Special

Sonnenrot Festival

Das Sonnenrot-Festival 2004 - Ein Rückblick

Die Premiere des Sonnenrot-Festivals in Geretsried bei München ist friedlich zu Ende gegangen. Und, was die Zufriedenheit der gut 5000 Besucher zum Ausdruck bringt, auch erfolgreich. Sonnenrot 2004 - das war zwei Tage zelten bei traumhaften Wetter in idyllischer Landschaft nahe des Gut Buchbergs; es waren zwei Tage mit hervorragend aufgelegten Künstlern und Besuchern gleichermaßen; das waren auch zwei Tage mit vielen wunderbaren Konzerten. Bis zum nächsten Jahr!

'Geile Party...'
Begonnen hatte das Sonnenrot für einige wenige Besucher schon am Donnerstag. Und so wurde bereits einmal die erste Nacht zum Tage gemacht. 'Party, Party, Party' will ein junger Österreicher, ausgestattet mit Megaphon und manischer Ausdauer, drei Tage und Nächte am Stück ausgerufen haben. Das wurde dann spätestens ab Samstag morgen mit Müllgeschossen der 'Geschädigten' kommentiert. Dieser 'Geile Party'-Spruch hat sich neben dem obligatorischen 'Helga'-Rufen regelrecht zu einem festen Bestandteil des Sonnenrots etabliert. Die Anfahrt war sowohl für Autofahrer als auch für Bahnfahrer gut organisiert und ausgeschildert. Der größte Zustrom auf dem Campingplatz war aber ganz klar am Freitag vormittag zu beobachten. Einige Nachzügler, die wohl keinen Urlaub bekommen hatte, kamen erst am späteren Nachmittag, und verpassten somit einen kleinen Teil des hervorragend besetzten Programmes.

Das Festivalgelände
Das relativ kleine, aber für diese Besucherzahl sogar recht großzügig angelegte Areal, ließ eigentlich keine Wünsche offen; sehr schön gestaltet und gut geplant angelegt. Kommen wir zunächst zum Sanitärbereich. Genügend ToiToi´s, die allerdings mal besser zur Hälfte des Festivals ausgeleert worden wären, waren sowohl auf Camping-Platz wie Festivalgelände vorhanden. Die Duschen an sich wären wirklich wunderbar gewesen, leider hatten aber bereits am Samstag morgen technische Defekte die Herrenduschen lahmgelegt. So musste man eben zu den Mädels ausweichen und bekam es dort mit eiskaltem Wasser zu tun. Definitiv nichts für Warmduscher. Die Gastronomie auf dem Festivalgelände hielt die typischen Speisen bereit. Pizza, Döner, Pommes, Nudel-und Reisgerichte und natürlich Grillwürstel verschiedenster Art. Preislich waren die Speisen durchaus fair, qualitativ eher durschnittlich. Aber für die zwei, drei Tage tat´s das schon. Der Biergarten war ein willkommender Ort bei der Hitze. Hier gabs die nötige Erfrischung und mit ein bischen Glück einen Platz im Schatten. Die Bodenbeschaffenheit vor der Hauptbühne glich spätestens ab Freitag abend einem matschigen Acker, was nicht zuletzt am Dauerregen der vorhergehenden Tage gelegen haben dürfte. Somit mussten über Nacht die Walzen anrücken. Der Platz vor der Hauptbühne und im Zelt vor der 2nd Stage war vollkommen ausreichend. Die Sache mit dem Müllpfand scheint sich auf den meisten Festivals etabliert zu haben - auch auf dem Sonnenrot wurde damit auf das richtige Pferd gesetzt und eine Umweltkatastrophe auf dem Gut Buchberg konnte verhindert werden.

