Interview
Thorn Eleven
Thorn Eleven - Interview
Sie sind die Art von Band, die absolut nicht in das Bild passen, dem wir uns sonst widmen. Aber als wir sie im Vorprogramm
von Kittie im September 2001 hörten, verursachte die Stimme von David Gänsehaut, also haben wir die Newcomer beim
Thumb – Konzert am 03.11.01 unter die Luppe genommen.
Ihre Musik ist zumindest in deutschem Raum außergewöhnlich, denn sie wirken mit ihrem Sound als das fehlende Glied
zwischen Grunge und New-Metal, der einen in die Zeit von „Pearl Jam“ und „Alice in Chains“ zurück versetzt. Und dieser
Musikstil a la Nickelback wird eindeutig unterschätzt.
Ein Track von euch wurde auf dem Visions- Sammpler veröffentlicht und ihr hattet einen Auftritt auf dem Bizarre auf der
Sessions-Bühne. Wieso hat es, trotz der positiven Kritik, solange gedauert bis zum Vertrag?
David: Das hat an mehreren Sachen gelegen, aber hauptsächlich an organisatorischen Problemen mit der Plattenfirma und
unserer Promotionsfirma. Als wir 1999 auf dem Bizarre gespielt haben, hat uns unsere jetzige Plattenfirma das erste mal
gesehen und danach gesagt, dass sie mit uns arbeiten wollen. Dann hat es ein Jahr gedauert, bis wir den Vertrag mit dem
Label und unserem Anwalt ausgehandelt haben. Und wir haben auch einen Produzenten gesucht. Es hat somit fast zwei Jahre
gedauert, bis wir unsere Platte aufnehmen konnten. Und das Album ist jetzt seit einem Jahr fertig und erst diesen Sommer
heraus gekommen.
Liegt es vielleicht unter anderem daran, dass momentan New-Metal angesagt ist und ihr eigentlich nicht in diese Sparte passt?
David: Es ist zum Glück ganz selten, dass wir in diese Schublade gesteckt werden. Ich glaube nicht, dass es viel damit zu tun
hat. Vielleicht wäre es schneller gegangen, wenn wir eine richtig Metalband wären, weil unser Label ein totaler Metallabel ist.
Der Plattendeal war ein hoch gestecktes Ziel von euch, dass ihr jetzt erreicht habt. Gibt es neue Ziele, die ihr euch macht?
David: Wir haben momentan eigentlich alles erreicht, was wir uns gewünscht haben, d.h. Plattendeal, Tour in England und hier
mit Thumb. Jetzt müssen wir uns neue Ziele erst mal überlegen. Vielleicht ein paar Platten mehr verkaufen. Es wäre auch
schön, wenn es mit einer eigenen Headliner Tour klappen würde, vielleicht Anfang nächsten Jahres.
Es gibt Musiker, die eindeutig sagen können, bei welchem Lied bzw. Band sie sich entschlossen haben, selbst Musik zu
machen. Gab es diesen Moment auch bei euch?
David: Als ich mir die „Appetite for Distruction“ von Guns n’Roses gekauft habe. Damals habe ich mir eine Gitarre zugelegt.
Dieses Album siehe ich als Ausschlag gebenden Punkt in meiner musikalischen Karriere.
Kai: Bei mir war es auch Guns n’Roses, aber die „use your illusions“
Heinz: Bei mir war es eigentlich nichts Spezielles. Es hatte mit dieser Musik an sich zu tun. Wegen dem Rock
habe ich irgendwann gedacht, das will ich auch machen. Und dann fängt man an.
Jeder einzelne von euch hat in verschiedenen Bands früher gespielt. In welche Richtung ist das gegangen?
David: Das war wirklich sehr unterschiedlich. Der Kai hat früher Rocketbilly gehört in seiner Jugendzeit. Meine erste Band hat
Rock und Punk gespielt, weil wir nicht mehr als drei Akkorde in ein Lied packen konnten. Unser Schlagzeuger hat zuerst in
einer Death-Metal Band gespielt.
Ist etwas von früher in eure heutige Musik eingeflossen?
