eyes erinnert. Was an der Instrumentierung liegen dürfte – z. B. Mandoline, Steel-Guitar, Bläser, Spielzeugkeyboards – aber auch der Darbietung im Allgemeinen. Teils ausufernde Hymnen, teils ruhigster Folk und Country, teils Pop bzw. Indierock in Vollendung. Als weitere Referenz können bedenkenlos Wilco herangezogen werden. Spezielle Tracks herauszupicken wäre müßig, da es sich um ein Konzeptalbum handelt und damit um ein Gesamtkunstwerk. Die Band um (man sagt wohl: Mastermind) Will Sheff hat die Suche nach Heimat und Anerkennung, nach Liebe und Herzensheimat in Worte und Töne gegossen. Herumgestrickt um eine Coverversion des Stückes „Black Sheep Boy“ des Songwriters Tim Hardin.

Wo liegt nun das Problem? Nun, in der Hörerschaft. Der Jugend. Denn der wird die Geduld fehlen, sich einem solchen Mammutwerk zu widmen. Zu schnell werden sie sich abwenden, hin zum nächsten. Oder aber, aus Angst, als „Schwarzes Schaf“ abgestempelt zu werden, sich erst gar nicht heranwagen. Als Handyklingelton ist Derartiges natürlich ohnehin ungeeignet. Zu uncool (und unnahbar) ist die Band leider auch. Man müsste der Sache einen Namen geben, und damit Relevanz. Z. B. Folk-Punk Rock. Und drauf schreiben: „After Two Gallants the next big thing!“ Das passt zwar nur bedingt, erfüllte aber seinen Zweck.

„Black Sheep Boy“ bietet die Möglichkeit – lässt man sich darauf ein –, etwas zu finden, das mehr ist als die Summe der einzelnen Teile. Etwas, für das es sich lohnt, zu arbeiten. Und im Endeffekt (nachhaltig) glücklich machen kann. Die Band stellt nicht ohne Grund – wissend – folgendes Richard Pryor Zitat an’s Ende des Booklets: „I ain’t trying to be no good. I’m happy.“ Damit ist tatsächlich alles gesagt.

Termine:

23.05. München – Atomic Cafe
25.05. Frankfurt – Brotfabrik
26.05. Hannover – Glockensee
27.05. Immergut Festival Neustrelitz
28.05. Orange Blossom Festival – Beverungen

Noch bis 25.6.2006 DIE JUGEND VON HEUTE in der Frankfurter Schirn.

15 Punkte (von max. 15)

Daniel Höfelmann21.05.2006

TRACKLIST
Black Sheep Boy

1.Black sheep boy
2.For real***
3.In a radio song
4.Black***
5.Get big
6.A king and a queen
7.A stone
8.The latest toughs***
9.Song of our so-called friend
10.So come back, I am waiting
11.A glow

Appendix

1.Missing children
2.No key, no plan
3.A garden
4.Black sheep boy
5.The next four months
6.Another radio song
7.A forest
8.Last love song for now
[ *** Anspieltipps ]

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