Interview
PAIN
Peter Tägtgren auf dem Summer Breeze
Auf dem diesjährigen Summer-Breeze Festival in Abtsgmünd bei Aalen (Baden-Württemberg) trat als letzte Band des Festivals die Gruppe „Pain“ auf. Auf der Bühne stehen später vier Personen: Andrea, Alla, David und Peter. Doch „Pain“ ist eigendlich eine One-Man-Show. Peter Tägtgren, der bereits mit der Band Hypocrisy große Erfolge feiern konnte versucht mit „Pain“ einen Spagat zwischen Techno und Metal zu finden was ihm wirklich gut gelingt. Wenn man Peters Biografie liest, scheint gar nicht alles Platz in einem Leben zu haben. Er spielt in zwei Bands, ist erfolgreicher Produzent mehrer Bands, besitzt ein eigenes Tonstudio und ist auch noch Bürgermeister eines kleinen Ortes in Schweden mit dem Namen Pärrby. Bevor „Pain“ auftrat konnte ich mit einem gut gelaunten Peter Tägtgren das folgende Interview führen. Das anschließende Konzert war dann wirklich das Sahnehäubchen des ganzen Festivals.
SH: Was bedeutet das Projekt „ „Pain“ für Dich?
PT: Es bedeutet eine Menge Freiheit. Ich kann schreiben, was ich gerade will, und alles mögliche verrückte Zeug machen. Es gibt da keine Grenzen, weißt Du, besonders beim Songwriting und auch beim Produzieren, sondern es kann sich alles entwickeln.
SH: Was ist für Dich der Unterschied zu Hypocrisy?
PT: Das sind zwei verschiedene Geisteszustände. Es geht natürlich immer um Musik, aber die ist bei „Pain“ anders, eher, ich weiß nicht, fetziger oder eingängiger, während sie bei „Hypocrisy“ viel aggressiver ist.
SH: Irgendwo habe ich gelesen, daß „Pain“ für Dich so etwas wie ein Egotrip sei.
PT: Ja, weil das alles ich bin. Im Studio bringe ich da alle meine Ideen unter, die bei „Hypocrisy“ nicht reinpasse. Ja, es ist ein Egotrip. Ich mach nur, was ich möchte, es kümmert mich nicht, was die Plattenfirma oder sonstwer sagt. Ich schreibe nur das, woran ich glaube, und dann veröffentliche ich es.
SH: Hast Du dann auch Dein eigenes Plattenlabel?
PT: Nein, ich habe Universal als Label für „Pain“ .
SH: Und die machen Dir gar keine Vorschriften?
PT: Nein.
SH: Wieviel Einfluß hatten Alla, Andrea and David auf die Musik von „Pain“?
PT: „Pain“, das bin nur ich. Live helfen sie mir als Musiker aus, aber im Studio kommt alles von mir. Das war schon immer so.
SH: Ich habe gehört, das Du als Drummer angefangen hast. Wie gehst Du damit um, daß jemand hinter Dir sitzt und trommelt?
PT (lacht): Oh, das ist cool, solange es ein guter Drummer ist. Ich meine, wenn der nicht gut ist, macht es keinen Spaß. Ich finde, David ist ein wirklich guter Drummer, das ist cool.
SH: Wenn Du einen neuen Song komponierst, was kommt da zuerst, der Text oder die Musik?
PT: Die Musik. Ich mache immer zuerst die Musik, mische sie ab und dann kommt der Text und danach füge ich den Gesangspart ein.
SH: Das neue Album heißt “Dancing with the Dead”. Auf welche Weise spiegelt es Deine Vorstellungen vom Tod und Sterben wieder?
PT: Nun, das war ja der Grund, warum ich es „Dancing with the Dead“ genannt habe. Es war halt wirklich eine ganz neue Erfahrung für mich, weißt Du. (Anmerkung: Peter Tägtgren brach vergangenes Jahr zusammen und hatte für kurze Zeit keinen Puls mehr, bevor es Freunden gelang, ihn wiederzubeleben). Und der Titel paßte sehr gut zu dem Album und auch zu meinem Privatleben, war also insgesamt sehr passend. Es gibt da ein paar Lieder, die vom Tanz mit dem Tod und so Zeug handeln. Das ganze Album ist sehr persönlich, vor allem was die Texte betrifft.
SH: Ja, habe ich das beim Anhören auch so empfunden. Es hat da einige Lieder, da denkt man „Oh, da stecken ganz schön viele Gefühle drin.“
PT: Ja, genau.
SH: Was gefällt Dir besser, andere Bands zu produzieren, Deine eigene Musik zu machen oder live auf der Bühne zu spielen?
PT: Von allem etwas, denke ich. Weißt Du, ich liebe es, auf der Bühne zu stehen und vor Leuten zu spielen, aber ich sitze auch gerne im Studio und mache dort Musik oder produziere sie.
SH: Deine eigene Musik oder auch die von anderen?
