Cd-Besprechung
Leserwertung: 9.6 Punkte
Stimmenzahl: 129
Aufrichtig rockende Medizin – kein überflüssiges Style Placebo. Wer Lust darauf hat, derartiges verabreicht zu bekommen, möge sich das neue, zweite Album der Kölner Days In Grief zulegen und sich die Wohltat eines Albums gönnen, welches so einiges richtig macht. Und dabei sind nicht einmal wirklich viele Monate ins Land gezogen, seitdem diese junge Band mit ihrem Debüt Portrait Of Beauty zu begeistern und die hiesige Emocore-Szene aufzuwühlen wusste. Umso mehr Hüte sind zu ziehen vor dem, was die Band auf ihrem zweiten Werk leistet und was dafür sorgen wird, dass die Tage voller Kummer und Betrübnis zumindest in Bezug auf die Bandaktivität für alle Zeiten vorbei sein dürften.
Folgen wir doch einmal dem Memento Pfad und zählen auf, was Days In Grief gerade nicht auf ihren zweiten Silberling gebannt haben und was sie damit wohltuend von vielen anderen amerikanischen und europäischen Vertretern des akut grassierenden Emo-Metal-Hard-Rock-Core Virus unterscheidet: Keine Pseudo-Ballade, kein anstrengender Midtempo-Schunkler, kein aufhaltendes Interlude, kein Overkill an penetrant-süßlichen Gesangslinien, kein Anbiedern an sonstwasundwen. Stattdessen erfreut sich das mit Überzeugung bis zum Zerbersten gefüllte Herz an 13 Songs, die über knapp 40 Minuten ein mitreißendes und leidenschaftliches Energielevel halten, dass man kaum schwächelnde Momente auszumachen vermag. Das Uptempo vom Punkrock, die auf Saiten übertragene Fingerfertigkeit des Metal, das heisere Shouten vom Hardcore und gelegentliche Sing-Ausflüge – alles bestens vermischt, als wäre es durch das Klingen-Wundersystem des Merlin 1-2-3 gejagt worden. Dabei ist der in den bewährten Woodhouse Studios entstandene Sound optimal geraten - so fett wie der Durchschnittsamerikaner nach dem täglichen Besuch des Lieblings-FastFood-Fresstempels.
In Dreams The Dead Return - ein geradezu wahnwitzig gelungener Song, den man so seit den glanzvollen Anfangstagen von Thrice nicht mehr gehört hat. Die Melodie-Kombination soll der Rest der heimischen Metalcore Bande erstmal nachmachen – bevor sie sich am Gänsehaut-Abgeh-Part in der Mitte des Songs endgültig die Mosh-Zähnchen ausbeißen. So als würde sich ein aufkommender Sturm in der Illusion der Sicherheit zusammenbrauen, falls sie verstehen...Intellect Is Blind hat genau das wunderbare Harmonie-Verständnis, das beweist, dass hier vom Metal eben nicht die stumpfe Gewalttätigkeit, sondern andere Qualitäten übernommen werden. Breathe oder The Grace Of Dying Memories schaffen es ebenfalls ohne Probleme auf Anhieb zu begeistern, ob im Tanzschuppen des Vertrauens oder während der nächtlichen Heimfahrt mit Finger-Trommel-Einlage auf dem Lenkrad.
Bei Songtiteln wie Economic Tyranny darf man des Weiteren beruhigt zur Kenntnis nehmen, dass Days In Grief sich ihr politisches und gesellschaftliches Bewusstsein bewahrt haben und auch weiterhin davor gefeilt sind, in das verwunschene Screamo-Land voller schwarz lackierter Fingernägel mit wahlweise VampirHorror- oder Herzschmerz- oder vorgetäuschter Rock`n`Roll Lyrik abzudriften. Diesem nervigen Einheitsbrei sind die Kölner sicher und souverän entkommen, sodass ein Album bleibt, welches sich abseits von Klischees positioniert und einfach ein superbes musikalisches Statement darstellt. Diese Band kann das, was vielen Genre-Klonen verwehrt bleibt: Sie schreibt großartige, sprichwörtlich unter die Haut schlüpfende Songs. 13 neue davon liegen für euch auf dem Präsentier(Platten)teller bereit.
Empfohlener Promosticker: Für Fans von THRICE // UNEARTH // A WILHELM SCREAM // KILLSWITCH ENGAGE // FIRE IN THE ATTIC
14 Punkte (von max. 15)
Bogatzke , 15.06.2005
TRACKLIST
01. when backhanded thoughts carry the weight
02. breathe ***
03. unite-oppose-create
04. political correctness
05. in secrecy
06. intellect is blind ***
07. economic tyranny
08. kill the music
09. jihad
10. in dreams the dead return ***
11. in the margin
12. the grace of dying memories ***
13. the lights go out the curtain falls
[ *** Anspieltipps ]
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