Konzertbericht

ZIN

ZIN – Touristen auf dem Wave-Gotik-Treffen

Parkbühne, Leipzig
30.05.2009

Die Neuentdeckung des 18. Wave Gotik Treffen ist für mich die Leipziger Band ZIN.
Die Jung-Stars verbinden kreative, treibende Electrobeats, die mal nach Anleihen aus dem Synthie-Pop der 80er (Kraftwerk), Rave-Lines der 90er oder den neuen Depeche Mode klingen, mit sattem, kräftigem Gitarrenrock und schaffen damit eine eigene, wiedererkennbare Soundlandschaft.
Dass solche Musik auf dem WGT zu finden ist, spricht für die Vielfalt dieses Festivals, dessen Bandbreite von Dark Wave über Goth Metal, EBM, Alternative, Batcave bis hin zu Mittelalter-Rock reicht, aber keinen Mainstream anbietet.

Auf dem WGT präsentieren ZIN neben zwei Krachern aus dem aktuellen Album bereits vier neue Songs, die vor Energie und Kraft strotzen und das Publikum auf der ordentlich gefüllten Parkbühne mitreißen.

Der charismatische Sänger IVEN COLE, dessen Stimme Ursache für die vielzitierte Ähnlichkeit von ZIN mit PLACEBO ist, schreit, beschwört und jammert auf der Bühne seine Wut und seine Energie dem Publikum entgegen. Getragen werden seine vielsagenden Lyrics von elektronischen Vibes (MARKUS ESTBOURG), klassischen Gitarrenriffs (VINCENT OLEY) und einem druckvollen, energischen Beat von Drummer MIKA ARTHATE.

Das Set zeigt die Variabilität der Band. Der Opener „Kiss The World Goodbye“ ist Indie-Pop mit klassischen Rock-Gitarren-Riffs, während „Tourists To This World“ mit Minimal-Electro-Beats startet und sich zu kraftvollem Alternative Rock steigert. Der Ohrwurm „Pilgrim“ erinnert an indische Klänge und hat meinen Kopf seit dem Konzert nicht mehr verlassen.

Nach dem Konzert erwische ich Frontmann IVEN auf der Parkbühne und nutze die Gelegenheit für ein paar Fragen.

BR: Woher kommt der Bandname? Wikipedia beschreibt ZIN als eine israelische Wüste … ?

IVEN: Der Bandname ZIN hat keine lexikalische Bedeutung. Er ist vielmehr ein Symbol für alle Hoffnungen, Ängste und Sehnsüchte, die in unseren Wüsten vergraben liegen und uns so lange quälen, bis wir uns mit ihnen auseinander setzten. Und der Name klingt einfach gut.


BR: Die Lyrics auf Eurer aktuellen Album „Tourists To This World“ sind zumeist nachdenklich und zuweilen sehr zynisch. Ist das Eure Art, die Welt zu beschreiben?

IVEN: Ich bin kein Zyniker!! Aber ich gehe mit wachen, misstrauischen und staunenden Augen durch diese Welt. Und da gibt es viele Dinge, die mich anrühren, aufwühlen, wütend machen und verletzen. All das inspiriert mich.
Dann muss ich schreiben, um eine Fassung zu finden für alles, was mich fassungslos macht.


BR: Wie entsteht bei Euch die Musik? Was ist zuerst da – der Text oder der Song?

IVEN: Wir beginnen immer mit der Melodie. Sie ist der Boden, auf dem der Text kreative Sounds wachsen können.
Komponiert wird ganz klassisch mit der Akustik-Gitarre, vor allem von mir. Arrangements, Sounds, Beats entwickelt Markus daraufhin in unserem Studio. Gitarren und Drums kommen dann im Proberaum dazu und geben dem Ganzen den letzten Zuckerguss.


BR: Musikalisch erinnern ZIN an eine Verbindung aus verschiedenen Musikstilen, so als würdet Ihr sehr unterschiedliche Einflüsse zusammenbringen.

IVEN: Musikalisch werden wir von allem inspiriert, was interessant und kreativ ist. Ganz unabhängig von dem Genre. Dabei hat natürlich jeder seine persönlichen Präferenzen.
MARKUS liebt chilligen Electro, wie Portishead, Goldfrap, Björk. VINCENT steht besonders auf dunkle New-Wave-Sachen, wie The Cure. MIKA mag Punk. Und ich alles zwischen Schubert und Disillusion.

BR: Auf dem WGT habt Ihr schon die ersten Songs von Eurem neuen Album gespielt. Darf man noch mehr zur neuen CD „Definition“ verraten?

IVEN: Wir haben den Bolero von Ravel interpretiert. Und einen Text des deutschen Dichters Eichendorff (Mondnacht) musikalisch umgesetzt - da singe ich zum ersten Mal auf Deutsch. Wir haben uns thematisch mit dem Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen auseinandergesetzt und damit dem Album ein sehr breites Spektrum verpasst.

Auf dem neuen Album öffne ich mich komplett, lege alle Masken ab und bin einfach ich. Das war ein schwieriger Weg, aber es hat sich gelohnt!

Das Artwork hat übrigens der Leipziger Künster Neo Rauch gemacht! Man kann den Entwurf bereits sehen auf www.myspace.com/brachialpop
Neo Rauch ist inzwischen ein großer ZIN Fan, und die Arbeit mit ihm war das Entspannteste und Witzigste, was ich je erlebt habe.


BR: Wie geht’s mit ZIN in der Zukunft weiter?

IVEN: Als nächstes ist ein Video geplant, das ziemlich abgefahren wird. Wir werden eine kleine, aber schicke Tour machen; und es wird eine ganz ungewöhnliche Form der Album -Release geben.
Wir haben außerdem vor, unsere Zusammenarbeit mit anderen Künstlern und Künsten weiter auszubauen. So könnten wir uns einen Gig zu einer Vernissage von Neo Rauch gut vorstellen, und wir wollen gemeinsam mit Autoren eine Lese-Musik-Tour starten.

BR: Und abschließend: Gibt es etwas, was Du schon immer sagen wolltest?

Iven: Ja! Vorsicht ist schlechter als WahnZIN.

© by Petra Müller (exklusiv für Bizarre Radio)

Kitty N.17.06.2009

TRACKLIST
- Kiss the world goodbye
- 2010
- The pilgrim
- Schizophrenia
- We claim monarchy
- Tourists to this world

Weitere Cd-Besprechungen und Stories
ZIN - The Definition [Cd]

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