Cd-Besprechung

Heinz Strunk - Fleckenteufel

Heinz Strunk

Fleckenteufel

tacheles! / ROOF MUSIC
  Vö: 16.01.2009

Bewertung:  9 Punkte
Leserwertung:  12.0 Punkte
Stimmenzahl: 1

Schrecklich, unfassbar, Sodom und Gomorrha. Das Gehirn wehrt sich, das von den Augen erfasste Greuel richtig zu verarbeiten. Es muss einfach ein Irrtum sein, dass Heinz Strunk, eine der letzten Niveau-Bastionen im Sumpf des deutschen Humors, sich diesen genau so billigen wie perfiden Marketing-Kniff zueigen macht. Die Rede ist von der stumpfen Vereinheitlichung von Buchcovern: Vermutlich in der Hoffnung, dass die Buch-Käufer eigentlich gar nicht lesen können und nur nach bunten Farben entscheiden, sehen seit ca. zwei Jahren alle Bücher aus wie Tommy Jauds "Vollidiot". Nun ja. "Fleckenteufel" sieht halt aus wie das allseits bekannte "Feuchtgebiete", nur in hellblau (ergo: männlicher Autor. Kreativ!). Der Blick auf Strunks Homepage verrät wenigstens, dass diese bodenlose Frechheit einzig und allein auf dem Mist des Verlags gewachsen ist.

So, genug über Nebensächlichkeiten aufgeregt, schließlich stellen Strunk'sche Veröffentlichungen grundsätzlich einen Anlass zum Feiern dar. Nachdem erst vor wenigen Monaten das melancholische "Die Zunge Europas" erschienen ist, folgt jetzt "Fleckenteufel": ein derber, depressiver Teenage-Angst-Roman aus der Sicht des 16-jährigen Thorsten Bruhn im Jahre 1977. Die Familienfreizeit der evangelischen Gemeinde führt ihn in den wohlklingenden Ort Scharbeutz an der Ostsee. Und wie schon in den letzten beiden Romanen werden wieder die üblichen Themen angerissen: Unüberwindbare Provinz-Tristesse, ein deprimierendes Sexleben und die Abscheulichkeiten des menschlichen Körpers. Neu ist lediglich die Perspektive, schließlich konnten sich die Charaktere aus den früheren Romanen kaum mit juvenilen Aktivitäten wie Völkerball oder Dorfdisko-Besuchen abgeben.

Hatte man bei der "Zunge Europas" noch das Gefühl, Strunk würde sich ab jetzt mehr auf sauberes Storytelling als auf das beschreiben von Ekzemen und Körperflechten konzentrieren, so scheint es bei diesem Release so, als hätte er diese Ergüsse nur über Jahre aufgespart um sie in "Fleckenteufel" rauszulassen. Interessant: "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche ist noch nicht alt genug, als dass man "Fleckenteufel" als Plagiat abstempeln könnte. Trotzdem sind die Geschichten derb wie nie zuvor - wir sprechen immerhin von Ausdrücken wie Schorfpopel, Arschwasser und Genitalwarzen.

Stand da oben nicht irgendwas von Niveau? Heinz Strunk ist - im Gegensatz zu Frau R. - immer noch ein überragender Schriftsteller, sodass Verzweiflung und bitterster Humor nicht unter dieser Flut aus Körpersekreten untergehen. "Fleckenteufel" wird allerdings eher als verstörender Auswuchs in seiner ja immer noch jungen Schreiberkarriere in Erinnerung bleiben.
Die Hörbuchfassung ist dabei wesentlich gelungener als noch bei der "Zunge Europas": weniger Hektik, mehr eigens gesprochene, brüllend komische Dialoge und auch das ein oder andere mit den Lippen nachvertonte Körpergeräusch. Nicht nur ein Super-Geschenk für alte Fans, sondern auch für den Konfirmanden next door.

9 Punkte (von max. 15)

Benedikt Ernst17.01.2009

TRACKLIST
ISBN-10: 3938781963
ISBN-13: 978-3938781968
[ *** Anspieltipps ]

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