Konzertbericht
Rock am See
Der letzte Höhepunkt
Bodenseestadion Konstanz
27.08.2011
Es wurde im Vorfeld viel gemeckert: Das Line-Up sei nicht besonders, die Bands nicht bekannt genug und dann sollte ja auch noch das Wetter umschlagen. Sturm, Kälte, Hagel etc. Da kann man eigentlich nur den Kopf schütteln, aber die Miesmuscheln schienen nicht gerade wenige gewesen zu sein, denn das Stadion war mit 15 000 Besuchern an diesem Tag nur etwas mehr als halb gefüllt.
Los ging es um 13 Uhr noch bei leichtem Regen mit „Young Rebel Set“, einer 7 köpfigen Folk Rock Band aus England. Musikalisch mit auf der Welle schwimmend, deren Vorreiter die großartigen „Mumford & Sons“ sind, bietet die Band mit ihrem entspannten Drive, den liebevoll ausgearbeiteten Texten und den sehr ehrlich wirkenden Danksagungen ans Publikum den perfekten Einstieg in diesen Festival Tag. Musikalisch hochwertig aber noch nicht zu aufregend für die Gemüter, die später noch genügend Zeit für Hitzewallungen haben werden.
Der Ton ändert sich sofort mit der nächsten Band „Royal Republic“. Das punkig angehauchte Alternative – Rock Quartett aus Malmö schaltet sofort auf Vollgas und das Publikum beginnt begeistert zu pogen. Optisch komplett in Schwarz, mit tief ausgeschnitten Unterhemden und in Lederjacken die sympathischen Halbstarken markierend, wissen die Jungs sofort zu begeistern. Man merkt ihnen die Neuheit im Musikgeschäft noch an (das hervorragende Debütalbum „We are the Royal“ ist letztes Jahr erschienen). Die Show strotzt vor Unbedarftheit, die Freude über den steigenden Erfolg strahlt ins Publikum und gerade die beiden Singles „Thommy Gun“ und „Underwear“ wissen durch den treibendem Beat, die groovenden Basslinien und die Mitsingrefrains das junge Publikum (der Altersdurchschnitt heute scheint bei maximal 18 Jahren zu liegen) genau da zu treffen wo es sein soll, in das Herz der Party Begeisterung.
An „Bonaparte“ scheiden, oder vielleicht sogar schneiden, sich die Geister. Die aus Berlin stammende Indie Punk Band hat vielleicht die momentan verrückteste Bühnenshow auf deutschen Bühnen. Ein wahrer Trash Zirkus, der sich dem Besucher hier offenbart. Fast nackte Frauen im Tierkostüm, ein 160cm großes, Dreck fressendes Baby, Bodypainting mit Blut aus Kunstgehirnen und zwischendurch wird das Publikum auch noch mit Hanutas und Brezeln beschenkt. Die Show ist abstoßend und faszinierend zugleich und lenkt hervorragend davon ab, dass die Musik der fünf Musiker eigentlich absolut nicht besonders ist. Abgesehen von dem allseits bekannten „Too much“ bleibt nicht viel im Ohr hängen und was bleibt, wünscht man sich schnell wieder los zu werden, da die Präsenz des Ohrwurms eher nerviger Wiederholungen statt fein ausgearbeiteter Melodien geschuldet ist. Auch besonders interessante musikalische Passagen sucht man vergebens.
Wieder etwas Normalität stellt sich dann beim nächsten Act „Johnossi“ ein. Das Duo aus Stockholm bietet feinen Indie / Alternative Rock mit schönen Melodien und auch vielen mitrockenden Passagen. Auch die Abstinenz weiterer Musiker auf der Bühne ist nicht negativ zu bewerten. Obwohl nur mit einer akkutischen Gitarre bewaffnet, schafft es Frontman John Engelbert dank seiner Palette an Effekten eine musikalische Wand zu erzeugen, die nichts vermissen lässt. Auch stimmlich ist er sehr gut beinander und bleibt selbst in sehr hohen Passagen standhaft. Besonders die bekannten Singles „Man must dance“ und „Roscoe“ werden vom Publikum gefeiert, das offensichtlich froh ist, nach „Bonaparte“ einfach wieder nur ausgelassen feiern zu können. Einzig stimmungsmäßig scheint die Band an diesem Tag zu früh aufgestanden zu sein. Als ein Zuschauer ein Packung Taschentücher auf die Bühne wirft erniedrigt sich Engelbert selbst mit einer wahren Hasstriade an den jugendlichen Fan, die mehr als unnötig und überzogen scheint. Auch sonst huscht den Jungs kein einziges Lächeln über die Lippen. Die Ansagen zwischen den Liedern sind voll mit deplatziert wirkenden Schimpfwörtern. Fein gespielt, aber Auftreten? Sorry: Setzen, Sechs.