Das Programm

Der Freitag
Das im Vorfeld angekündigte Line-Up hatte schon Vorfreude aber auch Erwartungen geweckt. Die Vorfreude hatte sich zunächst in pure Freude gewandelt, spätestens ab Freitag abend ist man dann ins Elysium eingegangen. Alle Bands präsentierten sich in großer Spiellaune und sorgten mit ihren teils schlichtweg grandiosen Konzerten für diese Ausnahmestimmung. Auch die Ansager von Kultsender FM 4 Stermann & Grissemann waren auf dem Sonnenrot genau richtig platziert. Begonnen hatte wegen Stromproblemen alles etwas später. Jettison aus München mussten sich anfangs noch mit einem sehr kleinen Publikum begnügen. Schade eigentlich, denn wenn der Sound mal da war (immer noch diese Stromprobleme), dann haben diese Jungs gezeigt, wie in Deutschland Emocore gemacht wird. Wer braucht schon Amerikaner? Fast zeitgleich spielten im Zelt die Gewinner des MTV Newcomer Festivals 2002 Anajo aus Augsburg, die nicht nur von der Konstellation her an die Sportfreunde Stiller erinnerten. Etwas elektronischer und verschachtelter war der Sound von Anajo. Die konnten sich jedenfalls nicht über mangelnde Unterstützung beschweren, was vielleicht auch am hohen Bekanntheitsgrad des Trios südlich von München und in Österreich lag. Auf der Hauptbühne gings dann weiter mit MCF, die ja bereits auf dem Bizarre-Festival gespielt hatten. Sehr druckvoll und leider auch nicht ohne Stromprobleme, dafür aber auch sehr sympathisch im Umgang mit dieser ärgerlichen Situation. Bei Spitting of tall buildings ging dann so richtig der Punk ab. Frontgör(über Berliner kann man das ja so sagen) Jana könnte auch als Ersatz bei den Yeah Yeah Yeahs einsteigen, ist aber mehr als Ersatz. Da wird mal die Rock-Röhre ausgepackt, mal möchte man meinen, ein Engel hätte sich inmitten dieser Männerschar verlaufen. Emotional wild und auf die Merkliste für die Zukunft zu setzen. Virginia Jetzt! setzten am frühen Abend mit ihrem melodiösen Gitarrenpop den ersten deutschsprachigen Höhepunkt des Festivals. Dieser Auftritt sollte aber nur etwas mehr als eine Stunde später von den herrausragenden Sternen getoppt werden. So eine Spiel-und Redelaune habe ich bei den vier Hamburgern selten gesehen. Gleich mit dem Opener "Hängen Hart" vom 2002er Album 'Irres licht' einen Kracher am Start wurden mit "Was hat dich bloß so ruiniert" und "Trrrmer" oder "Die Interessanten" auch einige echte Klassiker der Band gespielt. Das neue Material von 'Das weltall ist viel zu weit' mit dem heimlichen Hit "Was ist hier los?" fügte sich dabei voll uns ganz in das Gesamt-Set ein. Die Elektronik-Ausflüge von 'Wo ist hier?' rückten allerdings wieder einmal mehr in den Hintergrund. Trotzdem, das Konzert der Sterne: einer der Höhepunkte des Sonnenrots. Wer auf noch tanzbarere Beats abfuhr, begab sich gegen Ende des Sets in das Zelt um Mellow Mark, den jungen Crossover-Musiker (und Echo-Preisträger) mit einem Mix aus Reggae, HipHop und Gitarrenmusik, zu bewundern. Ein absolut mitreißender Gig mit einem gut aufgelegten und sympathischen Künstler. Dann gab es schließlich auf der Hauptbühne nach den Sternen noch zwei weitere Hamburger Kult-Gruppen zu bestaunen. Blumfeld begleiteten die Zuschauer in die Dunkelheit hinein, mit so sanften Songs wie man es von ihnen gewohnt ist. Liebe, Schmerz und (linke) Politik wurden textlich thematisiert. Der Schwerpunkt bei diesem zauberhaften Autritt lag auf dem 'Testament der Angst' mit "Weil es Liebe ist", "Eintragung ins Nichts" und "Anders als glücklich". Schade allerdings, dass die zugegebenermaßen recht penetranten Rufe eines Hamburger Paares aus der ersten Reihe nicht erhört wurden, die frenetisch "Wellen der Liebe" gefordert hatten. Überhaupt war Sänger Jochen Distelmeyer an diesem Abend recht distanziert, aber wie schon alle Künstler zuvor sehr gut gelaunt. Dann kam die Kälte. Genau richtig also, dass als Nächstes die Kult-HipHopper Fettes Brot die Bühne betraten um mit dem jetzt sehr stark gewachsenen Publikum eine "Geile Party"(da war sie wieder) feierten. Erstaunlicherweise spielten die drei hauptsächlich neuere Songs; mit Ausnahme von "Nordisch by nature" und "Jein" keinen Song von den ersten beiden Alben. Bei "Großer" und "Schwule Mädchen", den Mitsing-Liedern, ist auf einmal jeder ein HipHop-Fan gewesen. Es war eine schwierige Entscheidung vor der Hauptbühne zu verweilen, denn so hatte ich leider die Konzerte von Tomte und den Tölzer Helden Bananafishbones verpasst. Schade, waren doch beide Konzerte gut besucht und viel umjubelt, wie ich später von einigen Campern erfuhr.

