Interview
Laith Al-Deen
Interview zum neuen Album "Was wenn alles gut geht" und weiteren Lebensphilosophien
Laith: Schönen guten Morgen, hier ist Laith Al-Deen.
BR: Hey Laith! Wie gehts dir?
Laith: Mhm... Ok! (lacht) Für die Uhrzeit Ok. Wir waren noch bis Nachts auf der Carreras-Gala und sind erst spät zurückgekommen.
BR: Ja, ich kenn das. Ich spiele selber in einer Band und weiß wie es ist, um 3Uhr im Bett zu sein und um 9Uhr wieder rauszumüssen. Aber wir machen das ganz schnell, ich habe nur ein paar kleine Fragen an dich, die mich aber brennend interessieren.
Erstmal, wie fühlt es sich an, nach drei Jahren Album-Abstinenz wieder zurück zu sein?
Laith: Gut, sehr gut! Ich habe gestern erst von meiner Band erfahren, dass D'Angelo ein neues Album rausgebracht hat, nach 14 Jahren! Und ich trage den Gedanken auch mit mir rum, wie es nach drei Jahren ist. Also, es ist schön dass was passiert, es ist schön wieder was zu machen, es ist ein gutes Gefühl damit auf Tour zu gehen, auf die Strasse zu gehen, auch mit einem Thema an die Öffentlichkeit zu gehen, was nicht jedem Klatsch und Tratsch entspricht. Aber ehrlich gesagt, habe ich auch gar nicht das Gefühl, dass ich jetzt so wahnsinnig lange weg war, als müsste ich jetzt mein großes Comeback geben.
BR: Ja, da sind vielleicht drei Jahre doch ein bisschen zu kurz, gerade in Anbetracht, wieviel du auch da zu tun hattest.
Laith: Ja, genau.
BR: Nicht schlecht. Jetzt mal zum neuen Album. Ich muss natürlich erstmal zugeben, dass ich jetzt nicht nur als einer von der Presse agiere, sondern ich mich auch klar als einer deiner Fans sehe ( Laith: das freut mich! ) Dein absolutes Markenzeichen: deine Texte. Poetisch, Metaphorisch, Klangvoll. Woher nimmst seit vielen Jahren deine Ideen, bzw. Was sind deine größten Inspirationsquellen?
Laith: Ja, das klingt jetzt vielleicht wieder ein bisschen abgedroschen, aber es sind die vielen Dinge, die tagtäglich im Leben passieren. Gerade wenn man Texte im Verbund schreibt, mit Leuten die deine Texte verstehen und teilen, dann vermischen sich ja auch Geschichten. Und auf das bisschen Lebenserfahrung von dem Einen, kommt ein bisschen Lebenserfahrung von dem Anderen.
Dieses Album ist sehr speziell, denn es erzählt meine ganz eigene Geschichte, der letzten vier Jahre, die verarbeitet worden ist. Jeder Mensch, der schonmal in seinem Leben, oder in dem eines Bekannten, eine Lebenskrise mitgemacht hat, der weiß worum es geht. Und es ist so erfreulich, dass ich von Leuten Resonanz bekomme, von denen ich schon lange nichts mehr gehört habe und die mir aber sagen "Hey Laith, ich hab deine neue Platte gehört, kenne die Thematik, steck da gerade selbst drin, wollen wir mal telefonieren". Das ist irgendwie schön, obwohl ich gar nicht vorhatte, therapeutisch vorzugehen ( beide lachen ). Aber es ist schön mitzubekommen, dass es Leute gibt, die andocken können und für sich irgendwas mitnehmen. Es sind dann meistens immer solche Ereignisse gewesen, die die Geschichten für meine Platten geschrieben haben.
BR: Ja, definitiv. Sehe ich ganz genauso. Da komm ich auch direkt zu meiner nächsten Frage:
Der Tenor deines neuen Album Namens " Was wenn alles gut geht " ist ja doch eher positiv. Warum hast du gerade diesen Namen gewählt?
Laith: Weil die Frage "Was wenn alles gut geht" einen positiven Ausgang impliziert. Aber im Grunde genommen, impliziert es eigentlich widerrum doch nichts, und das finde ich das Schöne daran. Letzlich hat es viele Leute dazu gebracht, es positiv zu sehen. Aber gerade ich als alter Zweifler, der Sachen eigentlich in 3/4 seines Lebens negativ beleuchtet hat ( beide lachen ), kann so einen Titel mal gut als eigenen Vorsatz vertragen. Selber zu sich zu sagen "hey, mach mal locker, lass dich treiben und geh mal davon aus dass es funktioniert". Das ist natürlich viel leichter gesagt, als getan, aber es ist ein tolles Motto, obwohl ich eigentlich ein Mensch bin, der nie wirklich ein Lebensmotto haben wollte. Also wäre "Was wenn alles gut geht" mal ein guter Anfang.
