Videoclipdreh der anderen Art

Geschrieben von schnute am 06.12.04 um 22:53 Uhr

Am Freitag dem 3. Dezember 2004 machte ich mich mit meinem Schatz auf den weiten Weg von Lübeck nach Essen. Dort sollte der Dreh des Videos zu "Sterne sehen" von Zeraphine stattfinden. Mit mir!
Eingefleischte Fans der Band werden sich sicher wundern und fragen: wieso denn ein Videodreh zu einem Song, der gar nicht mehr aktuell ist?
Die Antwort ist nicht ganz einfach: Dieser Videoclip ist nicht etwa zur Rotation auf MTVIVA gedacht, sondern er ist mein kleiner kreativer Beitrag zu einer Doku, die sich nennt "folgen- der Film". Dieses Projekt befasst sich mit den Folgen des sexuellen Kindesmissbrauchs, weit über die Kindheit hinaus. Also mit den lebenslangen Folgen.
(Genaue Infos würden hier den Rahmen sprengen, daher empfehle ich euch ,die Seite www.folgen-derfilm.de zu besuchen, die nächste Woche komplett aktualisiert sein dürfte.)
Das Projekt hat mich sofort interessiert, denn die Idee die dahinter steht gefällt mir, und auch die Tatsache das es ein non-profit-Projekt ist,also kein grosser Geldgeber dahinter steht der vorschreibt was gemacht werden muss.
Meine Gedichte stellte ich Thomas zur Verwendung auf der Homepage gerne zur Verfügung, aber ich wollte mich noch mehr einbringen. Da Musik für mich mehr ist als nur ein Hobby, war mir von Anfang an klar, das mein Beitrag etwas mit Musik zu tun haben müsste.
Spontan entwickelte ich ein Drehbuch, zuerst noch für den Song "schreit dein herz"(auch von Zeraphine) der textlich näher an der Thematik ist. Doch bald merkte ich ,das "Sterne sehen" gerade durch die freieren Interpretationsmöglichkeiten, besser zu meiner Videovision passen würde.
Also entwickelte ich ein neues, auf "Sterne sehen" abgestimmtes Drehbuch.
In dieser neuen Version wird auch mein Freund eine tragende Rolle spielen.
Sven von Zeraphine war auch schnell für die Idee zu erwärmen.
Er erlaubte uns, beim Konzert in der Essener Zeche Carl zu filmen,um einige Auschnitte im Videoclip zu verwenden. Denn die Refrain Zeilen wünsche ich mir als Dialog von Handlung und Sven wie er fragt "Kannst du durchs Feuer gehen ,und die Glut verbrennt dich nicht".Zu guter letzt stimmten auch der Verlag und die BMG unserem Vorhaben zu und wir erhalten einen Lizenzvertrag für den Song.
Einen Tag vor Drehbeginn kriegte ich noch einen Anruf vom Verleger, der mir erzählte das Thommy Hein auch Rechte an dem Song habe, seine Erlaubnis zur Nutzung des Songs also auch dringend vonnöten sei. Aber auch Thommy Hein war genauso wie Zeraphine, schnell für das Projekt zu gewinnen.Ich muss noch mal betonen wie klasse ich das finde,das die alle mitziehen und uns unterstützen, wir dürfen den Song gratis verwenden, müssen nur die GEMA Gebühren selber tragen.