Der Samstag
Den ganzen Vormittag wurde hart daran gearbeitet einigermaßen brauchbare Bodenverhältnisse zu schaffen. Die Walzen fuhren auch noch um 12:30, als Roman Fischer aus München sein Konzert geben sollte. Mit Verspätung ging also der Samstag in die Vollen, man hatte alle Konzerte etwa eine halbe Stunde nach hinten verschoben. Roman Fischer, der 18jährige Frauenschwarm, hatte aber noch ganz andere Probleme. Ein sogenannter Wellenbrecher wurde über Nacht installiert, angeblich auf Wunsch der Headliner Wir sind Helden. Und so standen die wenigen Besucher etwa 25 Meter weit weg von der Bühne. Der gute Roman ließ sich davon aber nicht aufhalten und spielte einen soliden Querschnitt seines Schaffens, mit dem er sich sicher noch viele Freunde machen wird. Lacrimas Profundere, die düsteren Gothic-Rocker, bildeten eine echte Abwechslung zum restlichen Programm des Tages. Schwerer, druckvoller Metal, wie derzeit nur aus Skandinavien kommen könnte, war das aber eben made in Oberbayern. Schneller Wechsel zur Hauptbühne. Mit Seesaw waren dann wieder die Österreicher unter den Zuschauern gut vertreten. Außer der Tatsache, dass diese Jungs äußerst sympathische Zeitgenossen sind, wie die im Pressezelt anwesende Presse bestätigen konnten, spielten die Salzburger eine hervorragende Show, was wiederum anwesende Zuschauer durch ihren Beifall bestätigten. In der Folge überzeugten auch Celest, mit irisch-stammigen Sänger, Garish aus Österreich und Angelika Express aus Köln, die viel Zeit ob des Ausfalls von Hannes Orange zur Verfügung hatten, das freudige Publikum. Mit Miles ging es am frühen Nachmittag auf der Haupbühne heiß her. Die seit 2001 in die Band gerückte Bassistin Nina hat sich zu einem festen Bestandteil dieser Ausnahmeband aus Würzburg etabliert. Mit ihrem energetisch, englischsprachigen Rock überzeugten die vier auf ganzer Linie. "Pretty day", "Perfect world" und "Don´t give up" wurden ekstatisch zelebriert und mit großem Beifall versehen. Petsch Moser als Vertreter des deutschsprachigen PopRocks made in Österreich wurden derweil im Zelt bejubelt, was sicherlich auch am großen Zuspruch der regelmäßigen Club Metropolitan-Besucher lag. Die anderen Österreicher des Nachmittags waren Schönheitsfehler mit ihren geballt geladenen, aber immer "augenzwinkernden" HipHop-Tracks. Der Junge mit der Gitarre schaffte es auf der Zeltbühne in einer knappen dreiviertel Stunde einmal mehr zu einem nicht immer ganz ernst gemeinten Rundumschlag gegen Gott und die Welt auszuholen. Dabei wurden auch Visions, musikexpress und Rolling Stone nicht verschont, wie "2 Akkorde" einschlägig bewies. Dann war mit Slut einer meiner persönlichen Highlights an der Reihe. Und ich war bei weitem nicht der einzige der hypnotisiert wurde vom dichten Sound der Ingolstädter. "Caretaker´s Theme", "Easy to love", "The day it rained forever" und "Time is not a remedy" verzauberten alle Anwesenden und ließen so