Auf der komplett gegengesetzten Seite der Publikumsnähe befinden sich die „Subways“. Sänger und Gitarrist Billy Lunn bekommt das sehr sympathisch wirkende Strahlen nicht aus dem Gesicht und gluckst bei seinen Ansagen regelrecht vor Freude darüber, dass er hier sein darf und dass das Publikum richtig Spaß hat. Passend dazu hat sich das Wetter inzwischen verbessert und die Sonne strahlt über dem Gelände. Es passt alles perfekt zusammen. Die Spielfreude von Billy, Bassistin und Co-Sängerin Charlotte Cooper und Billy´s Bruder Josh Morgan am Schlagzeug ist mitreißend, der Sound äußerst kraftvoll und das Publikum auf der Höhe seiner Partyfreuden . Der Indie Rock der Band klingt roh und voller Energie, die Riffs atmen Billys Vorbilder von Nirvana bis Led Zeppelin und die vielfältigen Mitsingrefrains von „Oh yeah“, „I wanna hear what you´ve got to say“ und Überhit „Rock and Roll Queen“ begeistern ohne zu nerven. So und nicht anders soll Rock `n Roll sein. Dem deutschen Publikum seine Wertschätzung entgegen bringend, werden viele Ansagen auf Deutsch gemacht und selbst einzelne Textzeilen übersetzt. „Du bist die Sonne, du bist die Einzige, du bist so cool, du bist so ROCK AND ROLL“. Wen das kalt lässt, wer hier noch ruhig stehen bleibt, der ist falsch auf einer Veranstaltung wie dieser. Der Höhepunkt des Tages!
Nächste Band auf dem Plan sind die „Editors“. Die Indie Band um Sänger Tom Smith hat spürbar ihre Einflüsse im New Wave. Joy Divison sind definitiv ein großes Vorbild, genauso wie Interpol, Echo & Bunnyman und auch gerade durch den markanten Bariton von Smith schwebt der Geist von „David Bowie“ und „Depeche Mode“ durch das Areal. Musikalisch einwandfrei, aber von der Ausrichtung her etwas zu getragen, besonders für das Publikum, welches teilweise bereits schon seit 10 Stunden in erster Reihe auf den Headliner des Abends wartet.
„SEEED“: Nach der Pause und dem überaus erfolgreichen Solo Projekt von Sänger Peter Fox sind sie endlich wieder zurück und irgendwie noch etwas steif in der Hüfte. Der Rest der Band ist auf mehrere Ränge hinter den Sängern verteilt, während Fox und seine Kollegen Demba Nabé und Frank A. Dellé in schwarzen Anzügen die Frontmänner machen. Dieses Auftreten nimmt dem ganzen etwas das kollektive Party Gefühl, welches die Seeed Auftritte sonst immer zu einem großartigen Erlebnis gemacht haben. Die Bewegungen wirken noch etwas steif, die Jungs haben ihren Rhythmus noch nicht ganz wieder gefunden. Dies bemerkt auch das Publikum welches brav mitswingt, sich über die Hits freut, aber nicht mehr so sehr aus sich heraus geht wie früher an diesem Tag. An der Qualität der Musik gibt es allerdings nichts zu meckern. Die Gesangsfraktion harmoniert perfekt und die Perfektion der Musiker lässt keinen falschen Ton, kein ungenaues Timing zu. Die Setliste bewegt sich von Raritäten der ganz alten Alben, über neue Versionen von Hits wie „Dickes B“ bis zu Ausflügen in das Solo Programm von Fox mit „Schwarz zu blau“. Letzte Zugabe und letzter Song des Festivals ist „Aufstehen“ zu dem nochmal alle 15.000 die Hände in die Höhe strecken. Seeed werden nach dem Auftritt wieder ins Studio zurückkehren, um ihr neues Album zu beenden. Bleibt zu hoffen, dass sie sich bis zu ihrer Tour kommendes Jahr wieder daran erinnern, das eben nicht nur ihre Musik Teil ihrer Show ist, sondern die Party im Publikum wie auch die auf der Bühne als wesentlicher Bestandteil dazu gehört. Ein schöner Tag war es im Bodenseestadion in Konstanz. Ein schöner Abschluss für die Open Air Saison in Deutschland. See you all next year....
Konrad Joe, 29.08.2011
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