Freitag abend dann ein erstes richtiges Kennenlernen mit Thomas, dem Initiator des Projektes.
Ich war ziemlich gespannt, den bisher kannten wir uns nur von Mails und Telefonaten.
Schnell war aber das Eis gebrochen ,wir fanden uns auch im realen Leben sympathisch,und Samstag um 11 Uhr morgens starteten wir unseren Dreh.
Zuerst die Aussenaufnahmen, die die Anfangs-und Endscenen des Clips ausmachen.
Es war bitterkalt in Essen, trotz dicker Strumpfhose und Pausen-Tee hab ich gefroren wie ein Schneider. Wir filmten in Altenessen am Wasser, aber ich war noch sehr verkrampft, musste ja erstmal mit der Situation warm werden, dich noch nie vorher gefilmt worden bin.
Nach einer kleinen Pause bestiegen wir eine Abraumhalde, von der aus man einen fantastischen Blick über Essen hat,
und drehten dort die gesamten Anfangs- und Endsequenzen noch einmal.
Und dann wurde es richtig schwierig, denn ich sollte tanzen...
Wie tanzt man graziös und selbstvergessen vor zwei Menschen die einen dabei filmen, und das ganze auch noch ohne Musik dabei?? Mein Freund hatte die Lösung und setzte mir einfach seine Kopfhörer auf, und ich hörte die Dreadful Shadows, versuchte einfach nicht an die Kameras zu denken und tanzte ...das machte einfach so Spass, das ich die Filmerei ausblenden konnte und ohne Kopfhörer, sozusagen eingetanzt, die Scene gefilmt werden konnte.
Nach dem Aussendreh war Mittagspause...jedenfalls für mich.
Thomas filmte in der Zeit die regulären Interviews für die Doku mit zwei betroffenen Frauen.
Heiko und ich verzogen uns taktvoll für die Zeit aus der Wohnung und machten Mittag.
Danach ging es für mich mit dem Löwenanteil weiter, dem Innendreh.
Der ist sowohl von der Handlung als auch von der Umsetzung ganz schön heftig...
Sowohl Einsamkeit, Flashbacks, Selbstverletzung und Waschzwang , vieles sollte in dem Clip vorkommen, jedoch auf keinen Fall platt oder Klischeehaft.
Vieles sollte auch nur angedeutet werden, der Zuschauer sollte die Bilder im Kopf selber zu ende denken, zum Beispiel die Selbstverletzung. Weder Kunstblut noch übertriebene Dramatik sollten das Bild bestimmen. Die Handlung soll nur angedeutet werden.
Das war für mich, die noch nie im Leben geschauspielert hat, ne echte Herausforderung.
Ne Rasierklinge in die Hand nehmen, und sich den Arm verbinden...das war ganz schön heavy.
Auch der Flashback, der dargestellt werden soll, war anstregend darzustellen, denn wie stellt man etwas dar, das nur im Kopf stattfindet, und nach aussen nicht sichtbar ist? Etwas, das für nicht Betroffene gar nicht nachzuvollziehen ist...
Für die Waschzwang Scene hat mir Angelina Jolie in "der Knochenjäger" eine tolle Idee geliefert: ne leere Klorixflasche kann dem ganzen nämlich erstaunlich viel Intensität verleihen...
Natürlich kippe ich mir kein echtes Klorix über die Hände, in der Flasche war Aloe Vera Seife. Ansonsten hätten meine Hände sicher die vielen Wiederholungen nicht überlebt.

Schliesslich sollte der Clip ein positiv ausgerichtetes Ende haben, das war mir wichtig.
Einerseits zum Mut machen für Betroffene, andererseits aber auch weil ich finde das schlimme Schicksalsschläge eine glückliche Zukunft nicht zwangsläufig auschliessen müssen.
Auch wenn viel Schatten ist, so gibt es trotzdem Licht.
Darum durfte mein Schatz in dem Videoclip mitspielen und mich nach dem "Flashback" und dem "trigger" sanft in die Realität zurückholen.
Als Letztes sollte ich in einem Making of Interview noch ein wenig erzählen wie der Dreh für mich war.
Nach dem Interview war ich dann total geschafft, sowohl physisch als auch psychisch und noch mehr Scenen hätte ich echt nicht mehr hinbekommen.
Um 10 Uhr abends waren wir mit allem gut durch und schauten erste Ergebnisse an.
Am nächsten Tag war ich dann ganz schön alle, mein Unterbewusstsein hatte mit den Rasierklingen scenen noch gut zu tun offenbar....
Jetzt muss Thomas noch das ganze Material sichten, zusammenschneiden und hoffentlich gelingt ihm die richtige Umsetztung meiner Vision...
Hoffentlich klappt es mit dem Auswählen und Schneiden der Scenen bis zur Release Party im Januar, das ich Sven schon eine Rohfassung überreichen kann
Wenn die BMG mitspielt, das muss ich noch erfragen, ist es vielleicht möglich den Clip auch
Später auf der Homepage des Projektes runterzuladen....ansonsten müsstet ihr euch die DVD zulegen wenn sie fertig ist, um den Clip anzuschauen.(das wäre natürlich das beste...wir freuen uns über Spenden*g*)
Vielleicht kann ich aber auch kleine Sekundenclips legal posten...mal schauen.
Alles in Allem bin ich total beeindruckt und froh, bei diesem Projekt mitgewirkt zu haben.
War echt ein Erlebnis!

Vater RocknRoll, der du bist im Himmel,
geheiligt werde dein Rythmus,
dein Konzert komme,
dein Wille geschehe,
wie auf der Tanzfläche so auf der Bühne,
und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von den Groupies
denn dein ist die Konzerthalle
und die Gästeliste
in Ewigkeit
YEAH

schnute
Psycho-Poster
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