Cd-Besprechung

Kettcar

Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen

Grand Hotel Van Cleef
  Vö: 07.03.2005

Bewertung:  14 Punkte
Leserwertung:  10.9 Punkte
Stimmenzahl: 97

Was macht eine Band, die sich mit Ihrem Debüt Fundament wie Last gleichzeitig gebaut hat? Deren Musik für viele Menschen eine kleine Welt bedeutet? Die nur über Ihr stinknormales eigenes Leben und Denken musiziert und trotzdem oder gerade deswegen berührte wie nicht viel anderes? Die sich somit der Hoffnung jener hingab, dass alles gut ist und gleichzeitig Erwartungen schürte, doch bitte mit dem weiterzumachen was sie so gut kann?

Sich erstmal Zeit lassen. Abstand gewinnen, reflektieren, ordnen und gleichzeitig weitermachen. Und dann, nach gut drei Jahren, freudig ein neues Album zu präsentieren mit dem schönen Titel „Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen“. Und was haben wir gewartet. Aber gehofft? Nein, geglaubt. Wer Dich einmal so froh machen konnte, kann es beim zweiten Mal nicht schlechter wollen. Und Vorfreude ist ja bekanntlich…

…die zweitschönste Freude. Spontan: Ein Grinsen. Es wird breiter. Irgendwann dann schon: Strahlen. Wer umarmt da wen? Eigentlich egal, denn fühlen tun beide. Es ist genau das, was Dich fröhlich stimmt, was es schon vorher tat: Einfache, aber nicht zu direkte Worte, die jedes Gefühl der Welt scheinbar schlicht auszudrücken vermögen, neben ohrenscheinlich abstrakten, ja gar schlauen Bildern, die sich bewusst oder unbewusst erst nicht so richtig öffnen wollen, neben Geschichten, die das Leben so schreiben könnte. Da sitzt Marcus Wiebusch mit Bill Gates und Karl Stockhausen im Aufzug fest (!) und man philosophiert gezwungenermaßen über Daseins-Ansichten (O-Ton Billy: „Es ist besser für das, was man ist gehasst, als für das was man nicht ist, geliebt zu werden“) - bis die Situation eskaliert. Anderswo Ansichten über Oberflächlichkeiten, Schnelllebigkeiten und Schuldzuweisungen.

Und überall und immer wieder: Eine Liebe. Zur Musik, zu einem anderen Menschen, zu Freunden, zum Leben. Für all das steht auch das Grand Hotel Van Cleef. „48 Stunden“ – Verlust, Zugeständnisse, wollen nicht können: „Mach immer was Dein Herz Dir sagt und begrab es an der Biegung des Flusses.“ Wenn Liebe auseinander geht, die aber noch da ist. „Balu“ – Unnahbarkeit, Tolpatschigkeit und Grundverehrung in einem: „Du bist Audrey Hephburn, und ich Balu der Bär!“. Alles gipfelnd im furiosen „Nacht“: „Meine Welt aufgehoben, meine Welt in drei Wörtern erklären.“ Da hat sich wer gefunden. Wem das zuviel ist, der geht zu "Deiche" oder "Handyfeuerzeug Gratis Dazu" tanzen.

Das klingt nach viel. Und ja: Kettcar können viel, sie wollten aber auch viel. Es ist besonders Marcus’ textliche Handschrift, die Dich oftmals an das deutlich ungeschliffenere und bauchigere „Du und wieviel von Deinen Freunden“ erinnert oder gar hinschubst. Kettcar kopieren sich nicht, aber zitieren, die Legitimation dafür derweil längst selbst geliefert: „Wie die Geschichten sich zur Trauer bückten, in den ach so großen Augenblicken, vom Balkon und irgendwelchen Brücken, ich fand’s auch doof…“ („Tränengas im High-End-Leben“). 2 ½ Jahre vergangen, aber das Leben ist ja auch kein anderes. Das die fünf Nordlichter derweil nicht im Pop angekommen sind, sondern schon immer Pop waren, vergisst man schnell, weil es diesmal mit der Keule gibt: Eine Horde munterer I-Dötzchen macht den Background-Chor, „Badababadaa“-Gesänge übermalen kleine Melodien, von Keyboard getragen und verziert. Gute Laune meets Nachdenken. Da wo Streichereinsätze zu finden sind, drängt sich im Kopf die große Geste auf - und ja: Das ist fast so nah an „MTV Unplugged“ dran wie „Von Spatzen und Tauben…“ in den Charts. Also doch zuviel zu schnell? Bitte selbst entscheiden. Nur die Jungs selber wissen gar nicht, warum Ihnen so geschieht, was anderen wie viel bedeutet, wo sie hinkommen können oder schon da sind. Die machen einfach Ihre Musik mit einer Selbstverständlichkeit.

Und: Kettcar beschreiben nicht das, was alle denken, sie sagen nicht immer das was Du schon immer genau so sagen wolltest. Aber Kettcar lassen Dich teilhaben. An allgegenwärtigen – ja - Befindlichkeiten und den Dingen und vor allem: Mit sich selbst im Reinen. Spiel, Satz und Punkt-Sieg.

14 Punkte (von max. 15)

Fabian Soethof03.03.2005

TRACKLIST
01. Deiche***
02. Die Ausfahrt zum Haus Deiner Eltern
03. 48 Stunden***
04. Einer
05. Tränengas im High-End Leben
06. Balu***
07. Stockhausen, Bill Gates und Ich***
08. Anders Als Gedacht
09. Die Wahrheit Ist, Man Hat Uns Nichts Getan***
10. Handyfeuerzeug Gratis Dazu***
11. Nacht
[ *** Anspieltipps ]

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