manche Müdungserscheinungen sich in Luft auflösen. Sehr auffallend auch ein nagelneuer Song, der von der Melodie her an "Freude schöner Götterfunken" erinnerte und auf ein großes neues Album hoffen lässt. Im Zelt gings am Abend um einiges härter zu als auf der Hauptbühne. Mit den "New Metal"-Bands 4Lyn (nicht gesehen) und den Münchnern Emil Bulls kam so richtig Bewegung ins Zelt. Die Bulls spielten souverän alle ihre Hits, wie "Smells like Rock´n Roll", die aHa-Coverversion "Take on me" oder die ausgereifteren Songs von 'Porcelain'. Schade, dass der Sound bei diesem Gig viel zu laut und ziemlich übersteuert war. Den eingefleischten Fans hats jedenfalls nichts ausgemacht und so wurde gepogt und fleißig Crowdsurfing betrieben, wie bei keinem anderen Konzert des Festivals. Die Hauptbühne sollte an diesem Abend abschließend fest in Berliner Hand gegeben werden. Es war Zeit für MIA und Wir sind Helden. Dass MIA wirklich gute Songs im Repertoire haben ist sicher bereits in die entferntesten Teile Deutschlands vorgedrungen. Dass MIA aber auch zu den derzeit besten Live-Bands gehören, war vielen vorher vielleicht nicht so bekannt. An diesem Abend des 17.Juli´s zeigten die Hauptstädter rund um die charismatische Frontfrau Mietze, was in ihnen steckt. Elektropunk mit 80er Beats, die wunderbar den Bauch massierten und eine wirklich gute Performance des Fünflings, allen voran Mietze mit ihren geschmackvollen Kniestrümpfen, überzeugten auch den Letzten auf diesem gut besuchten Konzert. Dann war "Helden-Zeit". Die Headliner hatten sich dieses Prädikat an diesem Abend hochverdient. Da kam jeder im Publikum voll auf seine Kosten. Alle Hits wurden angespielt und von den meissten mitgesungen. Auffällig hoch war die Frauenquote vor der Bühne, die allesamt gebannt auf Sängerin Judith Holofernes blickten. Die letzten 20 Minuten mussten allerdings im strömenden Regen "genossen" werden, was der guten Stimmung aber keinen Abbruch tat. Gegen Mitternacht war es dann soweit. Ein trauriger und freudiger Moment zugleich. Die letzte Zugabe war gespielt, da ging das Sonnenrot mit einem sehr ausgeprägten und wunderschönen Feuerwerk (eine Überraschung von Freunden) zu Ende.

Die Aftershow
Für viele war aber auch nach einem langen Festivaltag noch lange nicht Schluss. Wie schon am Abend zuvor war eine Aftershowparty im Zelt mit Alternative - DJ Set arrangiert. Hier wurde schließlich bis in die Früh getanzt, geflirtet und getrunken. Alles in einer friedlichen Atmosphäre, die ja bereits das ganze Festival bestimmte. Bis der rote Sonnenaufgang kam, wurde noch ausgelassen auf dem Campingplatz gefeiert, gesungen und getrommelt. Und einer konnte nicht mehr sprechen: Der "Geile Party"-Mann aus Österreich...

Danke Club Metropolitain, danke Limo TV, danke Mr.Brown Promotion.
Geretsried, wir kommen wieder...zum Sonnenrot 2005

Benjamin Großmann19.07.2004

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