Interview

Nachtgeschrei - Mit ordentlich Krawumm auf dem Weg zum Mittelalterrockthron

Nachtgeschrei

Mit ordentlich Krawumm auf dem Weg zum Mittelalterrockthron

War 2012 wohl eher das Jahr der Dursstrecke für die Frankfurter Mittelalterrockband Nachtgeschrei, so scheint 2013 direkt zu einem der erfolgreichsten in der bisherigen Bandgeschichte zu werden. Samt neuem Frontmann und mit dem neuen Studioalbum „Aus Schwärzester Nacht“ haben sich die sieben Hessen aufgemacht, um Bands wie In Extremo vom mittelalterlichen Rockthron zu verdrängen. In einem offenen Gespräch hat uns nun Drummer Stefan einen Einblick in die Entstehungsgeschichte des neuen Werkes sowie die weiteren Pläne im Hause Nachtgeschrei gewährt.

Bizarre Radio: Erst einmal ganz lieben Dank dass ihr euch die Zeit für dieses Interview nehmt. Wie habt ihr denn die Tage seit dem Release eures neusten Albums „Aus Schwärzester Nacht“ bisher so erlebt?

Stefan: Hallo Katja! Nichts zu danken, gerade im Moment passiert so viel Aufregendes – da ist es doch umso schöner, wenn wir ein bisschen erzählen können. Nun sind knapp zwei Wochen vergangen, seit wir die neue Platte offiziell veröffentlicht haben. Seitdem atmen wir jeden Tag mehr auf, denn die Reaktionen sind wunderbar! Beinahe jedes Review, viele Kommentare und auch persönliche Nachrichten zeigen uns, dass der Hammer einschlägt und das neue Album mit ordentlich Kawumm ein neues Kapitel in unserer Bandgeschichte einläutet.

BR: Welche Reaktionen gab es denn bisher von Fans und Presse auf das neue Album? Sind die Feedbacks so wie ihr es euch erhofft habt?

Stefan: Wir haben gehofft, dass „Aus Schwärzester Nacht“ den Nerv des Hörers trifft und unsere Leidenschaft in den neuen Songs rüberbringt. Bisher sind die Reaktionen derart positiv, da sind wir wirklich glücklich. Klar gibt es auch kritische Töne, aber die sind aktuell wirklich ordentlich argumentiert und nicht zuletzt deshalb auch verschmerzbar.

BR: Im letzten Jahr musstet ihr ja durch den Ausstieg von eurem Ex-Sänger Hotti durch ein dunkles Tal wandern. Einige Pessimisten hatten da sicherlich schon das Ende von Nachtgeschrei vor Augen. Ihr habt dann ja aber mit Martin LeMar einen tollen neuen Frontmann in die Band bekommen. Wie habt ihr diese Zeit innerhalb der Band erlebt? Habt ihr selbst jemals mit dem Gedanken gespielt gehabt aufzuhören? Und inwieweit haben sich die Erlebnisse auf das Songwriting zu „Aus Schwärzester Nacht“ ausgewirkt?

Stefan: Es war wirklich keine leichte Zeit. Zwischendurch gab es vereinzelt Zweifel, klar. Jedoch nicht daran, dass wir weitermachen wollten. Eher hatten wir Kopfschmerzen, da sich auch aus unserer Sicht die Durststrecke bis zu Martins Einstieg sehr lange anfühlte. Noch dazu war jedem in der Band klar, dass uns diese Umbesetzung zeitlich in unserer Entwicklung zurückwerfen wird. In unseren Texten sind Anspielungen darauf zu finden, dass wir mit neuer Stärke zurück sind… genau wie auch musikalisch hörbar ist, dass uns die gemeinsam durchgestandene Phase fester zusammengeschweißt hat. Es ist viel passiert, und das hört man.

BR: Wie ich finde ist das Album mit seinen 16 Songs ja wirklich mehr als großzügig bestückt. Das sollte eure Fans sicherlich sehr erfreuen. Was könnt ihr mir denn so über die 16 Songs erzählen? Welche Songs bewegen euch persönlich denn am meisten?