David: in unsere Musik fließt hauptsächlich das hinein was wir alle gemeinsam haben, und das ist Grunge. Wir haben eigentlich
alle angefangen Musik zu machen, als Grunge ganz groß war. Grunge ist somit der eigentliche musikalische Nenner von uns.
Und ansonsten schleppt jeder das an was ihm gerade gefällt. Heinz bringt ein paar Metalriffs ein und der Drummer will alles
ein bisschen popiger, weil ihm gerade Placebo gefällt.
Ihr werdet gerne mit Incubus und Tool verglichen und gibt diese Bands auch als eure Inspirationsquelle an, aber das sind doch
bestimmt noch unzählig andere. Und was ist für euch an diesen Bands so besonders?
David: Das Problem bei den Vergleichen ist, dass die Plattenfirma natürlich versucht, den Leuten, die uns noch nicht kennen,
irgend einen Anhaltspunkt zu geben. In dem Fall ist es Tool und das hat sie in unser Bandinfo geschrieben. Mir persönlich ist
es egal mit wem wir verglichen werden. Der Lustigste war mit Green Day.
Wie würdet ihr in euren eigenen Worten eure Musik beschreiben?
David: Es ist sehr schwierig, wenn man seine eigene Platte hört, die Musik in eine Kategorie zu pressen. Ich würde
sagen, es ist Rock mit ein bisschen Geschrei. Ein Journalist hat brachial Rock geschrieben und das haben wir in
unsere Bandinfo genommen, weil das wunderbar nichts sagend klingt.
Die Musik selber ist sehr grungelastig, weil es die Musik ist, die wir alle immer noch am liebsten hören. In der Zeit
gab es fast nur Bands, die Basisinstrumente benutzen, sprich Bass, Gitarre und Schlagzeug. Wir machen nichts mit
Sammplern und Synthesizern und versuchen die Gefühle aus den Instrumenten raus kommen zu lassen.
Ihr tourt momentan mit Thumb, obwohl die Richtungen eigentlich sehr verschieden sind. Wie sind die Reaktionen auf euch als
Vorgruppe?
David: Das stimmt, aber der Vorteil beim Thumbpublikum, zumindest in den meisten Städten, es ist relativ offen
und wir werden gut angenommen. Komischerweise überschneidet sich das Publikum von Konzert zu Konzert.
Die letzten drei mal standen in den vorderen Reihen etwa 20 Leute, die unsere Songs mitsingen konnten.
Bei Kittie hier in Köln am 06.09 war es ähnlich?
Heinz: Da ging es musikalisch noch weiter auseinander, aber bisher ist es für uns als Vorgruppe sehr gut gelaufen.
Kai: Wenn ich persönlich auf ein Konzert gehe, dann finde ich es eigentlich gut, wenn die Vorband nicht genauso
wie der Hauptakt klingt. Es wäre zudem auch für den Zuschauer langweilig, wenn jetzt bei Thumb zwei
Crossover Vorgruppen spielen würden
David: Grade hier in Köln haben wir die Erfahrung gemacht, dass es ein sehr offenes Publikum ist. Wir haben in der
LiveMusikHall schon vor Omph gespielt und das war super. Hier haben wir mit die besten Zuschauerreaktionen
gekriegt. Berlin finde ich persönlich dagegen schwieriger, weil die Leute dort teilweise sehr übersättigt sind, die
können auf mehrere Konzerte am Tag gehen.
Hier bei Kittie hatten wir damals ein sehr gutes Gefühl auf der Bühne.
Eure Texte sind sehr emotional.
David: Ich schreibe die Texte alleine und sie handeln fast alle von Problemen mit Frauen. Es sind Geschichten, die mir selber
in ähnlicher Weise selbst zugestoßen sind. Ich hasse nichts mehr als politische Statements in Songs zu packen, da muss man
richtig gut schreiben können, damit es nicht platt und pathetisch rüber kommt.. Und die besten Texte habe ich geschrieben,
wenn ich schlecht drauf war. Es ist ein Weg seinen Liebeskummer zum Beispiel zu therapieren.
Kommen die Gefühle nicht jedes Mal wieder hoch?