BR: Das sollte sich der Ein oder Andere mal zu Herzen nehmen. ( Laith lacht )
Frühling taut den Schmerz auf. Was sagst du dazu?
Laith: Jeder, der mal aus einer Liebesbezieung unfreiwillig ausgeschieden ist, weiß wie es ist, in die emotionale Antarktis geschickt zu werden. Widerrum kennt auch jeder das Gefühl, wie es sich anfühlt, wenn sich die Wärme wieder einstellt, wenn man wieder weiß, wo man hingehört. Wenn man den Weg nach vorne findet, von mir aus auch zum anderen oder gleichen Geschlecht. Wenn man festellt, dass die Kraft zurückkommt. Das ändert sich ja nie im Leben, fühlt sich immer gleich an, vielleicht ändert sich ein bisschen die Tragweite, gerade wenn es auch mal eine Ehe ist, die auf dem Spiel steht. Und das war mir ein Anliegen, als kleines Gegenstück zu den ersten Verliebtheits-Platten von vor 14 Jahren.
BR: Dann steht der Frühling quasi auch wieder für ein Bild. Also der Frühling ist nicht der Frühling, sondern der Frühling in dem Moment kann alles sein.
Laith: Im Prinzip kann der Frühling alles Positive sein, hauptsache es nimmt eine positive Wendung. Das ist das, was die Platte ausmacht. Es gibt natürlich ein paar Täler, aber am Ende des Tages kommt der Protagonist eher wieder aus der Situation heraus. Und das war das Ziel des Ganzen.
BR: Cool. Du hast es eben ja selber angesprochen, 14 Jahre ist dein Durchbruch her, 8 Longplayer herausgebracht. Findest du, das ist jetzt der am besten Gelungene, oder kann man das als Künstler so gar nicht sagen?
Laith: ( lacht laut ) Das ist ja der Klassiker. Jeder Musiker behauptet "Ja klar, das ist das beste, was wir je herausgebracht haben". Sagen wir so, es ist das erste Album, was komplett mit der eigenen Band entstanden ist. Das ist natürlich höchst erfreulich und war immer ein angestrebtes Ziel von mir seit 10 Jahren, was leider aus diversen vertraglichen Gründen nie ganz einfach war. Das macht mich unglaublich stolz, weil wir merken, dass manche Songs nur funktionieren, weil wir sie in dem Moment im Studio erarbeitet haben. Aber ich hoffe natürlich, dass noch ein paar weitere Alben kommen, die diesem Album jetzt das Wasser reichen können. Es hat auch ein paar kleine musikalische Veränderungen gegeben, es ist tatsächlich ein kleines bisschen härter geworden, hat alles ein bisschen mehr Drive und Fahrt, alles sucht sich noch seinen Weg und ist irgendwo angekommen.
BR: Ja, das ist mir auch aufgefallen. Beim Durchhören habe ich auch bemerkt, dass da jetzt in den Songs ziemlich viel Fahrt und Antrieb steckt. Geht schon ziemlich in die Rockrichtung.
Laith: Das war keine bewusste Entscheidung, aber in Anbetracht der Band, die logische Konsequenz. Natürlich hat es auch was mit dem Produzenten Peter Keller zu tun, der doch eher in der Rockfraktion anzusiedeln ist. Beim Proben steckt da sogar noch ein bisschen mehr Drive drin, und ich denke auch, dass sich ein paar Fans, die jetzt vielleicht nicht mehr ganz so jung sind, früher vielleicht auch die eine oder andere Rockscheibe zuhause hatten, bestimmt auch ein Stück weit wundern werden und das ist ehrlich gesagt auch sehr gut so.
BR: Super. Damit hast du mir auch eigentlich schon die nächste Frage vorweggenommen. Was unterscheidet die neue Platte von den Vorgängern bzw. Wo liegen die Parallelen? Haben wir natürlich jetzt schon gut vorgearbeitet: Die immer wiederkehrende Frage des Lebens und dass das neue Album rockigere Züge hat, als seine Vorgänger.
Laith: Richtig. Abgesehen von zwei Songs, gibt es auf dem neuen Album nur eine Thematik. Es ist schon das persönlichste Album, aber deswegen waren die Anderen nicht weniger emotional.