Stefan: Witzigerweise war die Spielzeit bei manchen Reviews sogar ein echt negativer Kritikpunkt. Das war auch mal eine neue Erfahrung, denn bisher war ich immer super erfreut wenn ich mir ein Album mit viel gutem Material gekauft habe.
Zu den Songs gibt es sicher viele Geschichten. „Sirene“ zum Beispiel war schnell als Opener festgelegt. Es sollte erst mal eine ordentliche Packung zu Beginn geben, damit jeder direkt merkt, worum es auf dieser Scheibe geht. Der „Spieler“ war der erste Song, zu dem Martin (damals als Demo) einen Gesang ausgearbeitet und uns geschickt hat, quasi als Kreativarbeit. „Am Ende der Zeit“ basiert auf einer Grundidee, die wir beinahe verworfen hätten – was mal wieder der Beweis dafür ist, wie viel unterschiedliche Einflüsse bei uns verarbeitet werden. Und auch, wie gut es sein kann, nochmal unbefangene Ohren an einen Song ranzulassen. „Für alle Zeit“ ist eine abwechslungsreiche Nummer, bei der uns der schon lange gehegte Plan gelungen ist, mal etwas deutlicher aufs Gaspedal zu treten. Und die Bonusversion des quasi Titelsongs „In die Schwärze der Nacht“ ist ein Stück, mit dessen Orchester Arrangement Martin uns ganz schön aus den Socken geblasen hat. Es gibt noch viel mehr Geschichten, die leider den Rahmen sprengen würden. Das erzählen wir zum Beispiel gerne nach dem Gig am Merchstand.

BR: Fans und insbesondere die Presse neigen ja dazu Bands und ihre Musik gerne mal in irgendwelche Genreschubladen zu stecken. Was haltet ihr davon? Ist Nachtgeschrei für euch denn überhaupt so eine typische Mittelalterrockband?

Stefan: Eine grobe Orientierung ist sinnvoll und durchaus nützlich. Schwierig wird es, wenn es immer weiter ins Detail der einzelnen Genres geht. Da stellt sich für mich, zugegeben, oft die Frage, ob es wirklich eine weitere Schublade gebraucht hätte. Klar, es gehört zum guten Ton als Musiker, sich davon zu distanzieren. Na ja… ich find das schon in Ordnung. So lange etwas Spielraum und – vor allem – Luft zur Weiterentwicklung da ist. Eine Grenze ist okay, so lange sie Anhaltspunkt ist und nicht im Weg steht. Unterm Strich stell ich mir dann die Frage: Welche Band ist eine typische Mittelalterrockband?

BR: Mir ist beim Hören ganz schnell aufgefallen, dass „Aus Schwärzester Nacht“ um einiges härter und druckvoller klingt wie noch sein Vorgänger „Ardeo“. Woran könnte das eurer Meinung nach liegen?

Stefan: Schön, dass Du es so empfindest! Es sollte auf jeden Fall mehr Definition bekommen und weniger verwaschen klingen. Diese Scheibe hat eine klarere Identität und zeigt Nachtgeschrei, wie wir uns in der Zwischenzeit entwickelt haben. Eine Spur rauer, ja. Dafür auch etwas vertrackter und doch trotzdem geradeaus wie nie zuvor.

BR: Wo und mit wem habt ihr denn das neue Album aufgenommen?

Stefan: Wir waren erneut im SU2 Studio bei Phil Hillen im wunderbaren Saarland. Die vertraute Umgebung während der Aufnahmen hat uns nochmal ein Stück nach vorne gebracht. Und ich rede jetzt nicht nur davon, dass jeder schon von Anfang an wusste, wo der Kaffee steht.

