Cd-Besprechung
Leserwertung: 12.4 Punkte
Stimmenzahl: 21
Die großen fünf der Grunge-Ära: Alice In Chains - nach dem Tod von Layne Staley der charakteristischen Stimme beraubt. Stone Temple Pilots - mehr oder weniger aufgelöst. Soundgarden - gibt es schon seit 1997 nicht mehr. Nirvana - hinlänglich bekanntes Schicksal. Pearl Jam - Europa-Tournee 2006, neues Album, neues Label, konstante Bandbesetzung (abgesehen vom Schlagzeuger), ein Fanclub (Tenclub), der sich aktiv politisch engagiert, ...
Natürlich gab und gibt es immer wieder Projekte aus Überbleibseln der oben beschriebenen Bands, prominentestes Beispiel in letzter Zeit: Audioslave. Aber als einzige große Konstante seit Anfang der 90er haben Seattles Pearl Jam mit ihrer Philosophie überlebt. Gleichzeitig muss man kontinuierlich sinkende Verkaufszahlen der Alben seit dem Erstlingswerk "Ten" (ca. 10.000.000 verkaufte Exemplare in den USA) erwähnen, den kommerziellen Tiefpunkt stellte das 2002er Album "Riot Act" dar (ca. 500.000 verkaufte Exemplare in den USA). Trotzdem hat sich die Band um Eddie Vedder eine sehr große Fanbasis erhalten und die Konzerte gelten als absolute Highlights. Und jetzt gibt es ja das neue, selbstbetitelte Album mit dieser Avocado vorne drauf.
Innerhalb der CD-Hülle (natürlich Digipak) ist es dann schnell vorbei mit der harmlosen Avocado: Booklet und Hülleninneres erinnern an Tool, düstere Motive, zerfallende bis zerstückelte Köpfe und Körper sind zu erahnen. Allerdings ist alles künstlerisch ansprechend und eher darstellend als schokierend gestaltet (mal abgesehen von dem Bild, dass sich hinter der CD verbirgt).
Fordernd, emotional und mit einem Sound, der irgendwo zwischen den ersten drei Alben anzusiedeln ist, präsentiert sich die neue Platte. Groß geändert hatte sich ja eigentlich nie etwas, aber das i-Tüpfelchen Rock´n´Roll wurde nach dem Megaseller "Ten" von den Kritikern vermisst. Schon seit "Ten" wird Rock geboten, der von einer oder zwei (meist mit Single-Coil-Tonabnehmern ausgestatteten) Rhythmus-Gitarren (Stone Gossard, Vedder) vorangetrieben wird. Bei ruhigeren Stücken werden auch gerne Akustikgitarren verwendet. Soli und Lead-Gitarren-Parts mit typischer Verzerrung (Mike McCready) ergänzen die Riffs. Klanglich eher im Hintergrund steht Jeff Aments großartiges Bassspiel, das erst bei genauerem Hinhören deutlich wird und Matt Camerons Schlagzeug unterstützt. Dazu kommt Vedders unglaublich variable Stimmgewalt. Die Songs sind meist sehr vielschichtig, so dass man erst nach mehrerem Hören alle Facetten mitbekommt. Dabei setzen Pearl Jam mehr auf ihre Songwriting-Qualitäten als auf Effekte. Bei der neuen Platte kommen zwar ein paar zusätzliche Instrumente wie Klavier und Hammond-Orgel vor, fallen aber kaum ins Gewicht.
Eddie Vedders Stimme ist etwas rauher aufgenommen als z.B. auf "Binaural". Das passt insbesondere zu den schnellen Songs, bei denen sich Vedder die Seele aus dem Leib schreit. Mike McCready spielt wieder vergötterungswürdige Lead-Gitarren-Parts und Soli, z.B. im grandios rockenden Opener "Life Wasted". Ein Studiovideo des Songs kann man bei Amazon.de sehen - bemerkenswerterweise variiert McCready da sein Solo und "Life Wasted" wird im Gegensatz zur Albumversion nicht ausgefadet.
Nach dem rauhen Auftakt geht die Platte ab dem Mid-Tempo-Stück "Marker In The Sand", das leider einen etwas zu laschen Refrain, aber eine starke Strophe hat, in ruhigere Gefilde über. So beispielsweise bei "Gone", bei dem Erinnerungen an die Klassiker "Betterman" und "Off He Goes" wach werden. Insgesamt halten sich fünf rockige Stücke (Titel 1 - 4, 8) mit 5 Balladen (6, 9, 10, 12, 13) die Waage, wobei "Wasted Reprise" auf Grund seiner 50sekündigen Länge nicht ganz gezählt werden kann. Der Einschub bezieht sich auf "Life Wasted" und gibt nochmal dessen Refrain wieder.
Inhaltlich beschäftigen sich Pearl Jam sowohl mit den großen Themen Glaube und Moral ("Marker In The Sand", "Inside Job"), den gesellschaftlichen Kehrseiten ("World Wide Suicide", "Army Reserve"), aber auch dem Einzelschicksal ("Life Wasted", "Unemployable", "Come Back"). Dabei sind anregende bis aufrüttelnde Texte (neben den Songs über Liebe und Freundschaft) für Pearl Jam ein wichtiger Teil ihrer Musik. Es wird aus verschiedenen Perspektiven auf Missstände hingewiesen - die dazugehörigen Emotionen inklusive. Als oberste (moralische) Maxime gilt es, den Schwächsten zu helfen. Die Ehrlichkeit, die die Band dabei vermittelt, ist seit jeher ihr prägendster Charakterzug.
Pearl Jam stellen mit ihrem neuen Album möglicherweise die Weichen auf steigende Verkaufszahlen. Der ausgeglichene Mix aus schnellen und langsamen Stücken überzeugt vor allem durch die Leidenschaft, mit der gespielt wird. Also insgesamt alles beim Alten, aber alles ein bißchen besser.
13 Punkte (von max. 15)
Burkhard Fückel, 28.04.2006
TRACKLIST
01.Life Wasted ***
02.World Wide Suicide
03.Comatose ***
04.Severed Hand
05.Marker In The Sand
06.Parachutes
07.Unemployable
08.Big Wave
09.Gone ***
10.Wasted Reprise
11.Army Reserve ***
12.Come Back
13.Inside Job
[ *** Anspieltipps ]
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