Cd-Besprechung

Oasis - Don't Believe The Truth

Oasis

Don't Believe The Truth

HelterSkelter (Sony)
  Vö: 30.05.2005

Bewertung:  12 Punkte
Leserwertung:  10.8 Punkte
Stimmenzahl: 5

Die Erwartungen hätten gespaltener nicht sein können. Wie die Meinungslager der Hörerschaften, die seit jeher von „großartig“ bis „maßlos überbewertet“ streiten konnten. Ungewollt jagte da die Band, die Mitte der Neunziger die britische Rockmusik revolutionierte und zum größten Hype seit den Fab Four avancierte, das Ziel aus den Augen verlierend sich selbst hinterher. Ungewollt, weil man einen Meilenstein wie „What’s The Story, Morning Glory“ wahrscheinlich nur einmal im Leben schreibt. Und es gibt nichts selbstzerstörerisches als sich selber im Weg zu stehen, auch wenn die Gebrüder Gallagher genau das jahrelang taten und dabei das genaue Gegenteil glaubten. „Wer hat das größte Ego?“ als mitunter nicht mehr lustiges Wechselspiel zweier Platzhirsche. Und es gab Tage, da hätte das Ende von Oasis niemanden sonderlich tangiert, geschweige denn verwundert. Das war nach dem auch kommerziellen Desaster „Standing On The Shoulder Of Giants“.
Aber wie weiß Ben Folds auf seinem neuen, wieder tollen Album? „Kids (…) they get nostalgic about the last ten years before the last ten years have passed“. Leben im Jetzt. Also dann: Bemessen wir sie doch einfach mal nicht an alten unerreichten Großtaten, sondern der Gegenwart. Und die tut verdammt gut!

Für alle Kritiker heißt das zumindest mehr als nur Entwarnung. Und um Fazit und den positiven Faden in „Don’t Believe The Truth“ gleich vorweg zu nehmen: Eine der größten Bands der letzten Dekade feiert endlich nicht mehr sich, sondern die Musik. Fortschritt, neue Ideen, trotzdem typisch Oasis. Toll, dass die Gallaghers so ausgelassen und überzeugend klingen können, als ob sie sich nach langjährigem Scheidungskrieg plötzlich wieder neu verliebt hätten. Liam schreibt Songs, die vorher höchstens er selbst sich zugetraut hätte. Man höre nur das schöne „Love Like A Bomb“. Genau für solche Gesten liebte man Oasis doch schon immer. Und selbst Gitarrist Gem Archer darf weiter Songs schreiben („A Bell Will Ring“)! Auch das tut allen Beteiligten gut. Mehr Demokratie, mehr Band. Vier Bandmitglieder statt zwei plus zwei Handlanger und deshalb homogener als das auch alles andere als schlechte 2002er Werk „Heathen Chemistry“. Und Zak Starkey poltert. Paukenschläge im Rückschlag und Opener „Turn Up The Sun“ (aus Andy Bell’s Feder!), „Lyla“ weiß ja schon seit ein paar Wochen den Airplay zu beflügeln. Und wenn „Mucky Fingers“ mit Trommeln und Tasten und Harmonika nicht DER Feelgood-Hit of summer ist, dann nennen sie mich Robbie Williams! Nur Spaß, die Zeiten der Yellow Press sind ja vorbei. Der Hang zum Dramatischen wird trotzdem nie ganz aufgeben. Aber immer wieder von so durchdringender Euphorie durchzogen, dass man sich drehen möchte, auf einer Wiese im Kreis. Und dann schwindelig umfallen.

Lyrisch gibt’s natürlich auch wieder anscheinend gewohnt großspuriges, z.B. „The Meaning Of Soul“ oder der Titel „Guess God Thinks I’m Abel“. Einordnungen wie „Part Of The Queue“ aber scheinen da plötzlich wie ein relativierteres Selbstbild, und ironischerweise klingt der Song dann auch noch mehr als angelehnt an den alten Werbungs-Hit „Far Far Away“ von Slade. Aber keine Angst, Oasis sind und bleiben Oasis, von Kopf bis Fuß, nur Gott sei Dank nicht mehr auf Riesen-Schultern, sondern auf den eigenen großen Füßen. Und auch wenn es zur Halbzeit tatsächlich etwas beliebiger wird, braucht’s nur ein einfaches „Keep The Dream Alive“, um sich ganz zurück auf besagtem Grün wieder zu finden. „Let There Be Love“ lässt relaxt, nicht zu schwer, auf dem Boden bleibend, romantisch-balladesk ein fast durchweg überzeugendes und kurzweiliges Album auslaufen.

Bleiben mehr als eine handvoll kleine Hymnen für den Sommer und danach. Der Release-Termin jedenfalls hätte nicht besser gewählt sein können (nicht, dass sich da in England jemand drum kümmern würde). Mit Oasis ist wieder zu rechnen, auch wenn sie ja nie wirklich weg waren. Und wenn sie sich nicht so dumm wie zuletzt anstellen, können die Festivals mit „Don’t Believe The Truth“ ihnen gehören. Respekt.

12 Punkte (von max. 15)

Fabian Soethof01.06.2005

TRACKLIST
01. Turn Up The Sun
02. Mucky Fingers***
03. Lyla***
04. Love Like A Bomb***
05. The Importance Of Being Idle
06. The Meaning Of Soul
07. Guess God Thinks I'm Abel
08. Part Of The Queue
09. Keep The Dream Alive***
10. A Bell Will Ring
11. Let There Be Love***
[ *** Anspieltipps ]

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