BR: Im März gab es ja die große „Aus Schwärzester Nacht“ Pre-Listening-Party in Mörfelden. Ich schätze mal ihr seid jetzt selbst auch schon ganz heiß das neue Material endlich live auf der Bühne spielen zu können. Wie sehen denn da die Pläne für 2013 aus? Auf welchen Festivals darf man mit euch rechnen? Gibt es denn auch noch andere, nicht veröffentlichte Termine über die ihr mir schon ein wenig was verraten könnt?

Stefan: Eine Hand voll Termine sind noch nicht veröffentlicht, da noch Kleinigkeiten geregelt oder auch verhandelt werden müssen. So viel sei verraten, über den Sommer kommen noch schöne Gigs dazu. Haltet die Augen auf!

BR: Und wo wir schon das Thema Tour ansprechen: Ihr seid ja alle neben der Musik noch berufstätig. Wie schafft ihr es euer Arbeitsleben und den stressigen Musikeralltag unter einen Hut zu bringen?

Stefan: Das frage ich mich auch manchmal! Jeder muss hierfür seinen eigenen Weg finden. Denn wie schon unsere Persönlichkeiten, so sind auch unsere Berufe derart unterschiedlich… das geht von festen Arbeitszeiten über Schichtdienst bis hin zu selbstbestimmter Arbeitszeit. Demnach haben Einige von uns auch sehr unterschiedliche Kapazitäten, wann sie etwas für die Band tun können. Bisher haben wir es noch immer auf die Reihe bekommen, jedoch gehen Einzelne hin und wieder ganz klar auf dem Zahnfleisch.

BR: Ich bin mir sicher, dass ihr auch privat und außerhalb von Nachtgeschrei nicht vollkommen auf Musik verzichten werdet. Welchen Tipp habt ihr denn für die Bizarre Radio Gemeinde?

Stefan: Klar, wir haben alle unsere Musik, die uns glücklich macht und ohne die es auch nicht geht. Im Zuge der Arbeit an unserer CD bin ich leider Ende letzten Jahres etwas hinsichtlich äußerer Einflüsse stehen geblieben, kann aber zumindest sagen, dass ich mit den neuen Platten von „Triggerfinger“ und „The Intersphere“ zwei wirkliche Highlights im Jahr 2012 hatte.

BR: Zum Ende des Interviews würde ich gerne noch ein kleines Assoziationsspielchen mit euch machen. Ich werde euch jetzt ein paar Begriffe/Phrasen nennen. Bitte nennt mir einfach das, was euch spontan zu den Begriffen einfällt.

BR: Heimat.
Stefan: Drumhocker.

BR: Traumhaft wäre, wenn…
Stefan: … wir 2014 eine Platte rausbringen, mit der wir die aktuellen Reaktionen noch toppen.

BR: Backstage.
Stefan: Ist ein Klischee! Diese “Parties” gibt es nicht. Na ja, gut… vielleicht manchmal.

BR: Sex, Drugs & Rock’n’Roll.
Stefan: … wird irgendwann zu Erotik, Rotwein und Jazz. Hab ich mir sagen lassen.

BR: Ohne …. kann ich / können wir nicht mehr leben.
Stefan: Na, „Musik“ ist zwar korrekt, aber doch arg plakativ. Nehmen wir… „Fleischkäsebrötchen“.

BR: So, das war es dann für heute. Wenn ihr möchtet, dürft ihr gerne noch ein paar Worte an eure Fans richten.

Stefan: Nach wie vor, und heute mehr denn je: Wir sind jedem Einzelnen von Euch dankbar dafür, was wir bereits miteinander erlebt haben und noch erleben werden. Toll, dass Ihr dabei seid… wir sehen uns!

Kitty N.03.04.2013

LINKS

Weitere Cd-Besprechungen und Stories
Fiddler's Green, Nachtgeschrei - Traditionell und handgemacht - Nachtgeschrei supporten Fiddlers Green [Tourdaten]  [Cd]  [Tourdaten]

Leserkommentare

Zu diesem Interview wurde noch kein Kommentar geschrieben.

  • Um einen Kommentar zu schreiben, musst du dich einloggen.

BIZARRE RADIO PRÄSENTIERT