David: bei manchen Texten setze ich mich hin und schreibe, und ein Jahr später beim Aufnehmen kapiere ich erst was ich
damit sagen wollte. Auf der anderen Seite sind die negativen Gefühle etwas, aus dem man lernen kann, deswegen stört es
mich nicht, wenn ich an alte Geschichten erinnert werde. Und eigentlich waren meine Freundinnen alles nette Frauen, und
wenn es dann zum Beispiel im Streit auseinander gegangen ist, dann bedeutet das nicht, dass die Zeit mit ihnen gleich schlecht
gewesen sind. Ich werde eigentlich gerne an die Beziehungen erinnert.
Wie entstehen die Texte?
Heinz: Bei uns werden die Texte erst zum Schluss eingebracht. Meistens sitzen wir im Proberaum und probieren
hier und da etwas aus, dann entsteht Stück für Stück eine Grundbasis und erst dann tritt David in Aktion.
Hinterher wird die Musik passend zum Text angepasst. Aber es ist noch nie ein Text vor der Musik entstanden.
David: Mir fällt es leichter, den Text aus der Musik entstehen zu lassen, wenn wir schon eine Strophe oder einen
Refrain haben, dann wird einem die Grundstimmung deutlicher.
In eurem Video, dass leider nicht oft zu sehen war, mussten die Darsteller eine Glatze tragen. Wie kommt man auf
so eine Idee?
David: die Produktionsfirma, die das Video für uns machen sollte, holte einen relativ jungen Regisseur. Er ist sehr künstlerisch
vorgegangen und hat vorgeschlagen, dass es auf dem Film von Georg Lukas „THX“ basieren sollte. In dem Film geht es um
eine Zukunftswelt, in der die Menschen eine Glatze tragen und in einer Art Unendlichkeit leben. Es ist alles weiß und man
kann keine Anhaltspunkte erkennen, zum Beispiel, wo der Raum anfängt, und die Menschen werden von Robotersoldaten
kontrolliert. Das wollten wir nachstellen, aber leider versteht man das Video nicht sofort. Das scheint der Grund dafür zu sein,
dass es vom Fernsehen nicht angenommen wurde.
Bei eurem Album habt ihr mit Andy Sneap zusammengearbeitet. In wie fern hat er euch beeinflusst?
David: Das war schon ein merkwürdiges Gefühl, er hat unter anderem mit Machine Head zusammen gearbeitet. Eigentlich mit
sehr vielen Bands, die wir früher selber gehört haben und die unsere Helden waren. Am Anfang haben wir auch gedacht, dass
er sehr viel an unserem Sound verändern würde. Aber er hat sich als sehr geduldig herausgestellt und hat unseren Sound
lediglich verfeinert und poliert. Auf die Musik hat er keinen Einfluss genommen, das hätten wir auch nicht zugelassen. Als wir
den Vertrag ausgehandelt haben, haben wir direkt reinschreiben lassen, dass wir absolute künstlerische Freiheit wollen, damit
niemand die Songauswahl oder das Artwork, für das wir uns entscheiden, reinredet.
Hat euer Name Thorn.Eleven eine spezielle Bedeutung?
David: Als wir die Band gegründet haben, hießen wir nur Thorn. Später haben wir herausgefunden, dass es im europäischen
Raum mindestens acht Bands gibt mit dem Namen. Also haben wir überlegt was wir tun sollen, und da wir bei uns in der
Gegend relativ bekannt waren, wollten wir das Thorn unbedingt behalten und uns entschlossen, die elf dran zu hängen. Es hat
auch eine Bedeutung, aber die wird nicht verraten, das behalten wir für uns. Jeder kann in die Zahl hinein interpretieren was er
will.
Ihr seid durch England mit Earthtone9 getourt. Wie waren die Reaktionen im Ausland?
David: England ist, gerade was Vorbands angeht, sehr schwierig. Das haben uns Earthtone9 am ersten Abend gesagt, dass
die Leute mit verschränkten weiter hinten stehen. Und wenn man mal was kriegt, dann ist das ein bisschen Kopfnicken und
Höffligkeitsapplaus. Wir haben nach den Konzerten trotzdem ganz gut verkauft und es war eine geile Tour für uns.
Ein Bericht von Agnes Niemyjski und Jennifer Wenz
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