Cd-Besprechung
Leserwertung: 14.6 Punkte
Stimmenzahl: 5
The New York Sun, 1897:
„Dear Editor. I am 8 years old. Some of my little friends say there is no Santa Claus. Papa says, `if you see it in the sun, it’s so`. Please tell me the truth, is there a Santa Claus?” –Virginia O’Hanlon
Hurricane Festival, 2005:
Um ca. 17.00 Uhr eröffnen die Dresden Dolls vor wolken verhangener Kulisse das Festival. Eigentlich sollte derart künstlerische Musik eher um kurz vor Mitternacht in abgedunkelter Zeltatmosphäre dargeboten werden. Nichtsdestotrotz wird es ein fulminanter Auftritt, der ein ansonsten eher blass-verregnetes Festival einläutet. Diese Band verströmt live einfach eine nicht zu fassende Stimmung.
April 2006:
Amanda Palmer und Brian Viglione hätten es sich einfach machen können. Hätten nach dem Abstauben von unendlich vielen positiven Resonanzen auf ihr Debütalbum und erfolgreichen Touraktivitäten auf der ganzen Welt ihren Brechtian-Punk-Cabaret Stil ins Extreme führen können. Warum nicht beim zweiten Album ein Konzeptwerk über die ausschweifenden Verrücktheiten einer Welt voller Künstler, Gaukler und Chanson-Marionetten kreieren? Dazu gleich mit einer 50-köpfigen Truppe aus Schaustellern und Artisten auf Tour gehen. Gottlob haben die beiden diese Fiktion nicht in die Tat umgesetzt.
There is this thing that’s like fucking except you don’t fuck…sing for the president, sing for the terrorists, sing…there is this thing that’s like talking except you don’t talk…sing for the teacher that told you that you couldn’t sing…
Das Zweitwerk der Dresden Dolls ist genialerweise eben keine Freakshow geworden. Vielmehr tritt auf Yes, Virginia genau das ausgefeilte Songwriting von Amanda Palmer zutage, welches man auf dem Erstlingswerk streckenweise noch nicht so perfekt und in Vielfältigkeit harmonisiert erkennen konnte. 13 Songs lang führt uns das amerikanische Duo durch eine Welt brutaler Ehrlichkeit. Kaum eine menschliche Emotion, die nicht in den schonungslosen Texten sanft und doch niederschmetternd zugleich offenbart und therapiert wird. Scham, Zynismus, Angst, Hoffnung, Sex, Politik, Sucht. Das soll den beiden erstmal jemand nachmachen, all diese Sektionen des Lebens auf einer Platte unterzubringen.
life is no cabaret…we don’t care what you say…we’re inviting you anyway…you motherfuckers, you’ll sing someday!
Die Musik ist ruhiger, unaufdringlicher, aber nicht minder umwerfender geworden. Das Piano malt melodisch perfekt in Szene gesetzte Popszenarien auf, die dann von den Vibrationen der Felle und Becken durchgerüttelt werden, so dass das Schreckgespenst Mainstream auch dieses Mal nicht in Sichtweite kommt. Rhythmische Wachrüttler wie Modern Moonlight warten mit Drum-Eskapaden auf, die jede Hardcore Band schüchtern den Weg frei machen lässt. Zärtlich-düstere Balladen wie First Orgasm gehen dafür bis tief unter die Haut und hinterlassen wohlige Narben. Dresden Dolls bedeutet übersetzt immer noch speziell, besonders und nicht einzuordnen. Aber mit Yes, Virginia haben die beiden eine neue Klangfarbe erreicht, die mal brodelnd den Kopf zurecht rückt, mal harmonisch die Mundwinkel sich gen Himmel recken lässt. Fortschritt so wie er sein sollte.
The New York Sun, 1897:
„Yes, Virginia, there is a Santa Claus. He exists as certainly as love and generosity and devotion exist, and you know that they abound and give to your life its highest beauty and joy…Only faith, poetry, love, romance, can push aside that curtain and view and picture the supernal beauty and glory beyond.”
13 Punkte (von max. 15)
Bogatzke , 18.04.2006
TRACKLIST
1. Sex Changes
2. Backstabber
3. Modern Moonlight ***
4. My Alcoholic Friends
5. Delilah
6. Dirty Business ***
7. First Orgasm
8. Mrs. O
9. Shores Of California
10. Necessary Evil
11. Mandy Goes To Med School
12. Me & The Minibar
13. Sing ***
[ *** Anspieltipps ]
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