Special
Samiam
Drucklos glücklich
„Auch wenn Samiam lange keine Band mehr im üblichen Sinn ist und sie sich ungefähr so oft sehen wie das linke und das rechte Bein von Gina Wild in ihren besten Tagen: auch im Punkrock gibt es wohl Idole, die sich alles erlauben können…“.
So bescheuert wie treffend bringt es der Tourtagebuch-Schreiber einer auf diesen Seiten recht beliebten deutschen jungen Punkrock-Band auf den Punkt. Es gibt Bands, die schneller in Vergessenheit geraten als sie sich ihren Ruf erspielt haben, bringen sie einfach mal für ein paar Jahre nichts mehr heraus. Aber Samiam sind eben alles andere als eine normale Band. Nach sechs regulären Alben, darunter das 94er „Clumsy“ und das 97er „You Are Freaking Me Out“, dass in den USA wegen Major-Querelen erst ein Jahr später als hier in Europa raus kam, liegt ihr „aktuelles“ Glanzlicht „Astray“ mittlerweile schlappe fünf Jahre zurück. Und was passiert? Je mehr Zeit verstrich, desto treuer und größer schien die Fangemeinde zu werden. So zumindest im März in Deutschland: Samiam haben sich mal wieder für eine Europatour zusammengerauft. Für die dritte seit „Astray“, und gleichzeitig die erfolgreichste seit langem. Die Leute sind alle aus dem Häuschen, die Shows sind ausverkauft. Sergie Loobkoff, Songwriter und Gitarrist, hat seine eigene Erklärung dafür: „Vielleicht liegt das daran, dass wir es eben nie so darauf angelegt haben. Wir waren nie wie viele andere Bands überpräsent, waren nicht in jedem Magazin auf den Titeln, haben die Leute nicht mit uns bedrängt und sind auch Gott sei Dank nie in so einen Hype reingerutscht. Wir machen das auch lange nicht mehr, um unseren Lebensunterhalt damit zu verdienen, sondern einfach weil wir Bock drauf haben. Was kann es denn besseres geben, als rumzukommen, seine Musik zu machen, nette Leute zu treffen und Spaß zu haben? Für mich so gut wie nichts.“ Und erklärt damit gleich die so selbstverständlich klingende Ausnahme-Situation, in der sich seine Jungs befinden. Wer alleine für den Spaß an der Sache tourt und alles andere komplett druckfrei angehen kann, der hat gewonnen. Sergie arbeitet als Grafik-Designer (u.a. auch für Epitaph) und muss sich somit keine Überlebenssorgen mehr machen. Mit Ex-Texas Is The Reason- Kopf Garrett Klahn hat er darüber hinaus unlängst ein neues Wunschkind auf die Welt gebracht namens Solea, die im letzten Jahr ihr selbstbetiteltes Debüt rausbrachten und damit Anhänger beider Bands zu gleicher Weise zufrieden stellen dürften. Getourt wurde hier in Europa natürlich auch. Wie Samiam das eben auch immer wieder gerne tun. In Amerika hingegen wird sogar auf der Samiam-Homepage darüber gemeckert, wie rar sie sich da mittlerweile machen. „Ich will nicht arrogant oder so was klingen, aber: Ich habe einfach keinen Bock mehr, durch Amerika zu touren! Erstens waren wir da an den meisten Plätzen schon, und zweitens sieht es da einfach überall gleich aus! Jedes Venue, jedes Hotel, jede Straße… hier in Europa hingegen ist es wunderbar! Die Städte und Länder haben Geschichte, in der einen Nacht sind wir in einer typischen Hotelsuite, in der anderen in einem gemütlichen kleinen Häuschen, überall gibt’s was zu sehen – das kommt schon nicht von ungefähr, dass das hier mittlerweile unsere 12. Tour ist! Wahrscheinlich kenne ich Europa besser als Du und einige andere Europäer!“ Auch das kann sich nicht jeder erlauben.
So relaxt und gut es aber heute läuft, so schlecht stand es nach ihrem bisher letzten Album. 2001 lösten Samiam sich auf, weil es einfach nicht mehr funktionierte. Besonders Sänger Jason Beebout hatte mit seiner Scheidung ganz andere Probleme. Es sah schlecht aus. Umso erfreulicher, wie sie sich mittlerweile wieder gefunden haben.
Aber wenn das alles so einen Spaß macht, warum dann nicht auch mal wieder ins Studio gehen? „Wir haben ein paar Songs geschrieben in letzter Zeit, und Lust haben wir durchaus auch auf ein neues Album. Nur arbeite ich auch gerade am zweiten Solea-Album, und ich kann nicht parallel für zwei Bands Songs schreiben. Wir wollen mit Solea bald ins Studio, das Album diesen Sommer oder Herbst rausbringen und dann auch wieder auf Tour kommen, das ist erstmal der Plan, dann sehen wir weiter.“
Vielleicht ist der ausgebliebende richtig große kommerzielle Durchbruch Schuld daran, dass es überhaupt wieder bis hier kommen konnte. Das große Geld kann kein Grund sein für Ihre Live-Reunion, es ist die Sache selbst. Das spürt man, ohne das Sergie es noch mal groß erklären müsste. Schaut man zurück zu den Anfängen und Ursprüngen Samiams in Kalifornien, hätte eben aber doch einiges anders laufen können: „Das mag sich für einige vielleicht unglaublich anhören, aber Green Day haben damals unsere Shows eröffnet! Die Majors begannen dann, Bands aus unserer Gegend zu signen. Und hey, sogar At The Drive-In spielten vor uns! Diese Bands haben es dann in gewisser Weise geschafft danach. Wir hingegen waren immer eine Konstante, auch wenn wir schon so gegen Mitte der 90er unseren Höhepunkt hatten, wenn man so will. Mit so was haben wir aber die wenigsten Probleme.“ Sagts und liefert dabei die wohl simpelste Erklärung für das Phänomen Samiam: Eine Band als große Konstante im Überfluss heutiger Emo- und Punk-Kapellen. Die Idole eben, die sich alles erlauben können, ungewollte Pioniere, deren Energie bis heute zu packen weiß und mit Sicherheit den Grundstein für den Erfolg heutiger Bands wie Jimmy Eat World darstellt. Oder? „Naja, was soll ich da groß zu sagen? „Ja Mann, wir waren die ersten und klar haben wir einen riesigen Einfluss auf all die aktuellen Bands!“ Das klänge arrogant und großspurig, und außerdem sehen wir das auch nicht so. Wir haben einfach unsere Musik gemacht, wie andere auch. Und wie Andere heute vielleicht von uns oder was weiß ich wem beeinflusst sein könnten, haben wir damals auch Musik gehört, die in deine eigene mit einfließt, ob du das willst oder nicht. Z.B. Dinosaur Jr. . Aber frag doch mal J. Mascis, ob er weiß, wie sehr er andere beeinflusst hat. Da wird er auch nur mit den Schultern zucken und sagen „Ja, und?!?““
Fabian Soethof, 21.04.2005
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