BR: Okay Laith, dann wären wir eigentlich schon bei der vorletzten Frage angekommen.
Weniger Albumspezifisch, aber dafür doppelt interessant. Dein Durchbruch kam vor 14 Jahren im Jahre 2000. Wo siehst du dich in den nächsten 14 Jahren?
Laith: Oberster Punkt auf meinem Lehrplan, ist das Abschaffen von Prognosen. Wenn es gut läuft, kann ich das noch tun, was ich gerade tue. Denn die Musik ist wohl dann doch mein Steckenpferd. Aber das weiß man ja nie, gerade wenn man so viel raucht wie ich ( beide lachen ). Letztendlich kann ja alles mögliche passieren, ich bin jetzt in einem Alter, wo man mitbekommt, dass es Gleichaltrige viel zu früh dahinrafft, oder sich das Leben in seinen sämtlichen Formen andere Wege ausdenkt. Sehr gerne würde ich irgendwann in die Produktionsrichtung gehen. Dazu kommt noch, dass ich gerade nebenbei an einer Metalplatte arbeite, die zur Hälfte fertiggestellt ist, die ich auch irgendwann mal rausschmeissen möchte. ( beide lachen und erkennen, dass sie beide Metalfans sind ) Ich möchte meine Leidenschaft nie abstellen, gerade erst gestern musste ich in einem Interview meine Top 10 der Bands angeben, die mich am meisten beeinflusst haben. Du kannst dir nicht vorstellen, wieviel mal Iron Maiden, Slayer oder Kreator vorkam. Es geht darum, eigene Prioritäten zu finden und irgendwann werde ich diesen Metalkram raushauen, ob es den Leuten gefällt weiß ich nicht, es wird auch viele wundern, aber das ist mir total egal. Und solange ich das machen kann, läuft alles richtig. Ob das jetzt in 14 Jahren immer noch so ist, weiß nur der Wind... ( beide lachen )
BR: Das weiß nur Wind, das war wunderschön gesagt. Letzte Frage Laith: Stell dir vor, du wüsstest, du hast morgen dein allerletztes Konzert in deinem Leben und beendest morgen somit deine Musikerkarriere. Was würdest du dir für den morgigen Abend vornehmen und was würdest du den Leuten noch sagen und mit auf den Weg geben wollen?
Laith: ... und Tschüss! ( beide lachen laut ) Es gab da mal eine Band namens "Uncle Ho", irgendwo aus dem Norden Deutschlands, die kamen mal auf die Bühne mit "Hey wir sind Uncle Ho" und verließen sie mit "Tschüss, wir waren Uncle Ho".
BR: Da ist wohl Weniger Mehr.
Laith: Ja, ich fand das auch sehr beeindruckend. Ich denke ja, dass man sich in so einem Moment extrem verquatscht. Ich habe gestern erst mit dem Sänger von den Scorpions gesprochen, und ich erinnerte mich daran, wie sie vor ein paar Jahren schon mal sagten, dass sie jetzt eigentlich die Segel streichen würden... Ja, und jetzt demnächst kommt das neue Album raus. ( lacht laut )
Von daher würde es wohl so ein Satz sein, wie "bitte hebt mich aus dem Rollstuhl", weil man sich als Musiker sehr schwer tut, sich von Bühnen fernzuhalten. Ich denke ich würde es eher damit versuchen, das Ganze mit viel Understatement zu segnen und tatsächlich keine großen Reden zu schwingen, keine Tipps zu geben um mich einfach schnellstens zu bedanken, für die tolle Zeit die ich haben durfte.
BR: Super, perfekt. Laith, das war das Schlusswort. Ich hoffe es hat dir auch ein bisschen Spaß gemacht und war nicht zu nervig.
Laith: Nein! Überhaupt nicht. Ich bin dann jetzt auch mal wach, das ist schonmal sehr gut.
BR: Ich auch, super! Ich mache mir jetzt einen Kaffee und dann gehts weiter.
Laith: Das klingt sehr gut, dann wünsch ich dir also ein leckeren Kaffee, schönes Erwachen und einen guten Tag!
BR: Das Gleiche an dich. Wir sehen uns am 29.01.2015 in Köln in der Live-Music-Hall.
Laith: Ah, sehr schön! Die Tour wird der Hammer. Finde ich schön, dass wir uns sehen.
BR: Laith, ich wünsch dir Was, viel Erfolg! Ciao.
Laith: Ich dir auch, bis bald, Tschüss!
Paul Lettieri, 20.12.2014
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