PT: Nun, andere Bands zu produzieren macht auch Spaß und ist aufregend, aber es muß etwas sein, daß ich wirklich machen will. Zum Beispiel arbeite ich derzeit als Co-Produzent am neuen Celtic Cross Album, zusammen mit der Band. Es ist wirklich toll, etwas für jemanden zu machen, von dem Du ein Fan bist. Das ist mir unheimlich wichtig.
SH: Das heißt, Du sieht das Produzieren nicht kommerziell, sondern Du sagst auch mal, nein, Dich produziere ich nicht?
PT: Ja. Ich produziere nicht mehr so viel wie früher, sondern picke mir raus, was ich machen will. Wie zum Beispiel das Dimmu Borgir Album letzten Monat, weil ich wirklich gerne mit den Jungs zusammenarbeite und wir sehr gute Freunde sind. Und jetzt mache ich das mit Celtic Cross, weil ich seit zwanzig Jahren ein großer Fan von ihnen bin. Ich mache nur Sachen, die ich wirklich, wirklich machen möchte und nicht weil ich Rechnungen bezahlen muß oder so. Ich muß eine Sache wirklich lieben, damit ich sie mache.
SH: Woran glaubst? Ich meine, nicht spirituell gesehen?
PT: Woran ich glaube? (sucht nach Worten) Nun, ich glaube, daß man innerhalb von zwei Sekunden tot sein kann, soviel ist sicher, und zwar dann, wenn Du es am wenigsten erwartest. Also, das Leben ist real, weißt Du, und es ist sehr real. Das ist das einzige, woran ich glaube. Schwarz und weiß, verstehst Du?
SH: Das ganze Leben?
PT: Nein, aber … ich meine, das ist halt … wir sind gerade mal hier, und es geht alles so schnell und dann wir sind weg, verstehst Du? Schätze es, daß Du lebst, das ist alles.
SH: Denkst Du, es ist notwendig, daß Du einen Punkt festlegst, wo Du sagen kannst: ich war hier? Daß Du etwas hinterläßt?
PT: Manchmal möchtest Du vielleicht etwas für andere als Erinnerung hinerlassen. Ich möchte meinen Kinder etwas hinterlassen, damit sie ein Andenken an mich haben. Früher war es eher, ah, ich will das ultimative Ding machen, ein Album oder sonstwas, und wenn ich sterben, dann erinnern sich alle Menschen an mich, aber jetzt geht es mir mehr um meine Familie.
SH: Man hört nicht viel über Deine Familie. Was bedeutet Dein Familie für Dein Leben und wie beeinflussen sie Deine Musik und Deine Arbeit?
PT: Mein Sohn ist mir sehr wichtig, und ich denke, es ist das allerwichtigste für mich, daß ich mit ihm zusammen bin und so, weißt Du. Alles andere ist zweitrangig. Das ist sehr wichtig.
SH: Aber Deine Familie ist nicht mit dabei, wenn Du auf Tour gehst?
PT: Nein, nein. Na ja, momentan bin ich oben in Hannover, wo ich sechs Wochen lang das Celtic Album aufnehme. Ich werde sie also sechs Wochen lang nicht sehen.
SH: Wie hältst Du das eigentlich aus, auf der Bühne eine Stunde lang ins Mikro zu schreien? Werden da die Stimmbänder nicht überlastet?
PT: Doch manchmal. Bei Hypocrisy ist es leichter, bei „Pain“ ziemlich hart. Mir fällt es schwerer, normal zu singen.
SH: Wirklich?
PT: Ja:
SH: Entscheidest Du auch über die Handlung in den Videoclips?
PT: Nein.
SH: Mich hat das Video zu “Just hate me” ziemlich beeindruckt, das ist sehr emotional.
PT: Ja. Ja, das ist ganz schön abgefahren. Der Typ, der das gemacht hat, ist ziemlich gut.
SH: Wer war das?
PT: Der gleiche, der auch “Shut your Mouth” und ein paar der anderen Videos gemacht hat.
SH: „Shut your Mouth“ ist auch toll. In dem Video geht es ja um Außerirdische und auf dem Cover von “The Arrival” (Hypocrisy) sind ebenfalls Außerirdische zu sehen.
PT (unterbricht): Ja, aber das war nicht meine Idee!
SH: Auch wenn das nicht Deine Idee war, glaubst Du an Außerirdische?
PT: Ach weißt Du, ich glaube schon, daß es sie gibt, aber ich glaube nicht, daß sie hier unter uns sind.
In dem Moment geht ein etwas sonderbar aussehender Musiker mit Corpse Paint Make-up vorüber.
SH: Nun, manchmal könnte man das schon meinen.
PT: Ja, man kann nie wissen.
SH: Kommt immer drauf an, wen man sieht.
PT: Oh ja.
SH: Letzte Frage: gibt es etwas, das Du gerne mal gefragt werden würdest, etwas, das Dich noch nie jemand gefragt hat.
PT: Nein, ich glaube, mir wurde schon so ziemlich jede Frage gestellt, mein Leben wurde gründlich durchleuchtet.
SH: Vielen Dank für das Interview.
Das Interview führte Stefan Hitzler, WWW.Flashinthedark.de
Kristin Feldmann, 16.09.2005
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